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„Wir wollen Ottobock agiler machen“

Knapp 100 Jahre hatte bei Ottobock nur die Familie das Sagen. Mit dem schwedischen Investor EQT ist nun ein neuer Gesellschafter an Bord. Wieso es zum Verkauf des 20-Prozent-Anteils kam und wie die weitere Strategie des Unternehmens aussieht, erklärt Hans Georg Näder.

Herr Näder, momentan ist viel los bei Ihnen. Sie holten den schwedischen Finanzinvestor EQT an Bord, verkauften Ihr Kunststoffgeschäft und verlobten sich auch noch. Welche Entscheidung war die beste?

Ach wissen Sie: Bei mir läuft oft vieles parallel. Meinen Einsatz für das Unternehmen und mein privates Leben habe ich noch nie fein säuberlich voneinander getrennt. So liefen auch meine Verlobung und die Partnerschaft mit EQT im Gleichklang. Unsere Strategie sieht nachhaltiges und profitables Wachstum vor. Dank EQT sind wir jetzt noch schneller unterwegs. Dabei fokussieren wir uns auf unser Kerngeschäft als Weltmarktführer in der technischen Orthopädie. Dazu trägt wiederum der Verkauf des Kunststoffgeschäfts bei. Am Ende passt alles perfekt zusammen – Nathalie und ich sowieso.

Optionen für den Verkauf der Kunststoffsparte prüften Sie schon länger. Was gab jetzt den Ausschlag?

Einerseits die Strategie, uns auf unser Kerngeschäft zu fokussieren. Dort bieten sich weitere Chancen, zu wachsen. Andererseits die Unternehmensgruppe Conzzeta als Käuferin. Deren Geschäftsbereich FoamPartner will das Geschäft nachhaltig weltweit ausbauen – und so auch den Standort Duderstadt weiterentwickeln. Die Schweizer sind als einer der führenden Anbieter ein idealer neuer Eigentümer.

Warum haben Sie mit EQT einen Finanzinvestor am Unternehmen beteiligt?

Als Familienunternehmer in dritter Generation achte ich nicht nur die Geschichte, sondern ich muss auch nach vorn schauen: Wo will ich mit dem Unternehmen in Zukunft stehen? Welches Handwerkzeug benötigen wir dafür? Welche Tools brauche ich in meinem Werkzeugkasten, welche Aggregate in meinem Maschinenraum? Bisher hatte ich zwar ein großartiges Managementteam und kluge Berater, aber am Ende musste ich allein entscheiden. Jetzt konnten wir mit EQT und Marcus Brennecke einen echten Partner ins Boot holen, der auf Augenhöhe mit mir ist. Das ist eine Riesenchance. Ich möchte die Kompetenz von EQT anzapfen, um Ottobock agiler zu machen und das Wachstum zu beschleunigen.

Eigentlich war doch der Plan, Ottobock an die Börse zu bringen. Dieser ist erst mal vom Tisch. Aufgehoben oder aufgeschoben?

Zumindest aufgeschoben. Klar ist: Der Börsengang kommt nach dem Einstieg von EQT wohl eher später als früher, wenn er überhaupt kommt. Denn auch ein möglicher früherer Ausstieg des Partners ist in unserem Ehevertrag genau beschrieben. Es kann also ein Börsengang folgen, aber auch eine Weiterveräußerung an einen anderen Investor oder einen Investor und die Familie. Jetzt wollen wir erst mal arbeiten. Allerdings bleibt es dabei, dass Ottobock in jedem Fall absehbar börsenreif wird.

Knapp 100 Jahre hatte bei Ottobock nur die Familie das Sagen. Mit dem schwedischen Investor EQT ist nun ein neuer Gesellschafter an Bord. Wieso es zum Verkauf des 20-Prozent-Anteils kam und wie die weitere Strategie des Unternehmens aussieht, erklärt Hans Georg Näder.

Können Sie nachvollziehen, dass das Verhältnis Familienunternehmen und Finanzinvestor immer noch zwiegespalten ist?

Die Partnerschaft mit EQT ist für mich ein Vorbild für den German Mittelstand. Damit es auch bei anderen klappt, müssen manche ihre Vorurteile über Bord werfen. Richtig ist aber: Nicht jedes Private-Equity-Unternehmen passt zu jedem Familienunternehmen. Mir war wichtig, dass unser Partner versteht, was Familie heißt und unsere Werte teilt.

Was kann der Investor, was Sie nicht können?

Ich habe einen Partner an Bord geholt, mit dem ich auf Augenhöhe Wert kreieren kann. Das hatte ich nie. Man findet Unterstützung im Management oder bei externen Beratern – aber finale Entscheidungen zusammen mit einem Anteilseigner zu treffen ist eine andere Sache. Letztlich haben wir mit EQT unsere Familie auf Zeit erweitert. Zusammen wollen wir versteckte Potenziale finden und heben.

Wie haben Sie den richtigen Investor gefunden?

Nach meinem Signal, 20 Prozent verkaufen zu wollen, haben wir eine überwältigende Zahl an Anfragen aus der ganzen Welt bekommen. Darunter waren Private-Equity-Firmen wie CVC und KKR sowie renommierte Family Offices und namhafte Pensionsfonds aus Asien und Nordamerika. Aus dieser Gruppe haben wir mithilfe einer Investmentbank sieben Bewerber ausgewählt, diese Gruppe schließlich auf drei reduziert und uns dann für EQT entschieden.

