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Chance USA

Die am 14. Juni 2013 aufgenommenen Verhandlungen der Europäischen Union mit den USA gingen Anfang Februar 2015 in Brüssel in die mittlerweile achte Verhandlungsrunde. Im Fokus standen diesmal insbesondere die Themen Regulierung und Standards.

Vereinfachter Marktzugang und Kostensenkung für deutsche Unternehmen – doch die Kritik an der transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership, kurz TTIP), reißt nicht ab. Die sehr kontrovers geführten Verhandlungen über eine der beiden weltweit größten Wirtschafts- und Handelsräume, in denen zusammen knapp die Hälfte der Weltwirtschaftsleistung entsteht, könnten in das größte derartige Abkommen der Geschichte münden. Betroffen wären insgesamt über 800 Millionen Menschen.

Die USA als Partner der deutschen Industrie

Laut einem Positionspapier der Europäischen Kommission zu TTIP ist Deutschland innerhalb der EU der mit Abstand wichtigste Handelspartner der Vereinigten Staaten. Rund 30 Prozent aller Exporte der EU stammen aus Deutschland. Die USA sind nach Frankreich die weltweit bedeutendste Exportdestination der deutschen Wirtschaft. Für die bayerischen Exportunternehmen sind die USA sogar das wichtigste Exportziel. Dies betrifft entgegen der Meinung der TTIP-Kritiker nicht nur die deutschen Konzerne, sondern auch und vor allem die mittelständische Exportwirtschaft. Rund 75 Prozent der deutschen Exporte in die USA sowie 55 Prozent der amerikanischen Importe nach Deutschland betreffen die Branchen Automobilindustrie, chemische und pharmazeutische Industrie, Maschinenbau sowie die Elektronikindustrie.

TTIP als Motor für Wirtschaftswachstum

Das geplante Freihandelsabkommen zielt in erster Linie darauf ab, bestehende Handelshemmnisse abzubauen, um den Austausch von Waren und Dienstleistungen zu fördern. Es sollen neue Impulse für die Konjunktur gesetzt werden, mit dem Ziel das Wirtschaftswachstum anzuregen und Wohlstand zu schaffen. Konkret bedeutet dies den simultanen Abbau von tarifären (Zölle) und nicht-tarifären Handelsbarrieren (Zugangsbeschränkungen unter anderem bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sowie technische Regulierungen und andere Vorschriften).  Die am 14. Juni 2013 aufgenommenen Verhandlungen der Europäischen Union mit den USA gingen Anfang Februar 2015 in Brüssel in die mittlerweile achte Verhandlungsrunde. Im Fokus standen diesmal insbesondere die Themen Regulierung und Standards.

Die aktuelle Verhandlungsrunde

Auf der Tagesordnung der Verhandlungen vom Februar standen vor allem die Gebiete Marktzugang, regulatorische Kooperation und globale (Handels-)Regeln. Nicht verhandelt wurde indessen der Investorenschutz. Uneinigkeit herrscht teilweise noch im Bereich Marktzugang. Im Verhandlungsfeld  regulatorische Kooperation wurden die umfassenden Gespräche in den meisten Punkten weiter fortgeführt. Bei den Handelsregeln versuchten die Unterhändler sich in intensiven Diskussionen über ein separates Kapitel zum Thema Nachhaltigkeit zu einigen. Im Kapitel für kleine und mittlere Unternehmen konnte Einigkeit erzielt werden.

Die Hauptkritikpunkte

Die Argumente gegen TTIP lassen sich im Wesentlichen in fünf Punkten zusammenfassen. Die Gegner teilen die Auffassung, dass TTIP nicht zu einem Wirtschaftswachstum führen würde, sondern dass infolge eines erhöhten Wettbewerbsdrucks und einer verringerten Konkurrenzfähigkeit die Konjunktur sogar abgeschwächt und Arbeitsplätze vernichtet würden. Weitere Kritikpunkte sind die angebliche Intransparenz der Verhandlungen, das Entstehen einer „Paralleljustiz“ im Rahmen der geplanten Investitionsschutzabkommen und die Herabsetzung deutscher Standards vor allem bei Lebensmitteln. Stichpunkte sind hier Gentechnik, Kennzeichnungspflichten und regionale Spezialitäten. Zudem befürchten viele Kritiker, dass ausschließlich große Konzerne von TTIP profitieren würden. Kleine und mittlere Unternehmen wären die Leidtragenden.

