„Wir stehen im europäischen Wettbewerb“

Die Hauptstadtregion feiert 2012 drei Großereignisse: die Eröffnung des neuen Flughafens, den 300. Geburtstag von Friedrich II, wahlweise Friedrich der Große oder der Alte Fritz genannt – und 100 Jahre Studio Babelsberg. Im ältesten Großatelierstudio der Welt drehte „die Dietrich“ ihren „Blauen Engel“ und braute Heinz Rühmann seine „Feuerzangenbowle“. Seit 2005 ist die Aktie des Unternehmens im Freihandel der Frankfurter Wertpapierbörse notiert. Im Interview spricht Dr. Carl L. Woebcken über den Börsengang und langfristige Perspektiven des Studios Babelsberg.

Unternehmeredition: Herr Dr. Woebcken, vor wenigen Wochen feierte die Neuverfilmung „Die drei Musketiere“ seine erfolgreiche Premiere in London. Die in München ansässige Constantin-Film vergab die Produktionsaufträge nach Babelsberg, unter anderem, weil die Bavaria-Studios in München zu klein dafür waren. Genießen Sie es, einem deutschen Wettbewerber einen solchen Deal abgejagt zu haben?

Woebcken:
Wir sehen uns nicht unbedingt im Wettbewerb mit München oder Hamburg, sondern eher im europäischen Rahmen mit London, Prag und Budapest. Hier punkten wir damit, dass die Stadt Berlin als Kreativmetropole angesagt ist und die Leute gern zum Arbeiten herkommen. Außerdem haben wir in der Region eine sehr große Motivvielfalt für Außendrehs. Im Budgetvergleich haben wir zwar die höheren Lohnkosten, aber dafür sind die Lebenshaltungs- oder Hotelkosten immer noch günstiger als in Prag oder Budapest.

Unternehmeredition: Wenn man im europäischen Maßstab so gut mithält, freut das auch die Aktionäre. Wann geht es mit der Aktie der Studio Babelsberg AG wieder aufwärts?

Woebcken:
Die Filmwirtschaft ist noch nicht wieder da, wo sie vor der Pleite von Lehman Brothers war. Die Börse honoriert unsere Aktie nicht. Schauen Sie sich den Substanzwert unseres Unternehmens an. Der Ertragswert der Immobilie liegt bei 55 Mio. EUR, ein Neubau sogar bei über 100 Mio. EUR. Wir erwirtschaften Mieteinnahmen. Wir sind schuldenfrei und haben keine Belastungen. Trotzdem werden wir in der Marktkapitalisierung unter 20 Mio. EUR gehandelt. Wir würden gern unseren Kurseinbruch wieder aufholen und wollen 2012 die Profitabilität weiter steigern.

Unternehmeredition: Sie arbeiten im schnelllebigen Filmgeschäft, was eine langfristige Planung fast unmöglich macht. Dennoch sei der Epilog wie in alten Filmen gestattet: Ten years after …?

Woebcken:
Die wichtigsten Projekte der nächsten zwei, drei Jahre würde ich auch gern benennen können, aber so lange im Voraus kennen wir unsere Auftraglage leider nicht. Wir haben maximal für 2012 ein gutes Gefühl mit der Auslastung. Aber wenn wir jetzt einen guten Job machen – und wir haben hervorragende Führungskräfte –, dann gelingt uns vielleicht eine strategische Partnerschaft, in der Studio Babelsberg langfristig erfolgreich weitergeführt werden kann.

Unternehmeredition: Als deutsche Dependance von Hollywood?

Woebcken:
So sehen wir uns nicht. Außerdem sind wir in Deutschland für größere Projekte mit unserem Fördersystem international nicht wettbewerbsfähig. Technisch, mit den menschlichen Ressourcen und unserem Know-how könnten wir mithalten. Mein Rat an die Filmpolitik: die Filmförderung erhöhen, damit auch die richtig großen Filmprojekte nach Deutschland kommen.

Unternehmeredition: Herr Dr. Woebcken, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führten Solvig Wehsener und Torsten Holler.
redaktion@unternehmeredition.de


Zur Person: Dr. Carl L. Woebcken
Dr. Carl L. Woebcken ist Vorstandsvorsitzender der Studio Babelsberg AG (www.studiobabelsberg.com). Das Potsdamer Unternehmen betreibt am traditionsreichen Filmstandort Babelsberg mehrere Studios für Film- und Fernsehproduktionen mit 100 Mitarbeitern und einem Konzernumsatz 2010 von 57, 5 Mio. EUR sowie einem EBIT von 422 Mio. EUR.

Autorenprofil

Torsten Holler ist Gastautor.

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