Generationsübergreifend denken

Firmeninhaber sollten ihr Vermögen ebenso professionell organisieren wie das eigene Unternehmen

Firmeninhaber sollten neben betrieblichen stets auch private Risiken auf dem Radar behalten – eine ungeregelte Vermögenssituation kann nämlich sehr wohl auch auf das Unternehmen durchschlagen. Von Angela Müller-Valkyser*

Viele Familienunternehmer kümmern sich mit Leib und Seele ums Tagesgeschäft. Dabei verlieren sie leicht die private Vermögensplanung aus dem Blick. Sie strukturieren ihre Kapitalanlagen erst, wenn das Ende der unternehmerischen Tätigkeit ansteht. Das ist riskant und in vielen Fällen zu spät.

Für Mittelständler verläuft die Grenze zwischen betrieblichen und privaten Belangen fließend. Bei Scheidung, Krankheit, Familienstreitigkeiten oder einer ungeregelten Nachfolge drohen hohe finanzielle Risiken. Abhilfe kann eine vorausschauende Vermögensplanung schaffen. Firmeninhaber sollten ihr Vermögen ebenso professionell organisieren wie das eigene Unternehmen. Nach Erfahrung des Family Office Tresono besteht in der Wirtschaft noch ein großer Nachholbedarf. Nur rund die Hälfte der mittelständischen Unternehmen sind in puncto Vermögensstrukturierung hinreichend vorbereitet. Beim anderen Teil besteht Handlungsbedarf.

Finanzielle Risiken im Blick

Gerade das familiäre Umfeld birgt viele Risiken, die leicht übersehen oder viel zu spät erkannt werden. Angehörige etwa können, wenn sie sich benachteiligt fühlen, lang gehegte Familienpläne platzen lassen. Oder sie handeln sogar absichtlich gegen die Interessen der Gesamtfamilie, womöglich weil Dritte sie dazu ermutigen. Die Folgen sind höchst unerfreulich: Es drohen nicht nur zeitraubende Blockaden und langwierige Auseinandersetzungen, sondern auch erhebliche Vermögenseinbußen.

Naturgemäß treffen in einer Familie sehr unterschiedliche Erwartungen und Interessen aufeinander. Die Nachkommen haben teilweise ein anderes Verhältnis zum hart erarbeiteten Vermögen der älteren Generation. Je mehr Familienmitglieder und Generationen vorhanden sind, desto größer ist das Konfliktpotenzial. Umso wichtiger ist es, frühzeitig klare und vorausschauende Regelungen zu treffen. Dabei sollten die individuellen Wünsche immer hinter den übergeordneten Interessen der Familie und des Unternehmens zurückstehen. Andernfalls können Einzelne wichtige Vermögensfragen torpedieren und einen enormen finanziellen Schaden anrichten.

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Gerade bei komplexen Familienverhältnissen besteht ein akuter Handlungsbedarf. Dazu zählen Patchworkfamilien mit minderjährigen Kindern und ungeregelter Vertretung. Schnell können Vormundschaftsgerichte wichtige Entscheidungen blockieren. Das gleiche gilt für Familien mit betreuungsbedürftigen Angehörigen. Auch weltweit verstreute Familien sollten Vorkehrungen treffen. Internationale Lebensmodelle erfordern dringend eine systematische Strukturierung und Zuordnung des Vermögens innerhalb der Familie.

Die passende Vermögensstruktur

Mit einer gründlichen Vermögensplanung lassen sich die meisten Risiken ausräumen. Ausgangspunkt sollte die Entwicklung einer Familienstrategie bilden. Im Zuge dessen werden zum Beispiel die gemeinsamen Werte und Ziele, die Rolle von Familienmitgliedern und die Ertragsanforderungen festgelegt. Eine Familienstrategie legt den Grundstein für die Implementierung einer nachhaltigen Vermögensstruktur, die von allen Familienmitgliedern getragen wird.

Viele Firmeninhaber neigen dazu, bei der Vermögenanlage zu stark an Bekanntem und Bewährtem festzuhalten. Leicht kommt es dabei zum Überbewerten von Chancen und zum Ausblenden von Risiken. Statt das Vermögen auf einzelne Anlageklassen und Regionen zu konzentrieren, ist heutzutage eine breite Vermögensdiversifikation unerlässlich. Dies reduziert die Verlustrisiken und steigert bei einem langfristigen Anlagehorizont auch die Renditeaussichten deutlich.

Eine vorausschauende Vermögensstruktur für Familienunternehmer sollte aus mindestens fünf Bausteinen bestehen. Dazu zählen das Kernunternehmen, unternehmerische Beteiligungen („Family Equity“), Immobilien, Kapitalanlagen und liquide Mittel. Die genaue Aufteilung des Vermögens hängt von den individuellen Anforderungen etwa in puncto Sicherheit, Flexibilität und Rendite ab. Einzelne Investments sollten nicht nur für sich betrachtet attraktiv sein, sondern müssen aufeinander abgestimmt werden, damit der Vermögensmix stimmt. Sonst können plötzliche Marktveränderungen den Vermögenswert spürbar schädigen.

Elementar für die Firma

Eine systematische Vermögensstrukturierung liegt nicht nur im familiären Interesse, sondern ist auch erfolgsentscheidend für das Familienunternehmen. Bei einer ungeregelten Nachfolge droht Chaos im Betrieb. Ein hoher Cash-Bedarf der Erben kann den Fortbestand des Unternehmens gefährden.