Seit nunmehr vier Jahren besteht ein Freihandelsabkommen der EU mit Südkorea. Hieraus resultierte ein Exportanstieg vonseiten der EU um 35 Prozent. Hinzu kommt: Ein Großteil der Verhandlungsunterlagen zu TTIP (Ziele, Positionspapiere etc.) sind öffentlich einsehbar. Auch das geplante europäisch-kanadische Freihandelsabkommen  CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) ist im Internet zugänglich. Es gilt hier zu beachten, dass zur Disposition stehende Punkte vor vorzeitigen Angriffen durch Partikularinteressen geschützt werden sollen. Denn schließlich ist die EU-Kommission im  Auftrag aller 28 EU-Mitgliedsstaaten – gebunden an ein einstimmig erteiltes Mandat – in die Verhandlungen mit den USA getreten.

Die am 14. Juni 2013 aufgenommenen Verhandlungen der Europäischen Union mit den USA gingen Anfang Februar 2015 in Brüssel in die mittlerweile achte Verhandlungsrunde. Im Fokus standen diesmal insbesondere die Themen Regulierung und Standards.

Thema Investitionsschutz: Moderne Versionen von Investitionsschutzabkommen beinhalten in der Regel gewisse Restriktionen zum Schutz der einzelstaatlichen Souveränität. Die EU-Kommission versichert zudem, dass sie die hohen europäischen Standards auf keinen Fall absenken wird. Bei den vielfach zitierten „Chlorhähnchen“ zeichnet sich ebenfalls ein Kompromissvorschlag ab: nämlich die Behandlung mit Milchsäure anstelle von Chlor.

Mittelständler sehen großes Potential

Ein Großteil der mittelständischen Betriebe in Deutschland sieht – im Gegensatz zu der von den Kritikern verbreiteten Meinung – deutlich mehr Chancen als Risiken durch TTIP. Besonders positiv wird die Angleichung bestimmter Standards gesehen. Hieraus werden sich wohl große Vorteile ergeben. Durch ein sinnvolles Angleichen der Standards könnten Zulassungs- und Zertifizierungsverfahren vereinfacht und Hemmnisse im Bereich der regulatorischen und administrativen Anforderungen insgesamt abgebaut werden. Viele mittelständische Betriebe erkennen für ihr Unternehmen einen vereinfachten Marktzugang sowie Bürokratieabbau und, in Verbindung mit den geplanten Vereinfachungen bei der Zollabwicklung (Absenken der Zollbarrieren), deutliche Kosteneinsparungen in Höhe von rund fünf bis 15 Prozent. Verbesserungen im Bereich der Einfuhrkontrollen und der Zölle könnten zudem deutsche Mittelständler in eine relativ günstigere Wettbewerbssituation speziell gegenüber asiatischen Anbietern bringen.

Zu den Hauptprofiteuren zählen zahlreichen Untersuchungen zufolge, wie beispielsweise eine vom ifo Institut für die Bertelsmann Stiftung herausgegebene Studie, besonders die Branchen industrieller Maschinen- und Anlagenbau, die Automobilindustrie, die chemische und pharmazeutische Industrie sowie die Elektronikindustrie. Vor allem den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg und NRW wird ein bedeutendes Wirtschaftswachstum als Folge von TTIP vorausgesagt. Eine Studie des Deutschen Konsumentenbundes geht außerdem davon aus, dass die Konsumenten wegen erhöhtem Wettbewerbsdruck und somit sinkender Preise sowie einem gesteigerten Anreiz, qualitativ hochwertigere Produkte anzubieten, am stärksten von TTIP profitieren würden.

Fazit

In Europa gibt es eine lautstarke Minderheit von TTIP-Gegnern, die ihre Hauptkritikpunkte zum Teil deutlich schlimmer darstellen, als es der Realität entspricht. Es zeigt sich vielmehr, dass in Deutschland zahlreiche mittelständische Unternehmen angesichts der enormen Bedeutung der Handelsbeziehungen mit den USA dem geplanten Freihandelsabkommen positiv gegenüberstehen. Dabei erwarten vor allem Firmen des industriellen Maschinen- und Anlagenbaus deutliche Umsatzsteigerungen und Kostensenkungspotentiale. Insgesamt kann man davon ausgehen, dass TTIP, sofern es zustande kommt, die angestrebten Ziele zumindest teilweise erreichen wird.


Zu den Personen

© WTS Group AG

Hans-Georg Weber ist Partner, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei der WTS im Geschäftsbereich Financial Advisory mit Sitz in München. Er berät vorwiegend mittelständische Unternehmen in allen Facetten des Finanzbereichs. Die WTS ist eine international tätige Beratungsgruppe mit einem umfassenden Dienstleistungsportfolio in den Geschäftsbereichen Tax, Legal und Consulting. Matthias Neukäufer ist Professional bei der WTS im Geschäftsbereich Financial Advisory, München. www.wts.de

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