Finanzierungen in Zeiten des Coronavirus

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Die aktuelle Situation ist für alle Unternehmen ernst. Cash ist King und ausreichend Liquidität ist derzeit für jeden entscheidend. Erste Sofortmaßnahmen haben viele bereits geplant oder umgesetzt, insbesondere die Nutzung bestehender Linien, Kurzarbeit und Steuerstundungen. Weitere Liquiditätsmaßnahmen erfordern in der Regel den Weg über den Finanzierungsmarkt, der für Unternehmen angespannt und von vielen Unsicherheiten geprägt ist. VON DIETRICH STOLTENBURG

Staatliche Hilfen bedürfen guter Vorbereitung

Grundsätzlich stehen zwar umfassende staatliche Hilfsmaßnahmen in Form von KfW-Krediten (typischerweise zu beantragen über die Hausbank) zur Verfügung, aber diese sind nicht immer so einfach oder kurzfristig zugänglich wie gedacht. Dies liegt in der Regel entweder an mangelnden Kapazitäten auf Seiten der Finanzierer/Banken oder an einer unzureichenden Aufbereitung der Unterlagen durch die Antragsteller. Hier sollte nach einer ersten Analyse der Krisenauswirkungen auf das eigene Unternehmen eine enge Abstimmung mit der Hausbank erfolgen. Um den Finanzierungsprozess strukturiert und gut vorbereitet anzugehen sind mindestens folgende Unterlagen wichtig:

  • Bestandsaufnahme der Corona Auswirkungen (Lieferketten & Rohstoffe, Kunden, Absatzrückgang & Produktionseinschränkung, Mitarbeiter etc.)
  • Erste Maßnahmen (Entlassungen, Kurzarbeit, Steuerstundungen etc.)
  • 13-Wochen-Liquiditätsvorschau
  • Aktualisierung der Kurzfristplanung

Sind die ersten Voraussetzungen erfüllt, können mit der Hausbank weitere Erfordernisse (z.B. detailliertere Unterlagen) und Lösungsansätze (u.a. Einbindung der KfW-Kredite in Kombination mit vorübergehenden Aussetzungen bestimmter Vertragsbedingungen, insbesondere anstehender Tilgungen, oder des Einwerbens neuer Finanzierungsbausteine) diskutiert werden.

Unsichtige Situation am Finanzierungsmarkt

Darüber hinaus ist aber insbesondere auch interessant, wie mit bestehenden Finanzierungen sowie anstehenden Neufinanzierungen umgegangen wird, die nicht den Weg über die KfW nehmen und wofür sich auch noch kein einheitliches Vorgehen unter den Finanzierern etabliert hat. Hier fehlt vielen Unternehmen/Investoren die nötige Transparenz im Umgang mit und in der Akzeptanz von Anforderungen an ihre Finanzierungen. Generell lassen sich bereits einige Marktentwicklungen beobachten, die sich in aktuellen Finanzierungsfällen immer wieder gezeigt haben:

  • Laufende LBO-Prozesse werden massiv durch die wirtschaftliche Entwicklung gestört. Auszahlungen von Finanzierern werden teilweise geblockt, sodass Sponsoren (Erwerber) All-Equity akquirieren und eine spätere Refinanzierung angehen müssen. Hier gibt es nur wenige Ausnahmefälle, insbesondere bei Unternehmen, die in der jetzigen Phase profitieren.
  • KfW-unabhängige Neufinanzierungen (Akquisition, Refinanzierung, Wachstum) sind aktuell schwer umsetzbar. Entsprechende Prozesse werden in der Regel auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, in der Hoffnung, die Effekte der Corona-Krise dann umfassender einschätzen zu können.
  • Erhöhtes Pricing der unterschiedlichen Finanzierungstranchen ist seit einigen Wochen deutlich zu erkennen.
  • Bei Portfoliounternehmen werden oftmals die Sponsoren/Gesellschafter verpflichtet, z.B. durch zusätzlichen Covenant in Verbindung mit einem Mandatory Equity Cure (Eigenkapitalbeitrag).
  • Innerhalb von Debt Fond-Finanzierungen verstärken sich die Interessenskonflikte bei der Risikoverteilung, insbesondere bei bestehenden 1st/2nd-Strukturen, ähnlich wie bei Finanzierungsstrukturen mit Mezzanine und Senior(Bank)darlehen während der Finanzkrise.
  • Alternative Finanzierungsbausteine, vor allem Factoring, können nach wie vor relativ schnell und unkompliziert als zusätzlicher Liquiditätspuffer genutzt werden, sofern die Forderungsstrukturen solide sind. Wohingegen bestehende Factoring-Finanzierungen aufgrund rückläufiger Forderungshöhen (wegen zurückgehender Umsätze) zu Finanzierungsengpässen führen.

Fazit

Trotz der vielschichtigen Liquiditätsmaßnahmen ist der Finanzierungsmarkt deutlich vorsichtiger und zurückhaltender geworden. Die Liquiditätshilfen durch die KfW dienen vielen Unternehmen zwar als wichtiges Sicherheitsmittel, jedoch müssen sich diese auch immer in das bestehende Finanzierungskonzept einbinden lassen. Die meisten Finanzierer sind dabei jedoch offen für diese zusätzliche Liquiditätsentlastung und bieten daneben auch mehr kurzfristige Flexibilität (u.a. Covenant Holiday oder Tilgungsaussetzung) an.

Bei einer partiellen Neuaufstellung der Finanzierung ist jedoch eine gründliche Analyse und Aufbereitung unabdingbar, um mit seinen Finanzierungspartnern eine gemeinschaftliche Lösung umzusetzen. Komplette Neufinanzierungen sind dagegen in der jetzigen Phase schwer einzuwerben, jedoch immer noch machbar. Ein strukturierter Prozess mit einer detaillierten Analyse der Corona-Auswirkungen ist hierzu unabdingbar.


ZUR PERSON

Dietrich Stoltenburg ist Managing Partner bei Network Corporate Finance in Frankfurt am Main und besitzt über 30jährige Erfahrung in komplexen Unternehmens- und Projektfinanzierungen sowie bei Leveraged Buy-Outs.

Autorenprofil
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