Mittelstandsfinanzierung über den Schwarm

Der Markt für Frühphasenfinanzierung über die breite Masse – Crowdinvesting – boomt. Immer mehr Anbieter wenden nun sich gezielt an den Mittelstand. Eine Risiko-Nutzen-Abwägung.

Der Mann, der alles anders machen will, heißt Guido Sandler und kommt aus Berlin. Sandler hat Ende der neunziger Jahre die Berliner Effektenbank mitgegründet und die Zeiten des Neuen Marktes voll miterlebt. Seine neue Idee: Crowdinvesting über Aktien. Seiner Meinung nach die einzige ehrliche Möglichkeit, die Finanzierungsart Privatanlegern zuzumuten. Denn die momentan noch häufigste Beteiligungsform der anderen Anbieter ist Fremdkapital, und das komplett ohne Mitspracherecht. „Welcher institutionelle Investor würde das im Frühphasenbereich machen? Warum soll es der Privatanleger machen?“, fragt er provokant. Sandler möchte einiges aufrollen.

Was als trickreiches Finanzierungsmodell im chronisch unterfinanzierten Kulturbereich begann, wurde auch schon bald auf die Finanzierung von Start-ups ausgeweitet. Warum nicht bei den Leuten für eine Finanzierung werben, die vom Geschäftsmodell überzeugt sind und ein Produkt auch privat nutzen würden? Die Idee des Crowdinvestings war geboren. Mittlerweile gibt es mehr als 18 Crowdinvesting-Plattformen in Deutschland. Ihre Beteiligungsangebote veröffentlichen sie im Internet, und dort können sie auch gezeichnet werden.

Der Markt wächst stetig

Unter anderem wurden ein Anbieter von Blumen-Abonnements, eine Kontextsuchmaschine für Twitter und eine App, die Menschen nach erbrachter sportlicher Leistung mit Gutscheinen belohnt, finanziert. Insgesamt wurden seit Start der ersten Plattform 2011 mehr als 10 Mio. EUR bei Privat- und Kleinanlegern eingeworben.

Häufigste Beteiligungsform war anfangs die typisch stille Beteiligung. Möchte man bei ihr jedoch Summen über 100.000 EUR einnehmen, ist eine entsprechende Lizenz der BaFin notwendig, und das war den meisten Plattformen bislang zu teuer. Um diese Beschränkung zu umgehen, greifen die meisten Anbieter mittlerweile zum sogenannten partiarischen Nachrangdarlehen. Dabei handelt es sich um eines der unreguliertesten Anlageprodukte überhaupt: War bei der stillen Beteiligung zumindest noch ein Verkaufsprospekt im Sinne eines öffentlichen Angebots einer Vermögensanlage notwendig, muss bei partiarischen Darlehen – theoretisch – überhaupt nichts veröffentlicht werden.
Dr. Guido Sandler
Genau das hält Sandler für fatal, zumal sich die meisten Anbieter auf junge, unterentwickelte Unternehmen konzentrieren. Auch hält er nichts von langen Vertragslaufzeiten, mit denen Privatanleger durch partiarische Darlehen oder stille Beteiligungen an ein Unternehmen geknebelt werden. „Wenn man die breite Masse erreichen will, kann man nicht erwarten, dass sich Anleger auf fünf bis sieben Jahre verpflichten, sie müssen handlungsfähig bleiben.“ Die Unternehmen sind dynamisch und verändern sich ständig, auch das Marktumfeld bleibt nicht immer dasselbe. Man brauche einen Sekundärmarkt, sagt Sandler, damit die Anleger auch reagieren könnten.

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