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„Wir sind sehr nah an unseren Mitarbeitern dran“

Seit Anfang Juli ist Matthias Kieß Geschäftsführer beim Stuttgarter Software-Unternehmen AEB. Den Posten tauschte er mit dem langjährigen Geschäftsführer Jochen Günzel. Was es mit diesem internen Rotationssystem auf sich hat und was Fachkräfte für den IT-Spezialisten bedeuten, erklärt Kieß im Interview. 

Herr Kieß, Sie sind kürzlich in die Geschäftsführung von AEB gewechselt, nachdem Sie zuvor in der Geschäftsleitung tätig waren. Was hat es mit diesem internen Rotationssystem auf sich?

Das Rotationssystem wurde 2011 initiiert, als unser Firmengründer Peter Michael Belz aus der Geschäftsführung ausgetreten ist. Eine unserer wesentlichen Beobachtungen während der letzten Jahre war, dass wir Bewegung unter den Mitarbeitern brauchen, um Wachstum zu realisieren. Das funktioniert nur dann, wenn es auch für die Geschäftsführung gilt. Jochen Günzel hat als Software-Architekt angefangen und dafür eine große Leidenschaft, er wollte nicht nur „immer Verträge unterschreiben“. Nun hat der den „Hut“ des Geschäftsführers an mich weitergegeben.

Gibt es so einen Rotationswechsel auch für „normale“ Mitarbeiter?

Packstation: Die Software von AEB hilft auch beim Etikettieren.

Es ist uns sehr wichtig, dass Menschen auch andere Aufgaben annehmen können und im Laufe ihrer Zeit bei uns neue Fähigkeiten entwickeln. Wenn z.B. jemand ein paar Jahre in Kundenprojekten beschäftigt war und so viel vom Markt aufgesogen hat, dass er in der Produktentwicklung besser aufgehoben ist, ermöglichen wir, dass er dorthin wechseln kann. Das gilt quer durchs Unternehmen. Ich selbst habe als Programmierer angefangen und dann Projektleitungen übernommen. Wir beobachten unsere Mitarbeiter sehr genau und nehmen uns jährlich zwei bis drei Stunden für ein Personalgespräch. Wir sind sehr nah an ihnen dran, da wir nur kleine Teams von maximal zehn Leuten plus Teamleiter und keine weiteren Hierarchieebenen haben. Da werden Talente schnell erkannt, und oft sprechen sogar wir die Mitarbeiter auf Entwicklungsmöglichkeiten an.

Kommt man heutzutage ohne solche attraktiven Programme im stark umkämpften IKT-Markt überhaupt noch aus?

Im Raum Stuttgart sind wir natürlich ein kleines Unternehmen: Daimler Benz, Bosch und Porsche suchen ja auch alle IT-Spezialisten. Was die Gehälter angeht, können wir da nicht mithalten. Daher halten wir engen Kontakt zu Universitäten, um schon frühzeitig ins Gespräch zu kommen, und bieten Mitarbeitern viel Freiraum und Flexibilität, um Familie und Beruf zu vereinbaren.

Mit welchem Erfolg?

Tatsächlich haben wir eine sehr niedrige Fluktuation: Die Mitarbeiter, die zu uns kommen, bleiben in der Regel recht lange. Das liegt sicherlich daran, dass wir eine aktive Firmenkultur leben und eben diese Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Mitarbeiter, die von anderen Unternehmen kommen, sagen oft, dass sie bei uns viel mehr Themen und unterschiedliche Projekte angehen können. Sie machen im Prinzip ständig etwas anderes, und das macht die Arbeit sehr interessant. Wir haben sogar Mitarbeiter, die genau aus diesem Grund von großen Firmen zu uns zurückkommen.

Sie bieten Software für alle Prozesse entlang der Lieferkette, die auch die Zollprozesse in der Logistik integriert. Ohne solch eine Spezialisierung wäre es wahrscheinlich schwierig, in der Softwareentwicklung bestehen zu können, oder?