Das Familienunternehmen ist der Dreh- und Angelpunkt für die Inhaberfamilie. Oft macht das Betriebsvermögen einen erheblichen Teil des Gesamtvermögens aus und stellt die wirtschaftliche Versorgung der Familie sicher. Gerade bei einer komplexen Firmenstruktur und einem vielschichtigen Geschäftsmodell sollten Mittelständler die Vermögensstrukturierung frühzeitig angehen.

Auch schnelle Entscheidungsprozesse sind elementar für den unternehmerischen Erfolg. Dazu zählt, dass der Firmeninhaber seine Handlungsfähigkeit in finanziellen Fragen zu jedem Zeitpunkt bewahrt. Dies ist in dynamischen Märkten und Krisensituationen wie aktuell Corona wichtiger denn je.

Gestaltungsoptionen prüfen

Vermögensregelungen per Ehevertrag, lebzeitige Übertragung und Testament sind wichtig, reichen aber allein nicht immer aus. Bei großen Vermögen kommt auch die Gründung einer vermögensverwaltenden Familiengesellschaft, Holding oder Stiftung in Betracht. Grundsätzlich gilt: Firmeninhaber sollten die Einbindung von Familienmitgliedern möglichst flexibel gestalten. Idealerweise steht ihnen eine aktive Geschäftsführung im Kernunternehmen, eine aktive Investorenfunktion bei strategischen Unternehmensbeteiligungen oder eine rein passive Gesellschafterrolle offen.

Einige Familienunternehmen verwalten ihr Vermögen in Eigenregie, falls Angehörige entsprechende Erfahrungen und Interesse mitbringen. Doch viele Mittelständler stoßen bei der Eigenverwaltung schnell an ihre Grenzen. Sie ziehen für Teilaufgaben erfahrene Spezialisten hinzu oder lagern gleich alle Bereiche aus. Bei großen und komplexen Vermögen ist eine Rundumbetreuung unumgänglich. Erfahrene Vermögensverwaltungen oder Family Offices sorgen für eine optimale Strukturierung und ein laufendes Reporting über alle Anlageklassen.

Trumpfkarte Family Equity

In den letzten Jahren entdecken immer mehr Familien neben dem mittelständischen Unternehmertum auch den Bereich „Family Equity“. Sie investieren per Direktbeteiligung in vielversprechende Start-ups oder Wachstumsunternehmen. Im Gegensatz zu Private Equity ist das Investment langfristig und von generationsübergreifendem Denken geprägt. Solche Investitionen sind besonders erfolgsversprechend, wenn Investor und Portfoliounternehmer über gleichgerichtete Interessen verfügen und mit vereinten Kräften die Unternehmensentwicklung vorantreiben.

Laut Forschern der „Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung – Otto Beisheim School of Management“ entwickeln sich Familienunternehmer zunehmend zu unternehmerischen Investoren. Family Equity übernehme die Rolle des Treibstoffs für das generationsübergreifende Unternehmertum. Für Mittelständler empfiehlt sich Family Equity als fester Baustein der strategischen Vermögensallokation. Damit eröffnen sich auch neue Möglichkeiten, den Nachwuchs an Vermögensfragen heranzuführen oder abseits des Familienbetriebs mit unternehmerischen Aufgaben vertraut zu machen.

Angela Müller-Valkyser

Mit einer vorausschauenden Vermögensstrukturierung können Mittelständler viele Konflikte von vorneherein vermeiden und das Familienvermögen über Generationen bewahren. Je früher und systematischer Firmeninhaber das Thema angehen, desto besser ist dies für die Familie und die Firma (siehe Infokasten „Über Generationen hinweg“).

Über Generationen hinweg

 

1. Gemeinsame Werte: Viele familiäre Konflikte sind emotional aufgeladen. Abhilfe schafft eine offene Aussprache. Mittelständler sollten sich mit ihren Angehörigen auf gemeinsame Ziele für das Unternehmen und die Familie verständigen. Das schweißt zusammen und setzt neue Kräfte frei.

2. Flexible Rollen: Immer weniger junge Menschen streben den klassischen Karriereweg an. Eine generationsübergreifende Familienstrategie bietet Raum für unterschiedliche Funktionen. Neben einer operativen Geschäftsführung ist auch eine Gesellschafterrolle als Beirat oder Aufsichtsrat denkbar, der Fremdgeschäftsführer konstruktiv begleitet.

3. Effiziente Vermögenssteuerung: Es zählt zu den zentralen Aufgaben von Familienunternehmern, das Vermögen zu schützen und über Generationen zusammenzuhalten. Dies erfordert eine vorausschauende Strukturierung des Vermögens über verschiedene Anlageklassen und eine laufende Erfolgsanalyse.

(Quelle: Tresono Family Office, www.tresono.de)

*) Angela Müller-Valkyser ist Vorstand von Tresono Family Office. Sie analysiert Investmentangebote über alle Vermögensklassen und begleitet die langfristige Vermögenssicherung, insbesondere für Unternehmerfamilien. Tresono ist ein unabhängiges, inhabergeführtes Family Office mit Sitz in Köln. www.tresono.de

 

Autorenprofil

Falko Bozicevic ist Chefredakteur des GoingPublic Magazins sowie des Anleihe-Portals BondGuide. Seine Schwerpunkte liegen vor allem auf makroökonomischen Themen sowie Investment-Fragen rund um IPOs, Anleihen und Fonds.

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