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Von Hause aus Bio

Das Familienunternehmen Voelkel aus dem Wendland ist Qualitätsführer bei Bio-Säften. Die Nachfolge haben der Vater und seine vier Söhne vorausschauend geklärt. Dadurch kann sich die Familie dem widmen, was ihr Spaß macht: andauernd neue Kreationen entwickeln.

Smoothies haben die Familie Voelkel in ein moralisches Dilemma gebracht. Die Kunden erkannten die pürierten Obst-Gemüse-Drinks in der etwas biederen Mehrwegflasche einfach nicht als Smoothie. Sie waren vielmehr Flaschen gewohnt, die man nach lässiger To-Go-Mentalität schnell loswird, statt sie zurück ins Geschäft zu bringen. Der Voelkel-Smoothie fristete die erste Zeit ein Dasein als Ladenhüter. Die Voelkels sahen sich gezwungen, entgegen ihrer ökologischen Überzeugungen zur Einweg-Glasflasche zu wechseln. „Auf einmal wurde uns der Smoothie aus den Händen gerissen“, sagt Einkaufsleiter Boris Voelkel. Und doch bleibt ein Gefühl der Niederlage: „Aber weh tut mir die Entscheidung bis heute.“

Mobile Saftpresse als Startschuss

Es passiert eben auch bei Voelkel mal, dass die Zahlen über das ökologische Gewissen siegen. Grundsätzlich jedoch arbeite man bei dem Familienunternehmen „privatwirtschaftlich, aber nicht gewinnmaximiert“ – so hat es Boris’ Vater Stefan Voelkel einmal zusammengefasst. Margret und Karl Voelkel, die Großeltern von Stefan, waren in den 1920er-Jahren ins Wendland im östlichen Niedersachsen gezogen. Hinter ihnen lag der Schrecken des Ersten Weltkriegs. Vor ihnen, so hofften sie, ein Leben im Einklang mit der Natur. Ihnen kam die Idee, mit einer mobilen Saftpresse, dem Mostmax, von Hof zu Hof zu ziehen, um das Fallobst der Bauern zu Saft zu verarbeiten. Aus dem Nebenerwerb entwickelte sich nach und nach ein tragfähiges Geschäftsmodell.

Heute ist Voelkel in Deutschland Qualitätsführer bei Naturkostsäften und in 19 von 20 Biomärkten hierzulande vertreten. Das Unternehmen produziert ausschließlich in Bio- und, so weit wie möglich, in Demeter-Qualität. Demeter ist die High-End-Version von Bio, der Produktstandard basiert auf den Ideen von Rudolf Steiner. Nach den Grundsätzen der biodynamischen Landwirtschaft werden die Felder nicht gespritzt und zudem mit Präparaten aus Kräutern und Mineralien gedüngt.

Vier Brüder, vier Himmelsrichtungen

Gemeinsam mit ihrem Vater kümmern sich vier Brüder darum, dass der Saftladen auch heute den Ansprüchen einer modernen Unternehmensführung genügt. Da ist Boris, mit 32 Jahren der Älteste, der als Einkaufsleiter im Wendland und in aller Welt Obst und Gemüse beschafft. Und der auch gerne mal nach Brasilien fliegt, um sich mit den Lieferanten dort auszutauschen – auch wenn das den ökologischen Fußabdruck wachsen lässt. Jacob, 31, bleibt hingegen am liebsten im heimischen Wendland und stellt als Leiter der Technik sicher, dass die Maschinen störungsfrei laufen. Auch David, 28, arbeitet in der Technik des Unternehmens, als Industriemechaniker. Er strebe am wenigsten nach einer leitenden Position, sagt Boris. David vermittle zwischen den Fronten, wenn es sein muss: „Er ist bei unseren Diskussionen der Weise.“ Jurek, mit 26 Jahren der Jüngste, ist Marketing- und Vertriebsleiter und redet, passend dazu, „auch wirklich gern“, attestiert Bruder Boris und lacht.

Das Familienunternehmen Voelkel aus dem Wendland ist Qualitätsführer bei Bio-Säften. Die Nachfolge haben der Vater und seine vier Söhne vorausschauend geklärt. Dadurch kann sich die Familie dem widmen, was ihr Spaß macht: andauernd neue Kreationen entwickeln.