Klar, SAP ist ja auch deshalb so stark, weil sie ihre Kerngebiete wie beispielsweise Finanzen und Controlling so stark durchdrungen hat. SAP besetzt unsere Kernkompetenzen auch, aber häufig als Randthemen. Unsere beiden Systeme lassen sich aber auch gut kombinieren. Unser Vorteil ist auch, dass wir näher an den mittelständischen Betrieben dran sind und eher deren Sprache sprechen.

Ist Ihre Kundenstruktur grundsätzlich anders als die von SAP?

Da wir in unserer Nische preislich und von der Funktionsbreite her am oberen Rand sind, ist unsere Kundenstruktur vergleichbar mit der von SAP. Die meisten unserer Kunden nutzen ja auch ERP-Systeme von SAP. Viele unserer Mitbewerber bieten sehr spezialisierte Silo-Lösungen an, es fehlt dann eben an der Bandbreite, die wir darüber hinaus anbieten. So gesehen sind wir mit SAP vergleichbar, wobei man natürlich sehr vorsichtig sein muss, wenn sich ein Unternehmen mit 400 Mitarbeitern mit SAP vergleicht.

Welche Rolle spielt das Gehalt bei Ihrer Suche nach Fachkräften?

Nur bei wirklichen High Performern, die können unser Gehaltsgefüge schon mal sprengen. Ansonsten spielt das Gehalt bei unseren Bewerbern nicht die entscheidende Rolle. Sie nehmen sogar ein geringeres Gehalt in Kauf, eben wegen der Entwicklungs- und Arbeitsmöglichkeiten und des Arbeitsklimas. Gehaltsgerechtigkeit ist ein sehr wichtiges Thema für uns. Wir prüfen vier Mal im Jahr das Gehalt jedes einzelnen Mitarbeiters, basierend auf der persönlichen Entwicklung und dem Wirkungsradius. Ein Berufseinsteiger kann bei uns in den ersten Jahren schon mal zwei Gehaltserhöhungen pro Jahr bekommen.

Stellen Sie denn grundsätzlich höhere oder andere Anforderungen an eine IT-Fachkraft als Ihre Wettbewerber?

Die Leute müssen Neugier und Abstraktionsvermögen mitbringen. Die wenigsten Neueinstellungen bei uns sind Speditionskaufleute oder Exportverantwortliche, sondern Personen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Ich selbst bin Mathematiker, unser Marketingleiter ist etwa Historiker. Natürlich auch IT-Fachleute, aber eben nicht nur. Wichtig ist der Gesamteindruck davon, wie schnell ein Bewerber Sachverhalte und Informationen aufnehmen und adaptieren kann.

Ist es dann nicht schon wieder schwieriger, gute Leute zu finden? 

In gewisser Weise schon. Wir bieten hauptsächlich jungen Leuten eine Chance und legen Wert auf eine umfassende Grundausbildung, da wir nicht voraussetzen können, dass jemand in solchen Spezialgebieten wie Zoll oder Risk Management genau die Erfahrung mitbringt, die wir brauchen. Schwierig ist es eher, High Performer zu bekommen. Im Moment wachsen wir aber kontinuierlich um rund zehn Prozent, dieses Jahr haben wir bereits 40 neue Mitarbeiter eingestellt. Mittlerweile bekommen wir auch viele Initiativbewerbungen.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Zur Person

Matthias Kieß ist seit Juli Geschäftsführer des Software-Spezialisten AEB in Stuttgart. Der studierte Mathematiker ist seit 15 Jahren im Unternehmen, 2009 übernahm er die Verantwortung für alle AEB-Kundenlösungsteams in Deutschland. AEB beschäftigt knapp 400 Mitarbeiter. Mit ihrer Software unterstützt AEB alle logistischen Teilprozesse von Unternehmen. www.aeb.de

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