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Wie finanziert sich der Mittelstand?

Experten sind sich einig: Auch weiterhin sind die Banken als Kreditgeber ein wichtiger Partner für die Unternehmen. Doch spielen künftig auch andere Finanzierungsmethoden eine Rolle.

Welche Finanzierungstrends sehen Sie zurzeit?


Carl-Jan. v. der Goltz, Geschäftsführer, Maturus Finance Gmb

Diese Frage lässt sich nur in Abhängigkeit der Größe und der Bonität der Unternehmen beantworten. Trotz Rückschlägen liegen Mittelstandsanleihen im Trend. Für gut aufgestellte Unternehmen ist die Bank sicherlich nicht ein trendiger, aber sehr verlässlicher Partner, der die Versorgung seiner Kunden mit jedweden Instrumenten im Bereich Debt oder Equity sicherstellen kann. Neben den sich bewährenden alternativen Finanzierungslösungen wie Factoring, Asset Based Lending und Sale & Lease Back gibt es aktuell den ein oder anderen Debt Fonds, der versucht, die fehlende Bankfinanzierung zu ersetzen.


Ingo Jacoby, Geschäftsführer, Bayern LB Capital Partner

Im Allgemeinen ist die Ertragskraft der mittelständischen Unternehmen in Deutschland derzeit gut, und auf absehbare Zeit wird dies voraussichtlich auch so bleiben. Auf dieser Grundlage finanzieren die Banken im mittelständischen Segment wieder verstärkt, so dass wir als Trend höhere Fremdfinanzierungsquoten sehen. Darüber hinaus haben sich die Finanzierungskosten aufgrund der erhöhten Wettbewerbsintensität der Banken (leicht) reduziert.


Dr. Armin Schuler, Sprecher der Geschäftsführung, BWK GmbH

Ich sehe derzeit in der Mittelstandsfinanzierung eine große Finanzierungsbereitschaft der Banken bei guten und akzeptablen Bonitäten, so dass für Unternehmer im aktuellen Zinsumfeld gute Finanzierungsbedingungen bestehen. Die Vorbehalte gegenüber institutionellen Eigen- und Mezzaninefinanziers sind zwar gesunken, doch ist der Dealflow im Bereich der Wachstumsfinanzierung aufgrund des verfügbaren Fremdkapitals verhalten. Auch bei Unternehmensverkäufen ist eine gewisse Zurückhaltung zu registrieren, da aus Verkäufersicht attraktive Alternativanlagen angesichts der unsicheren Kapitalmärkte dünn gesät sind.


Oliver Rogge, Geschäftsführer, VR Corporate Finance

Durch seine positive Ertragslage, die anhaltende Professionalisierung und Internationalisierung ist der deutsche Mittelstand für Banken wie für Investoren eine hochinteressante Zielgruppe. Damit haben Unternehmer Zugriff auf ein viel breiteres Spektrum von Finanzierungsinstrumenten. Dazu gehören neben Anleihen beispielsweise auch neuere Instrumente wie Unitranche-Finanzierungen. Eigenkapitalseitig treten vermehrt internationale Finanz- und strategische Investoren auf den Plan.

Gibt es eine Renaissance des Bankkredits?


Carl-Jan v. der Goltz

Nein, die gibt es nicht und wird es nicht geben. Wenn man von einer Renaissance spricht, müsste der Bankkredit im alten Sinne wiederkehren, der im Wesentlichen von einer gewachsenen Beziehung zwischen Bank und Unternehmen getragen wurde. Dies ist schon durch das Regelwerk zu Basel II weitestgehend ausgeschlossen worden, und der Ermessensspielraum wird durch Basel III noch mehr eingeschränkt. Das heißt, die Banken müssen sich heute und zukünftig genau aussuchen, wo sie sich engagieren und wo nicht. Trotzdem wird der Bankkredit auch künftig eine wichtige Rolle spielen.


