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“Der Investor kann als Mediator wirken”

Welche Erfahrungen Familienunternehmer mit Minderheitsbeteilungen machen, hat die Stiftung Familienunternehmen gemeinsam mit dem Center for Entrepreneurial and Financial Studies (CEFS) an der Technischen Universität München (TUM) untersucht. Prof. Dr. Brun-Hagen Hennerkes, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen spricht im Interview über die Studienergebnisse und das Verhältnis von Familienunternehmen und Private Equity-Gesellschaften.


Unternehmeredition: Das Verhältnis zwischen Familienunternehmern und Private Equity-Investoren ist häufig von Vorurteilen bestimmt. Können Sie feststellen, dass ein Mentalitätswandel in Deutschland einsetzt und die neue Generation aufgeschlossener alternativen Finanzierungsformen gegenübersteht?

Hennerkes: Viele Familienunternehmen kommen heute gar nicht mehr umhin, sich mit alternativen Finanzierungsformen auseinanderzusetzen. Denn eine der größten, systembedingten Schwächen der Familienunternehmen ist die Eigenkapitalquote. Generationsbedingt angewachsene Gesellschafterzahlen führen zu immer höheren Entnahmen, während der Markt nach zusätzlichem Kapital verlangt, um Innovation und Expansion finanzieren zu können. Von den Banken wird die erforderliche Liquidität nicht mehr in ausreichendem Umfang zur Verfügung gestellt. Außerdem haben die Gesellschafter der jüngeren Generation – die häufig im Ausland studiert oder zumindest Praktika in ausländischen Betrieben absolviert haben – weniger Berührungsängste gegenüber Private Equity, und schließlich hat der Abbau von althergebrachten Vorurteilen bei den Familienunternehmen, die sich einen Private Equity-Investor als Minderheitsgesellschafter ins Haus geholt haben, zu einem Mentalitätswandel beigetragen.

In der Studie der “Stiftung Familienunternehmen” hatten die befragten Unternehmen Minderheitsbeteiligungen äußerst positiv bewertet. Woran liegt das?
Durch die Aufnahme eines Investors können die Familienunternehmen nicht nur vom Zugang zu neuem Kapital, sondern auch von zusätzlichen Vorteilen profitieren. So kann der Investor – etwa bei Problemen im Kreis der Altgesellschafter – als Moderator wirken oder auch die Bewältigung der Unternehmensnachfolge durch die Zurverfügungstellung von entsprechendem Struktur-Know-how maßgeblich fördern. Weitere Gründe für die Zufriedenheit der befragten Unternehmen ist der durch die Einschaltung der Private Equity-Gesellschaft erleichterte Zugriff auf deren Erfahrungen in den Bereichen Corporate Governance, Controlling, Reporting sowie insbesondere Währungsabsicherung und sonstige finanzielle Risikobegrenzung. Familienunternehmen können auch von der Objektivierung von personenunabhängigen Entscheidungen und darüber hinaus vom Strategie-Know-how und den Kontakten der Investoren und deren weltweit tätigen Kooperationspartnern profitieren. So helfen die Netzwerke der Private Equity-Gesellschaften häufig dabei, neue Führungskräfte zu gewinnen, einen Beirat kompetent zu besetzen oder im Strategiebereich regionale Marktführerschaften aufzubauen.