Die Schweden übernehmen lediglich 20 Prozent der Anteile – für den Finanzinvestor ist das ungewöhnlich wenig. Wie geht es weiter?

Stimmt, und EQT hätte gerne mehr gehabt. Aber auch so haben wir uns gefunden und einen detaillierten Ehevertrag geschlossen, der alle Eventualitäten regelt. Irgendwann wird EQT, zumindest aus heutiger Sicht, auch wieder aussteigen. Aber dann soll das Unternehmen noch wesentlich wertvoller sein.

Marcus Brennecke, der zuständige Partner bei EQT, spricht auch von operativer Optimierung. Was meint er damit?

Das müssen Sie eigentlich ihn fragen (lacht). EQT wird uns beim organischen und anorganischen Wachstum unterstützen. Sie werden uns helfen, Ertragspotenziale zu finden, sie zu priorisieren und umzusetzen.

Knapp 100 Jahre hatte bei Ottobock nur die Familie das Sagen. Mit dem schwedischen Investor EQT ist nun ein neuer Gesellschafter an Bord. Wieso es zum Verkauf des 20-Prozent-Anteils kam und wie die weitere Strategie des Unternehmens aussieht, erklärt Hans Georg Näder.

Ihr Motto ist: Mit Volldampf in die Zukunft – was heißt das konkret?

Jetzt nicht nachzulassen, sondern als Marktführer voranzuschreiten, etwa bei der Digitalisierung unserer Branche. Nicht zuletzt technisch werden wir künftig noch mehr Menschen mobiler machen als ohnehin schon. Dazu kommen neue Formen von Mobilität im postautomobilen urbanen Raum und im Embedded-Living-Zuhause.

Planen Sie Zukäufe?

Wir haben unser Portfolio in den vergangenen Monaten mit bebionic und BionX zweimal durch Zukäufe verstärkt. Bieten sich weitere Gelegenheiten, werden wir uns genau anschauen, ob sie unser Wachstum beflügeln.

Welche Größenordnung schwebt Ihnen vor?

Das ist weniger eine Frage von Größe, sondern von Relevanz. Den nötigen finanziellen Spielraum haben wir jedenfalls.

Prothese von Leon Schäfer: Bei der Para-WM im Juli holte er die Goldmedaille in der 100-Meter-Staffel.

Haben Sie Tipps für Familienunternehmer, die Anteile oder ihr komplettes Unternehmen verkaufen wollen?

Wenn Sie in der Orthopädie tätig sind: Rufen Sie mich an. Ansonsten kann ich das Team von Dorothee Blessing von J.P. Morgan, das uns betreut hat, nur wärmstens empfehlen.

Sie denken nicht in Quartalen, eher in Dekaden. Warum ist das vor allem für Ihr Geschäft so entscheidend?

Ottobock gibt es bald seit 100 Jahren. Wir profitieren immer noch von den Weichenstellungen, die mein Großvater Otto Bock und mein Vater Max Näder vorgenommen haben. Hätte ich nicht vor 20 Jahren als Erster die Chancen des C-Leg mit mikroprozessorgesteuertem Kniegelenk realisiert, hätten wir viele Menschen nicht wieder mobil machen können. Langfristiges Denken ist unverzichtbar.

Knapp 100 Jahre hatte bei Ottobock nur die Familie das Sagen. Mit dem schwedischen Investor EQT ist nun ein neuer Gesellschafter an Bord. Wieso es zum Verkauf des 20-Prozent-Anteils kam und wie die weitere Strategie des Unternehmens aussieht, erklärt Hans Georg Näder.

Sie sind langjähriger Partner der Paralympics. Welche Bedeutung haben die Spiele für Sie?

Ich liebe diese Spiele, die Menschen auf dem Wettkampfplatz und dahinter. Als ich vergangenes Jahr zum dritten Mal in Rio das paralympische Feuer tragen durfte, war das ein Höhepunkt. Für das Unternehmen ist die Partnerschaft ein Glücksfall. Sie ist praktisch unsere Formel 1. Als technischer Partner kommen wir mit Sportlern aus aller Welt ins Gespräch und lernen unmittelbar, was diese Menschen antreibt und wo es noch hakt.

Ist dies ein sozialer Beitrag oder hart durchkalkuliert?

Wir müssen uns jedes Mal wieder bei einer Ausschreibung durchsetzen. Das ist also kein Selbstläufer. Natürlich unterstützen wir die Sportler, wo wir können. Auf Dauer ist auch das langfristig gedacht. Wir sind ein verlässlicher Partner der paralympischen Sportler. Und die wissen das zu schätzen.


Zur Person:

Hans Georg Näder ist Geschäftsführender Gesellschafter der Ottobock Holding GmbH & Co. KG. Im Jahr 1990 übernahm er die Leitung der Firmengruppe von seinem Vater und trieb das Wachstum und die Internationalisierung voran. Zum ersten Mal verkaufte das Unternehmen Anteile an eine Beteiligungsgesellschaft. Die 20-Prozent-Beteiligung hat einen Gegenwert von rund 600 Mio. Euro. EQT bewertete das Unternehmen mit 3,15 Mrd. Euro. Näder ist passionierter Segler und Hauptaktionär von Baltic Yachts. Die Firmengruppe erwirtschaftete 2016 einen Umsatz von 1,08 Mrd. Euro und beschäftigt weltweit rund 7.800 Mitarbeiter.

www.ottobock.de

 

 

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