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Wie komme ich unter den Schutzschirm?

Bereits in der Vergangenheit gab es Unsicherheit bezüglich Inhalt und Voraussetzungen der Sanierungsbescheinigung für das Schutzschirmverfahren. Mit Veröffentlichung des IDW S 9 sind einige der kontrovers diskutierten Fragestellungen konkretisiert worden. Ob das Schutzschirmverfahren aber die beste Lösung ist, kommt auf die konkrete Unternehmenssituation an.

270b der Insolvenzordnung (InsO) regelt die Voraussetzungen für die Vorbereitung einer Sanierung im sogenannten „Schutzschirmverfahren“. Es ist am 1. März 2012 im Rahmen des „Gesetz(es) zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“, kurz ESUG, in Kraft getreten. Der Antragsteller hat eine Sanierungsbescheinigung vorzulegen, aus der hervorgeht, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt, jedoch keine Zahlungsunfähigkeit. Außerdem darf die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos sein.

Hintergrund: § 270b

Mit Einführung des ESUG ist die Möglichkeit der Verwaltung der Insolvenzmasse durch den Schuldner im Rahmen der Eigenverwaltung konkretisiert worden (§ 270 ff. InsO). Eine besondere Form der Eigenverwaltung ist das Schutzschirmverfahren. In Abgrenzung zu einem vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren nach § 270a InsO können in einem Schutzschirmverfahren auch Masseverbindlichkeiten durch den Schuldner begründet werden. In Vorbereitung auf die Sanierung kann dem Schuldner eine maximal dreimonatige Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans eingeräumt werden, falls folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

a) Insolvenzantragstellung durch den Schuldner

b) Vorliegen lediglich einer drohenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (keine Zahlungsunfähigkeit) und

c) Aussicht, dass die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.

Die unter b) und c) genannten Voraussetzungen sind dem Gericht durch eine Sanierungsbescheinigung darzulegen, ausgestellt von einem in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation, also einen Gutachter.Bereits in der Vergangenheit gab es Unsicherheit bezüglich Inhalt und Voraussetzungen der Sanierungsbescheinigung für das Schutzschirmverfahren. Mit Veröffentlichung des IDW S 9 sind einige der kontrovers diskutierten Fragestellungen konkretisiert worden. Ob das Schutzschirmverfahren aber die beste Lösung ist, kommt auf die konkrete Unternehmenssituation an.

Anforderungen an den Gutachter

Die Anforderungen an einen Gutachter nach der Berufsauffassung des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) wurden durch die Veröffentlichung des IDW S 9 konkretisiert. Wichtig erscheint, dass der unabhängige Gutachter über mehrjährige Insolvenzerfahrung verfügen muss und diese etwa durch die Tätigkeit als Insolvenzverwalter oder als Sanierungsberater gesammelt hat.

Um jeglicher Ungewissheit bezüglich der Eignung und Unabhängigkeit des Gutachters und eventuell damit verbundenen Zusatzkosten vorzubeugen, empfiehlt es sich, beide genannten Anforderungen im Vorfeld mit dem zuständigen Gericht abzustimmen.

Einschätzung der Insolvenzreife

Eine Sanierungsbescheinigung muss eine Einschätzung der Insolvenzreife des Unternehmens enthalten. Sie muss zeigen, dass entweder eine drohende Zahlungsunfähigkeit oder eine Überschuldung vorliegt. Die tatsächliche Zahlungsunfähigkeit darf jedoch noch nicht eingetreten sein.

Der Gutachter hat zunächst die Zahlungsunfähigkeit auszuschließen, gegebenenfalls durch eine detaillierte Abgrenzung zur Zahlungsstockung. Durch die Erstellung einer Fortbestehensprognose hat der Gutachter die drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung festzustellen. Fällt diese Prognose negativ aus, liegt in jedem Fall drohende Zahlungsunfähigkeit vor. Wird durch die Erstellung eines Überschuldungsstatus festgestellt, dass ein negatives Reinvermögen vorliegt, ist der Tatbestand der Überschuldung nachgewiesen. Letzterer begründet darüber hinaus nach § 19 Abs. 2 InsO eine Insolvenzantragspflicht.

