Im Zeichen der Zeit – Wandelanleihen

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Wandelanleihen als flexibles Finanzierungsinstrument

In der Finanzierungs- und M&A-Praxis entstehen gerade bei Wachstumsunternehmen oft Situationen, in denen Finanzierung oder Bewertungen künftige Erwartungen berücksichtigen sollen – und zwar sowohl deren Eintritt als auch Erwartungsverfehlungen. In solchen Fällen können Wandelschuldverschreibungen ein Tool sein, um die wirtschaftlichen Ziele der Beteiligten umzusetzen. VON DR. THORSTEN KUTHE UND MADELEINE ZIPPERLE

An dieser Stelle gilt es, einmal innezuhalten. Als wir uns entschlossen haben, aus dem Inhalt von Transaktionen, die wir in den letzten Monaten begleitet haben, einen Beitrag zu schreiben, gab es einen funktionierenden Kapitalmarkt für Neuemissionen. Wenige Wochen später beherrscht Corona den Alltag und den Kapitalmarkt – Eigenkapitalemissionen sind aktuell und auch in den nächsten Wochen, wenn nicht Monaten, undenkbar. Ist dieser Beitrag da überhaupt noch sinnvoll? Wir sagen: ja. Warum? Nun, es gibt ein Leben nach Corona. Es wäre fatal, wenn das Kapitalmarktgeschäft nach der DotcomBlase und der Finanzkrise nun zum dritten Mal längerfristig brachliegt. Darum möchten wir frühzeitig Strukturierungsmöglichkeiten eines Finanzierungsinstruments in Erinnerung rufen, das besondere Möglichkeiten bietet, um auf hohe Volatilitäten und Bewertungsunsicherheiten zu reagieren.

Prospektfreie Emissionen

Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Ausnahmen von der Prospektpflicht. Bei der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen haben die Aktionäre grundsätzlich ein Bezugsrecht, sofern nicht die sogenannte 10%-Emission unter Bezugsrechtsausschluss gewählt wird. Für Wandelschuldverschreibungen gilt allerdings auch die Möglichkeit, Emissionen von bis zu 8 Mio. EUR prospektfrei zu begeben. Dabei steht dies zusätzlich neben der Ausnahme von 8 Mio. EUR für Kapitalerhöhungen. Innerhalb von zwölf Monaten kann also z.B. eine Kapitalerhöhung von 8 Mio. EUR ohne Prospekt durchgeführt und eine Wandelschuldverschreibung von 8 Mio. EUR ohne Prospekt begeben werden. Gegenüber einer „normalen“ Anleihe ohne Wandlungsrecht gibt es dabei einen erheblichen Vorteil bei Nutzung dieser 8-Mio.-EUR-Ausnahme: Denn grundsätzlich erfordert ein solches prospektfreies Angebot bei einer öffentlichen Platzierung die Einhaltung enger Anlagegrenzen, die durch Zeichnung über ein Finanzinstitut gewährleistet werden müssen. Die Ausnahme von diesem Erfordernis, die für Kapitalerhöhungen mit Bezugsrecht gilt, gilt auch für Wandelschuldverschreibungsemissionen.

Hohe Geschwindigkeit möglich

Eine weitere Besonderheit: Bei Bezugsangeboten für Kapitalerhöhungen von Aktien unter Nutzung der 8-Mio.-EUR-Ausnahme außerhalb des regulierten Markts ist ein Wertpapierinformationsblatt nötig. Anders bei einer Wandelschuldverschreibungsemission – hier wird kein Wertpapierinformationsblatt, sondern ein Basisinformationsblatt benötigt. Dieser Unterschied ist insofern wichtig, als ein Basisinformationsblatt nicht durch die BaFin gebilligt werden muss. Ein entsprechendes Bezugsangebot kann daher je nach Marktverhältnissen sehr schnell kurzfristig gestartet werden, weil der Billigungsprozess für das Wertpapierinformationsblatt (für den man drei bis vier Wochen rechnen muss) entfällt.

Zu beachten ist, dass eine prospektfreie Zulassung des bedingten Kapitals zur Bedienung der Wandelschuldverschreibung für Unternehmen, deren Aktien im regulierten Markt notieren, anders als früher nicht mehr unbeschränkt möglich ist. Vielmehr ist eine prospektfreie Zulassung nur für bedingtes Kapital, das 20% des Grundkapitals nicht übersteigt, innerhalb von zwölf Monaten möglich.

Earn-out bezahlt in Aktien

Ein weiteres interessantes Einsatzmittel für Wandelschuldverschreibungen sind Unternehmenskäufe. Nicht selten wird bei solchen Erwerben vereinbart, dass als Gegenleistung Aktien des übernehmenden Unternehmens „gezahlt“ werden sollen. Häufig besteht dann aber Unsicherheit über die Bewertung der zu kaufenden Beteiligung, etwa wenn das zu übernehmende Unternehmen einen ambitionierten Businessplan hat. Bei klassischen M&A-Transaktionen wird in diesem Fall ein sogenannter Earn-out gezahlt, d.h., es werden Barkomponenten in Abhängigkeit vom Erreichen bestimmter Ziele zu einem späteren Zeitpunkt fällig. Dies lässt sich in Bezug auf die „Bezahlung“ in Aktien des Käufers über Wandelschuldverschreibungen ebenfalls abbilden. In dem Fall wird die Beteiligung als Sacheinlage auf die Wandelschuldverschreibung hin geleistet. Die Verkäufer können und müssen diese dann wandeln, wenn der Erfolgsfall eintritt; ein Rückzahlungsanspruch besteht nicht.

Dieser Artikel erschien zuerst am 28. März in unserem Jahres-Special Corporate Finance Recht 2020.


ZU DEN PERSONEN

Dr. Thorsten Kuthe ist Rechtsanwalt und Partner im Kölner Büro der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek. Er berät schwerpunktmäßig im Kapitalmarktrecht, im Bereich Gesellschaftsrecht sowie (Public) M&A.

 

 

Madeleine Zipperle ist Rechtsanwältin und Salaried Partner am Kölner Standort von Heuking Kühn Lüer Wojtek. Ihre Fachbereiche sind u.a. Aktienrecht, Gesellschaftsrecht und Private Equity. Sie ist zudem Lehrbeauftragte für Kapitalmarktrecht an der Hochschule Fresenius.

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