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„Wir waren alle begeistert“

Zwei Wochen lang dürfen Asylsuchende mit unsicherem Aufenthaltsstatus ein unentgeltliches Praktikum machen – dann schlägt der Mindestlohn zu. Für viele Unternehmen zu teuer, auch wenn sie gerne helfen würden. So war es auch bei der Lackiererei Schleich in Unterfranken. Jetzt freut sich Firmenchefin Daniela Schleich auf einen neuen Auszubildenden ab nächsten September. 

Frau Schleich, Sie haben einen jungen Eritreer zwei Wochen lang als Praktikanten beschäftigt. Wie waren Sie auf ihn gekommen?

Schleich: Die Caritas hatte sich bei uns gemeldet und gefragt, ob wir ein Mitglied einer Flüchtlingswohngruppe bei uns als Praktikanten aufnehmen könnten. Dort wohnen junge unbegleitete Flüchtlinge, die seit Dezember 2014 in Altfeld sind. Sie hatten den ganzen Tag keine Beschäftigung und wussten nicht, was sie machen sollten. Ich habe mich spontan bereit erklärt und zunächst für eine Woche zugesagt. Ich wusste ja nicht, was auf mich zukommt.

Und was kam dann auf Sie zu?

Goytom, ein Flüchtling aus Eritrea. Er sprach kein Wort Deutsch und kein Englisch. Er hatte einen kleinen Ordner mit den wichtigsten Begriffen seiner Muttersprache dabei, und der deutschen Übersetzung. Aber das war keine Fachsprache, schon gar nicht aus dem Lackier- und Karosseriebetrieb. Doch wir hatten großes Glück mit ihm, er hatte eine besondere Gabe: Er konnte Dinge unheimlich gut nur vom Zusehen umsetzen und abspeichern. Wir waren alle begeistert.

Nach Ende der zwei Wochen hätten Sie Goytom nur zum Mindestlohn weiter als Praktikanten beschäftigen können. Kam das für Sie nicht in Frage?

Das Problem war, dass es keinerlei Kommunikationsmöglichkeit gab und er sehr intensiv betreut werden musste. Während der gesamten zwei Wochen hatte er einen Meister neben sich, der effektiv nichts gearbeitet hat. Wenn Goytom dann noch den Mindestlohn bekäme, würde er mehr verdienen als jeder Auszubildende – und die können schon selbstständig arbeiten und zum Ertrag beitragen. Natürlich hätten wir ihm auch einen Besen in die Hand drücken können, doch das ist ja nicht Sinn und Zweck der Sache.Zwei Wochen lang dürfen Asylsuchende mit unsicherem Aufenthaltsstatus ein unentgeltliches Praktikum machen – dann schlägt der Mindestlohn zu. Für viele Unternehmen zu teuer, auch wenn sie gerne helfen würden. So war es auch bei der Lackiererei Schleich in Unterfranken. Jetzt freut sich Firmenchefin Daniela Schleich auf einen neuen Auszubildenden ab nächsten September. 

Hätten Sie ihn ohne Mindestlohn weiterbeschäftigt?

Auf jeden Fall. Wir hätten ihm ja auch etwas bezahlt, aber keine 8,50 pro Stunde. Denn es macht ja Sinn, die jungen Leute parallel zum Deutschlernen im Betrieb zu haben. Sie bekommen eine Vorstellung davon, welche Sprachkenntnisse im Alltag wichtig sind und bekommen praktische Erfahrung. Sonst kann es sein, dass sie ein Jahr lang komplett isoliert Deutsch lernen und ohne Praxisbezug eine Ausbildung anfangen. Dann merken sie und der Betrieb vielleicht, dass es gar nicht das Richtige für sie ist.

Wird das Problem von der Politik so erkannt?

Mein Eindruck ist, dass sie sich noch gar nicht wirklich damit beschäftigt. Wir hören immer nur, dass die Behörden daran arbeiten. Faktisch werden wir aber alleine gelassen.

Wie geht es mit Goytom weiter?  

Ab nächsten September würde er gerne eine Ausbildung bei uns als Lackierer anfangen. Das bieten wir ihm auch an – er war immer vorbildlich, egal, wer Überstunden gemacht hat, er ist immer genauso lange geblieben und als letzter vom Gelände gegangen. Allerdings muss sein Deutsch bis dahin sitzen. Seit Sommer ist er in einer Berufsschule im Nachbarort und belegt einen Intensiv-Deutschkurs.Zwei Wochen lang dürfen Asylsuchende mit unsicherem Aufenthaltsstatus ein unentgeltliches Praktikum machen – dann schlägt der Mindestlohn zu. Für viele Unternehmen zu teuer, auch wenn sie gerne helfen würden. So war es auch bei der Lackiererei Schleich in Unterfranken. Jetzt freut sich Firmenchefin Daniela Schleich auf einen neuen Auszubildenden ab nächsten September. 

Haben Sie noch Kontakt zu ihm?

Ja, ab und zu kommt er mit seinem Fahrrad vorbei (lacht). Mittlerweile kann er sich auch schon ein wenig unterhalten – darauf ist er natürlich stolz. Ein sehr netter, höflicher junger Mann.

Die Politik sieht die Chance junger Flüchtlinge vor allem darin, den Fachkräftemangel im Handwerk zu beheben. Sehen Sie das auch so?

Ich glaube schon, allerdings erst in sechs bis acht Jahren. Außer in Einzelfällen, wenn die jungen Leute bereits die Sprache beherrschen und aushelfen können. Aber auch dann kann man sie noch auf keine Fachschulung schicken, das ist zu speziell. In drei bis vier Jahren werde ich aber auf die Arbeitsämter zugehen und mich erkundigen. Ich denke, dann kann man auf sie zugreifen.

Warum ist die Caritas speziell auf Ihren Betrieb gekommen? 

Wir sind in der Region bekannt dafür, neue Dinge auszuprobieren, etwa bei der Azubisuche. Andere Werkstätten wurden auch gefragt, denen war aber die intensive Betreuung zu viel. Viele haben auch Angst vor den Reaktionen ihrer Kundschaft. Sie wollen sich in der Flüchtlingsfrage auf keine Seite schlagen – selbst wenn sie ihr gegenüber positiv eingestellt sind. Vor allem Unternehmen in ländlichen Gegenden tun sich da schwerer. Auch ich habe sehr unterschiedliche Reaktionen erhalten. Das ging bis zu dem Vorwurf, einem deutschen einen Praktikumsplatz wegzunehmen. Die Beschimpfungen waren teilweise erschreckend.

Was raten Sie Unternehmen, die mit Flüchtlingen in Kontakt treten wollen?

Ich würde eine Beschäftigung immer ausprobieren, zumindest für eine Woche. So können sich beide Seiten unverbindlich kennenlernen. Ich habe bisher nur gute Erfahrungen gemacht – allerdings hatte ich auch nur einen Flüchtling als Praktikanten, mit dem ich mich nicht richtig unterhalten konnte. Eine gewisse Vorsicht muss man den Unternehmen schon zugestehen. Doch wer es nicht versucht, kann es auch nicht dagegen sein.

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