Welche wichtigen Handlungsempfehlungen ergeben sich aus der Studie sowohl für Familienunternehmen als auch für Finanzinvestoren?
Bevor man sich auf die Suche nach der richtigen Finanzierungsform begibt, ist eine konkrete Ausformulierung der langfristigen Strategie notwendig. Hierbei sind sowohl die persönliche Zielsetzung der Familienmitglieder als auch die voraussichtliche Marktentwicklung einzubeziehen. Denn nur derjenige, der klare strategische Ziele verfolgt, kann die hierfür maßgeschneiderte Finanzierungsform identifizieren. Sämtliche finanzielle Alternativen, die eine Zielerreichung ermöglichen, sind sorgfältig nach ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen gegeneinander abzuwägen. Eine Eigenkapitalbeteiligung ist regelmäßig mit höheren Kosten im Vergleich zur Fremdfinanzierung verbunden. Die Entscheidung für eine Minderheitsbeteiligung ist daher insbesondere dann gerechtfertigt, wenn das Unternehmen von einem Zusatznutzen profitieren kann. Dies kann z. B. die Professionalisierung der Unternehmensführung oder die Einbindung externer Expertise – etwa zur Vorbereitung eines Börsengangs – sein. Wichtig ist, dass sich die Eigentümerfamilie aus ihrem individuellen Unternehmensverständnis heraus ganz konkret auf den Beteiligungsprozess vorbereitet. Die Vorstellungen in Bezug auf Ausstieg, Haltedauer, Information und Mitwirkungsrechte seitens des Finanzinvestors sind ebenso zu erarbeiten wie die genaue Analyse des zukünftigen Erfolgspotenzials im Hinblick auf Produktinnovation, Bedienung neuer Märkte und Kostenminimierung. Die Minderheitsbeteiligung ist für alle denkbaren Szenarien rechtlich exakt vorzubereiten. Aus Sicht der Eigentümerfamilie ist es dringlich, die operative Einflussnahme des Investors so zu limitieren, dass die Kontrolle über das Familienunternehmen nicht verloren wird.

Sehen Sie derzeit im Mittelstand einen Trend hin zu Minderheitsbeteiligungen? Wie sieht es bei Mehrheitsbeteiligungen aus?
Sofern sich die Eigentümerfamilie zur Aufnahme einer Private Equity-Gesellschaft entschließt, wird naturgemäß eine Minderheitsbeteiligung gegenüber einer Übernahme der Mehrheitsposition bevorzugt. Ferner wird es der Familie eher gelingen, eine Minderheitsbeteiligung zurückzukaufen, wenn sich die an den Investor gestellten Erwartungen nicht erfüllen. Mehrheitsbeteiligungen werden daher regelmäßig nur dann gewählt, wenn mittelfristig ein Komplettverkauf angestrebt wird, die Unternehmerfamilie aber noch für einen gewissen Zeitraum an “ihrem” Unternehmen beteiligt bleiben will oder dort noch gebraucht wird.

Worin sehen Sie die häufigsten Konfliktpunkte in der Zusammenarbeit zwischen Familienunternehmen und Private Equity-Gesellschaften? Wie lassen sie sich im Vorfeld etwa in Verträgen am besten vermeiden?
Häufige Streitpunkte sind die Einflussmöglichkeiten der Private Equity-Gesellschaften auf das operative Geschäft, aber auch auf die künftige Unternehmensstrategie des Familienunternehmens. Gestritten wird auch über die Frage der Gewinnverwendung. Die möglichen Konfliktpunkte müssen in den Beteiligungsverträgen lückenlos aufgeführt und abschließend geregelt werden. Streit über die Auslegung der Verträge darf erst gar nicht entstehen. Denn Streit ist immer der größte Wertvernichter im Familienunternehmen. Ein kritisches Thema sind auch Zeitpunkt sowie Art und Weise des Ausstiegs des Investors. Ist eine spätere Rückführung in Familienhand das Ziel der Altgesellschafter, so sind exakt ausgestaltete Kaufoptionen für die Familie und Verkaufsoptionen für die Private Equity-Gesellschaft notwendig. Hierdurch erhalten beide Partner finanzielle und operative Planungssicherheit.

Herr Prof. Hennerkes, vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person: 
Von Prof. Dr. Brun-Hagen Hennerkes (professor@hennerkes.de) ist Vorstand und Gründer der 2002 ins Leben gerufenen Stiftung Familienunternehmen, in der sich mehr als 300 Familienunternehmen engagieren; derzeit wichtigste Zielsetzung der Stiftung ist die Reform der Erbschaftsteuer. Außerdem ist er Seniorpartner der Stuttgarter Sozietät Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz. Seit über 35 Jahren berät er Familienunternehmen auf den Rechtsgebieten Gesellschaftsrecht, Nachfolge, Steuerrecht und M&A. www.familienunternehmen.de, www.hennerkes.de

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