Geredet und diskutiert wird in Pevestorf anscheinend viel. Wenn vier Brüder, die Boris Voelkel zufolge „unterschiedlich wie vier Himmelsrichtungen“ sind, zusammen arbeiten, dann werde es auch mal laut. Doch meist schaffe man es, „effizient miteinander zu kommunizieren“ und auf konstruktive Weise zu gemeinsamen Entscheidungen zu kommen, sagt Boris Voelkel. „Ich bewundere uns fast ein bisschen dafür, wie gut wir das hinkriegen“, fügt er hinzu und schmunzelt dabei. .

Bio-Hype ruft Konzerne auf den Plan

Voelkel hat in den vergangenen Jahren davon profitiert, dass Bio-Produkte in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Das Unternehmen steigerte seinen Umsatz zuletzt immer wieder. 2015 waren es gut 50 Mio., ein Jahr später mehr als 60 Mio. Euro. Das weckt Begehrlichkeiten bei den Großen der Branche. „Die Möglichkeit, von einem großen Konzern übernommen zu werden, stand immer mal wieder lockend im Raum“, erzählt Boris Voelkel. Andere Bio-Hersteller konnten dem Geld nicht widerstehen. Die Bio-Molkerei Söbbeke gehört seit vier Jahren mehrheitlich zum französischen Käse-Konzern Bongrain. Die Gründerfamilie der einst gehypten Bionade verkaufte 2012 ihre letzten Anteile an die Radeberger-Gruppe.

Stiftung legt klare Regeln fest

Bei Voelkel ist dagegen klar: Das Unternehmen wird eigenständig bleiben, und es wird weiterhin nach den Prinzipien der biodynamischen Landwirtschaft produzieren. Festgeschrieben ist das in der Stiftung, in die vor sechs Jahren 90 Prozent der Unternehmensanteile eingingen. Die Gewinne der Voelkel GmbH fließen in die Stiftung, die sie wiederum ins Unternehmen reinvestiert. Von den restlichen zehn Prozent der Anteile hat das Unternehmen eine zweite, gemeinnützige Stiftung gegründet, die ökologische und soziale Initiativen unterstützt.

Die Frage, wem das Familienunternehmen einmal gehören wird, ist damit vom Tisch. Die Anteile gehören der Stiftung, die vier Voelkel-Söhne sind dort angestellt. Die Grundsatzentscheidung „ist entlastend“, sagt Boris. Die Familie und ihre Mitarbeiter können sich auf das Kerngeschäft konzentrieren: ihre Innovationswut. Rund 200 verschiedene Frucht- und Gemüsesäfte, Limonaden, Smoothies und Sirupe hat Voelkel derzeit im Sortiment. Ungefähr 20 neue Produkte bringt das Unternehmen Jahr für Jahr auf den Markt. Gerade arbeiten sie im Wendland an drei neuen Energydrinks, die mit Guarana, Macha und entkoffeiniertem Kaffee fit halten sollen.

Das Familienunternehmen Voelkel aus dem Wendland ist Qualitätsführer bei Bio-Säften. Die Nachfolge haben der Vater und seine vier Söhne vorausschauend geklärt. Dadurch kann sich die Familie dem widmen, was ihr Spaß macht: andauernd neue Kreationen entwickeln.

Das alles passiert am Produktionsstandort in Pevestorf, einem Ortsteil der Gemeinde Höhbeck im strukturschwachen Landkreis Lüchow-Danneberg, wo Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern nah, die nächste Großstadt und die Autobahn aber weit entfernt liegen. Doch bei aller Provinzialität fühlt sich das Unternehmen hier fest verwurzelt: „Es würde nicht zu unserer Philosophie passen, wenn der Standort gefährdet wäre und die Mitarbeiter hier womöglich ihre Stelle verlieren würden“, sagt Boris Voelkel.

Flops sind einkalkuliert

In der Produktentwicklung verarbeiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon mal 20 Kilogramm Schwarzmöhre. Sie dürfen mischen und panschen, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden sind. Diese Experimentierfreude, die man gerne Start-ups zuschreibt, die Bereitschaft, beim Ausprobieren auch mal danebenzugreifen, wollen die Voelkels fördern. Sie kalkulieren ein, dass nicht jede neue Kreation gut bei den Kunden ankommt. Der Johannisbeersaft aus der Reihe Margret und Karl, die eine Hommage an die Firmengründer war, schmeckte der breiten Masse zu sauer. Einen Coup landete Voelkel hingegen mit den Biozisch-Limonaden, die den Trend zu fairen, nicht allzu süßen Limos aufgriffen. „Gerade Rhabarber ging schnell ab wie Schmidts Katze“, sagt Boris Voelkel flapsig.

Bio-Tomatensaft vom Fließband: Voelkel profitiert vom Hype der vergangenen Jahre.

