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Viel Geld auf der Suche nach Anlage

Am Markt für Unternehmensfusionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitions, M&A) in Deutschland herrschen weiterhin Vorsicht und Zurückhaltung. Dabei sind die Voraussetzungen für eine Belebung angesichts guter Liquidität bei Strategen und Finanzinvestoren gegeben. Zudem zeigen die Konjunkturindikatoren wieder nach oben, und Mittelständler „made in Germany“ sind attraktive Targets auch für ausländische Investoren.

US-Markt klar vor Europa

Der weltweite M&A-Markt hat sich 2012 und Anfang 2013 nach einem schwachen zweiten Halbjahr 2011 gut erholt. Das gilt auch für die M&A-Transaktionen mit Private-Equity-Beteiligung, die sich nach vorläufigen Zahlen des Datenanbieters Thomson Reuters im 1. Quartal 2013 auf 85 Mrd. USD beliefen – ein Plus von 58% gegenüber dem 1. Quartal 2012. Aber die M&A-Welt ist gespalten: Während der US-Markt sehr aktiv ist, geht es in Europa abwärts. Der vom Bureau van Dijk ermittelte ZEW-Zephyr M&A-Index zeigt für Westeuropa nachlassende Aktivitäten in den ersten Monaten 2013, nachdem der Markt in den Monaten Oktober bis Dezember erkennbar angezogen hatte. Und die Zahlen bezüglich der Private-Equity-Aktivitäten sind regelrecht enttäuschend, wie der Datendienstleister konstatiert. Sowohl bei der Dealzahl als auch insbesondere beim Dealvolumen – soweit veröffentlicht – ging es seit dem noch recht ordentlichen 4. Quartal 2012 deutlich bergab.

Megadeals eher selten

„Der Gesamtmarkt M&A entwickelt sich weiterhin zurückhaltend“, sagt der Vorsitzende des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions (BM&A), Prof. Kai Lucks. Dabei habe der Anteil der grenzüberschreitenden Transaktionen (Cross Border Deals) zugenommen. Während die Megadeals tendenziell seltener würden, seien mittelgroße Deals immerhin ein stabilisierender Marktfaktor. Er hat den Eindruck, je größer der Deal, umso größer die Angst vor einem Flop. „Andererseits ist M&A im internationalen Geschäftsumbau ein unvermeidbares Element. Immerhin ist die Performance von M&A in den letzten Jahren besser geworden“, so Lucks. Wenn dann aber eine Akquisition schlecht laufe, werde eher die Notbremse gezogen als früher – d.h. weniger Geduld und schnellerer Weiterverkauf. Den M&A-Trend im deutschen Mittelstand bildet der vom BM&A berechnete MidMax-Index ab. Nach den Zahlen von Ende 2102/Anfang 2013 ist nach Einschätzung Lucks eine Erholung in diesem Jahr nicht in Sicht. In allen Quartalen des Jahres 2012 sei die Zahl der Transaktionen in Deutschland nahezu konstant geblieben, immerhin lag sie im zweiten Halbjahr 2012 über den schwachen 2011er Zahlen, aber deutlich unter dem 2. Halbjahr 2010. Beim MidMax-Index, bei dem auch der Wert der Transaktionen einfließt, gebe es schon seit dem sehr schwachen Schlussquartal 2011 eine ansteigende Tendenz.