Insgesamt hat der Gesetzgeber die Einschätzung bezüglich der Insolvenzreife in einer Bescheinigung nach § 270b InsO mit hohen fachlichen und inhaltlichen Anforderungen versehen.Bereits in der Vergangenheit gab es Unsicherheit bezüglich Inhalt und Voraussetzungen der Sanierungsbescheinigung für das Schutzschirmverfahren. Mit Veröffentlichung des IDW S 9 sind einige der kontrovers diskutierten Fragestellungen konkretisiert worden. Ob das Schutzschirmverfahren aber die beste Lösung ist, kommt auf die konkrete Unternehmenssituation an.

Einschätzung der Sanierungsfähigkeit

Teil der Sanierungsbescheinigung ist auch eine Einschätzung der Sanierungsfähigkeit. Aus ihr muss hervorgehen, dass „… die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist“. Eine konkrete Definition, wann eine Sanierung offensichtlich aussichtslos ist, liefert der Gesetzestext nicht. Der verwendete Begriff „offensichtlich“ deutet darauf hin, dass der Gutachter keine umfassende Beurteilung zu diesem Punkt vornehmen muss. Dadurch liegen die Anforderungen an eine solche Aussage deutlich niedriger als die im IDW S 6 niedergelegten Anforderungen zur Sanierungsfähigkeit einer Unternehmung. Inhaltlich muss die Aussage durch ein Grobkonzept belegt sein. Dieses soll unter anderem eine Analyse der Krisenursachen, eine Beschreibung des Zukunftsbildes der Unternehmung sowie eine Aufzählung der angestrebten Maßnahmen, inklusive Eintrittswahrscheinlichkeit und finanzielle Wirkung, enthalten.

Kritische Würdigung

Unternehmensvertreter, deren Unternehmen von drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung betroffen sind, erachten ein Schutzschirmverfahren häufig als optimalen Ausweg aus der Krise. Denn dieses scheint erhöhte Freiheitsgrade für die handelnden Akteure und eine erhöhte Akzeptanz durch die Stakeholder zu versprechen.

Die Voraussetzungen zur Beantragung eines Schutzschirmverfahrens sind jedoch hoch. Vor allem die Aussage zur Insolvenzreife setzt eine intensive Auseinandersetzung mit dem Zahlenwerk der Unternehmung voraus. Darüber hinaus kann der Weg in ein Schutzschirmverfahren zeitaufwendig sein, falls etwa der Gutachter zunächst mit dem Insolvenzgericht abgestimmt werden muss. Auch ist die Erstellung der geforderten Bescheinigung für Gutachter mit nicht zu vernachlässigenden Haftungsrisiken verbunden, die bei der Erstellung unter Zeitdruck entsprechend finanziell zu kompensieren sind. Auch der Vorteil des Schutzschirmverfahrens, das der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründen kann, kommt gegebenenfalls nicht zum Tragen, falls Lieferanten aus Risikoaversion auf die Abrechnung per Vorkasse bestehen.

Fazit

Aus diesen Gründen ist auch weiterhin damit zu rechnen, dass das Schutzschirmverfahren den deutlich geringeren Anteil an den Eigenverwaltungsverfahren ausmachen wird. Ein überwiegender Anteil der Unternehmensvertreter wird sich wohl für das zeitschonendere, unkompliziertere und mit weniger Rechtsunsicherheiten behaftete vorläufige Eigenverwaltungsverfahren nach § 270a InsO entscheiden.


Zu den Personen

© WTS Consulting GmbH

Dr. Rainer Doll (rainer.doll@wts.de) ist Partner, Christoph Kretschmar (christoph.kretschmar@wts.de) ist Manager bei der WTS Consulting GmbH. WTS berät als multidisziplinär aufgestelltes Beratungsunternehmen Konzerne, mittelständische Unternehmen und Investoren im Rahmen von Restrukturierungs- und Transaktionsprojekten auf nationaler und internationaler Ebene. www.wts.de

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