Den Spagat zwischen kommerziell erfolgreichen Produkten und dem Bekenntnis zur Natur scheint Volkel gerne zu machen. Dem Safthersteller gelinge es, durch Kreationen wie Biozisch mit dem Zeitgeist zu gehen und sich trotzdem auf die ureigenen Stärken zu besinnen, findet Andreas Pogoda, Gesellschafter der Brandmeyer Markenberatung aus Hamburg. „Voelkel verhält sich selbstähnlich“, sagt Pogoda – und meint damit: Das Unternehmen gibt nicht vor zu sein, was es nicht ist. Coolere Flaschen mit lustigeren Sprüchen und ausgefalleneren Designs findet man bei den Wettbewerbern. Deshalb überzeuge Voelkel vor allem durch eins: seine „überlegene Produktqualität“, sagt Markenexperte Pogoda.

 

Voelkel ist Teil der Bio-Szene

Voelkel war schon da, bevor die Hipstercafés von Berlin bis München bunte Bio-Brausen ausschenkten. „Wir können unseren Urgroßeltern für ihren guten Riecher danken“, sagt der älteste der vier Brüder. Er sei froh darüber, dass Bio im Alltag vieler Menschen angekommen und aus der Nische verschwunden ist. „Am liebsten wäre uns, alles wäre bio“, sagt Boris Voelkel.

Damit die Maschinen in Pevestorf ausgelastet sind, füllt Voelkel vier von zehn Säften für Handelsmarken von Bio-Fachmärkten ab. Den Rest verkauft das Unternehmen unter der eigenen Marke. Mehr als 30.000 Tonnen an Rohwaren ordert der Safthersteller jedes Jahr bei seinen Lieferanten. Viele der heimischen Früchte stammen aus Niedersachsen, die Mangos, Maracujas oder Açai-Früchte von Bio- oder Demeterbauern aus aller Welt. 98 Prozent seiner Partner kennt Voelkel seit vielen Jahren, man pflege ein enges Verhältnis, betont Boris Voelkel. Er puhlt schon mal gemeinsam mit den Landwirten Schafgarbenblüten und vergräbt die biodynamischen Präparate mit ihnen im Boden.

Das Familienunternehmen Voelkel aus dem Wendland ist Qualitätsführer bei Bio-Säften. Die Nachfolge haben der Vater und seine vier Söhne vorausschauend geklärt. Dadurch kann sich die Familie dem widmen, was ihr Spaß macht: andauernd neue Kreationen entwickeln.

Nicht immer rational

Gerade in turbulenten Zeiten zahlt sich das aus: Weil der Winter in Deutschland zu Ostern noch einmal zurückkehrte, steht es in diesem Jahr nicht gut um die Apfelernte. In Italien wiederum macht die Trockenheit den Trauben zu schaffen. Trotzdem kann sich Boris Voelkel darauf verlassen, dass die Landwirte ihre Preise nur moderat erhöhen werden – „weil sie wissen, dass wir ihnen umgekehrt auch in einem Jahr mit guter Ernte einen fairen Preis zahlen werden“, sagt er. Und weil sie ihnen das Mangopüree auch dann abnehmen werden, wenn es optisch einmal nicht so viel hermacht. Wie er und seine Lieferanten miteinander umgehen, das beschreibt Voelkel als emphatisch und „nicht immer rational“.

Bio-Etikett allein reicht nicht mehr

Heute gibt es Produkte mit entsprechenden Etiketten zuhauf im Discounter, die mit den überzeugten Bio-Herstellern konkurrieren: „Bio ist heute kein Alleinstellungsmerkmal mehr“, sagt der Markenexperte Pogoda. Trotzdem habe Voelkel einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil: Die Marke Voelkel gilt nach wie vor als Bio-Original. Da akzeptierten die Kunden auch, wenn die Säfte mehr kosten als beim Discounter.

Für Boris Voelkel soll das aber nicht der einzige Kaufanreiz sein. Von seinen Kunden wünscht er sich, dass sie auch ein politisches Zeichen setzen: für ein Wirtschaften mit Augenmaß und gegen Massen-Landwirtschaft. Denn selbst wenn Bio inzwischen ein Lebensgefühl ist – es bleibe noch viel zu tun für Pioniere wie seine Familie.


Kurzprofil Voelkel GmbH

Gründungsjahr 1936
Branche Biosäfte
Unternehmenssitz Höhbeck, Ortsteil Pevestorf
Umsatz (Gruppe)
61 Mio. Euro
Mitarbeiterzahl 200

www.voelkeljuice.de

 

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