Viel Geld, aber es sitzt nicht locker

Immerhin lassen positive Konjunkturindikatoren auf eine Belebung im M&A-Geschäft in den nächsten sechs Monaten hoffen, wie das Forschungsinstitut ZEW berichtet. An Geld mangelt es jedenfalls nicht. Erstens haben Konzerne wie auch größere Mittelständler eine Menge Cash, um Zukäufe zu tätigen. Zweitens ist auch bei vielen Finanzinvestoren ordentlich Liquidität vorhanden und der Anlagedruck groß. Und drittens sind auch die Banken bereit, ihren Teil zu aussichtsreichen Transaktionen von Finanzinvestoren beizutragen – in der Regel liegt hier die Maximalgrenze weiterhin bei rund 40 bis 50% Fremdkapitalanteil. Aber das Geld sitzt nicht locker. Käufer prüfen noch genauer als früher, wie das Zielunternehmen dasteht und wie es sich wohl in Zukunft entwickeln wird. Dabei tun sich häufig Diskrepanzen auf hinsichtlich der realistischen Perspektiven des Zielobjekts. Während Unternehmen ihre gute bis sehr gute Ertragsentwicklung gerne in die Zukunft fortschreiben, legen Käufer eher Vorsicht an den Tag; sie trauen der ganzen Gemengelage – stark beeinflussbar durch makroökonomische Entwicklungen – nicht so ganz. Dementsprechend liegen die Preiserwartungen zwischen Käufer- und Verkäuferseite mehr oder weniger stark auseinander, woran am Ende – nach sorgfältigen Prüfungen und Verhandlungen – etliche Deals auch scheitern.

Verkäufer ohne großen Druck


Der deutsche Markt wird – wie in den vergangenen Jahren – von kleinen und mittleren Transaktionen dominiert, in diesem Bereich gibt es einfach eine große Zahl an Targets. Große Deals dagegen sind Mangelware. Das hat Gründe: Die Finanz- und Bankenkrise in den Jahren ab 2008 hat die Marktteilnehmer vorsichtig werden lassen, hinzu kommen die Unsicherheiten durch die Euroschuldenkrise sowie die Rezession im Euroraum. Die Angst, auf dem

falschen Fuß erwischt zu werden, ist groß. Dr. Michael Drill, CEO der M&A-Beratungsgesellschaft Lincoln International, sieht die Entwicklung dennoch „verhalten optimistisch“. Für die Marktschwäche nennt er zwei Hauptgründe. „Die Verkäuferseite sieht keinen großen Handlungsdruck, viele Unternehmen warten auf bessere Zahlen bzw. Perspektiven für 2014 gegenüber 2013 und damit auf höhere Unternehmenspreise“, sagt Drill. „Zudem agieren viele Käufer vorsichtig wegen der Eurokrise; auch trauen sie den hohen Börsenkursen nicht.“

Optimismus vs. Vorsicht

Viele Deals scheitern laut Drill wegen unterschiedlicher Vorstellungen zu den Businessplänen. Die Preis-Multiplikatoren seien auf recht hohem Niveau, es gebe aber keinen Konsens über die Basisdaten. „Zum Beispiel legt ein Unternehmen einen Plan mit 3 bis 4% Wachstum p.a. in den Jahren 2013 bis 2015 vor, während die Käufer diesem Szenario aber nicht so ganz trauen“, so Drill. Ein weiterer Trend sei, dass mittlerweile Ausländer mehr Firmen in Deutschland kaufen als umgekehrt deutsche Käufer im Ausland Unternehmen erwerben; und dieser Trend nehme noch zu. Etwas lebhafter als den insgesamt ruhigen M&A-Markt in Deutschland sieht Drill das Geschehen in den Bereichen Software/IT/Medien/Technologie sowie Healthcare/Gesundheitswesen. Die eher zyklischen und margenschwachen Branchen Automotive und Chemie würden von Käuferseite dagegen eher skeptisch gesehen. Finanzinvestoren haben es nach Drills Einschätzung derzeit schwer im Bieterwettbewerb gegen Strategen, die im Moment „so viel Cash wie nie“ hätten. Am ehesten kämen sie in Marktsegmenten oder -nischen zum Zuge, wo kaum große Wettbewerber als natürliche Käufer existierten.

Unternehmerisches Know-how

Bei PE-Häusern spielt die Mitfinanzierung durch die Banken eine große Rolle; aber auch diese prüfen äußerst gründlich, was Vertragsabschlüsse nicht eben einfacher macht. PE-Manager müssen ohnehin mehr leisten als früher und statt des Financial Engineering selbst strategisches Know-how einbringen und die Portfolio-Unternehmen weiterentwickeln. Andererseits müssen sich PE-Häuser, die in den Boomjahren bis 2007 aktiv investiert haben, in den nächsten ein bis zwei Jahren perspektivisch von ihren Beteiligungen trennen, wie Matthias Eisfeld von der kanadischen Investmentbank Canaccord Genuity berichtet. „Sie haben damals relativ hohe Bewertungen, unterstützt durch hohe Fremdfinanzierungsquoten, aufgerufen.“ Die überwiegende Mehrzahl ist zwar jetzt wieder „im Geld“, dennoch ist es eine Herausforderung, einen Exit auch mit einer die Fondsinvestoren befriedigenden Rendite zu schaffen.