Ingo Jacoby

Der normale Bankkredit ist und war immer eine tragende Säule der Finanzierung. Somit würde ich hier nicht von einer „Renaissance“ sprechen. Der Bankkredit hat z.B. durch die breiten Möglichkeiten der Anleihefinanzierung, Mezzaninefonds und Unitranche-Anbieter weiteren Wettbewerb bekommen und so gerade im aus Sicht des Seniors etwas risikoreicheren Segment Marktanteile abgegeben. Die Banken holen sich zurzeit aber durch höhere Verschuldungsgrade im Senior-Bereich einen Teil dieses Segments wieder zurück.


Dr. Armin Schuler

Der Bankkredit spielt in der deutschen Unternehmensfinanzierung unverändert die wesentliche Rolle, daher ist der Begriff Renaissance nicht ganz zutreffend. Fakt ist aber, dass sich das Wettbewerbsumfeld in der Mittelstandsfinanzierung unter den Banken verschärft hat. Insbesondere regionale Institute wie Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben ihre Präsenz noch stärker ausgebaut und legen steigende Volumina heraus.


Oliver Rogge

Viele nationale und zunehmend auch internationale Banken sehen sich als Mittelstandsbanken und sind bei dieser Zielgruppe sehr aktiv. Auch wenn mittlerweile viele Unternehmen Investitionen aus dem eigenen Cashflow finanzieren, bleibt der Kredit – auch aufgrund der attraktiven Kosten für Unternehmen mit guter Bonität – eines der Hauptinstrumente innerhalb der Finanzierungsstruktur mittelständischer Unternehmen.

Warum scheint ein Börsengang für den deutschen Mittelstand derzeit nicht attraktiv zu sein?


Carl-Jan v. der Goltz

Dies steht u.a. im Zusammenhang mit den historisch immer noch niedrigen Zinsen. Für Unternehmen ist es derzeit attraktiv, sich über Bankkredite bzw. Anleihen das notwendige Kapital zu verschaffen. Dazu kommt, dass viele mittelständische Unternehmertypen ihre Unabhängigkeit lieben, alles andere als gerne im Rampenlicht stehen und den Gang in die Öffentlichkeit, der zwangsweise mit einem Börsengang verbunden ist, eher scheuen als suchen. Schließlich ist die Zurückhaltung bei der Entscheidung für einen Gang an die Börse auch in dem immer noch nicht endgültig gefestigten Vertrauen in die Finanzmärkte zu sehen.


Ingo Jacoby

Im „Großen“ Mittelstand kann ein Börsengang nach wie vor als Ausstiegsvariante für den Private-Equity-Markt interessant sein. Dies sind aber Unternehmen, die einen Eigenkapitalwert von mindestens 150 bis 200 Mio. EUR haben und von der Anzahl sehr begrenzt sind. Die meisten Firmen im Mittelstand sind deutlich kleiner. Die Komplexität und Kosten eines Börsengangs sowie die laufenden Kosten eines Listings stehen für kleinere Unternehmen mit z.B. 30 bis 100 Mio. EUR Umsatz und einem Eigenkapitalwert von z.B. 10 bis 50 Mio. EUR in keinem Verhältnis.


Dr. Armin Schuler

Wir sehen aktuell eine Welle an Börsengängen in den USA, die sich sukzessive nach Großbritannien ausweitet. Falls nichts Unerwartetes – das größere Auswirkungen auf die konjunkturelle Entwicklung hat – geschieht, wird dies mittelfristig dazu führen, dass sich auch das Umfeld für Börsengänge in Deutschland verbessert. Die Bewertung börsennotierter Unternehmen hat in den letzten Jahren deutlich angezogen, so dass diese Finanzierungsalternative zunehmend an Attraktivität gewinnt.


Oliver Rogge

Vor dem Hintergrund des günstigen Finanzierungsumfelds ist derzeit ein Börsengang für den Großteil der Unternehmen keine Option. Es gibt keinen Finanzierungsengpass und zur Stärkung der Eigenkapitalseite gibt es gute Alternativen: National wie international steht eine Vielzahl an Kapitalgebern mit teils attraktiven Finanzierungskosten und flexiblen Strukturen zur Verfügung. So sind neben strategischen Marktteilnehmern Private-Equity-Investoren und Family Offices auch an langfristigen Investitionsmöglichkeiten interessiert.

 

 

 

 

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