PE: Renditeerwartungen gesunken

„Ende der 90er Jahre rechnete man noch mit internen Renditen von ca. 30% p.a., heute ist man mit knapp über 20% schon gut bedient“, sagt Eisfeld. Das liege auch daran, dass der Markt reifer und die Verkäuferseite professioneller geworden seien; Schnäppchenkäufe seien insofern kaum noch zu erzielen. Allerdings müsse man bedenken, dass sich die gesamte Renditekurve über fast alle eigenkapitalnahen Anlageklassen nach unten verschoben habe. „Zudem werden heute die Prozesse noch sorgfältiger vorbereitet und aktuelle Entwicklungen und Zahlen abgewartet, bevor man mit dem Verkaufsangebot an den Markt geht“, so Eisfeld. „Man will einfach sicherer sein, negative Überraschungen möglichst ausschließen.“ Der deutsche Unternehmensmarkt sei sehr attraktiv auch für ausländische Investoren: „Insbesondere US-Käufer schauen sich hier intensiv um und wollen Marktanteile bzw. Technologie zukaufen, und damit auch Marktzugang nicht nur in Europa, sondern über exportstarke Firmen auch nach Asien.“

Preise bewegen sich seitwärts

Bei den Preisen sieht Dr. Hans Bethge, Partner bei der Beratungsgesellschaft Angermann M&A International, eine klare Seitwärtsbewegung. Große Sprünge seien nicht zu erwarten, trotz des Vorauseilens der Börsen. Infolge der guten letzten Jahre seien allerdings die „Kriegskassen“ auf Käuferseite prall gefüllt, was seit fünf, sechs Monaten zu einer Marktbelebung – von sehr niedrigem Niveau ausgehend – beigetragen habe. Und auf Verkäuferseite führe die Ungewissheit über den Ausgang der Bundestagswahl im September und die rot-grünen Steuerpläne zu mehr Verkaufswillen. „Wir erhalten mehr Verkaufsmandate, die Pipeline füllt sich, und das könnte sich in den nächsten Monaten in weiteren Verkäufen niederschlagen“, erklärt Bethge.

Großer Prüfungsaufwand

Käufer sichern sich immer stärker gegen unvorhergesehene Unternehmensentwicklungen ab. „Fast in jedem zweiten Vertrag ist die Zahlung eines Kaufpreiseinbehalts auf ein Treuhandkonto vereinbart“, so Bethge. „Dieser Einbehalt, der erst bei Eintreten bestimmter Ziele oder Unternehmenszahlen an den Verkäufer ausgezahlt wird, lag früher meist bei 5 bis10%, heute sind es oft 30%.“ Ähnliches gelte für die Banken: „So einen Prüfungsaufwand der Banken wie heute kannten wir früher nicht“, sagt Bethge. Die Phase vom Erstkontakt zwischen den Parteien und der Vertragsunterzeichnung habe sich auf etwa neun bis zwölf Monate verlängert. Es gebe eine ganze Reihe von Käufern auch aus dem Ausland, z.B. aus Asien (China, Indien), die Interesse am deutschen Mittelstand hätten, da dieser inmitten des krisengeschüttelten Euroraums gut dastehe. Gesucht seien insbesondere Technologie-Know-how und Ingenieurdienstleistungen. Allerdings rechnet Bethge im Falle eines Wahlsieges von Rot-Grün mit größerer Zurückhaltung ausländischer Käufer.

Fazit:
Geld ist da bei Strategen und Finanzinvestoren, und sie würden wohl gerne häufiger zum Zuge kommen. Aber unterschiedliche Preisvorstellungen hemmen den M&A-Markt. Dazu kommt mangelnder Verkaufsdruck im Mittelstand, der finanziell und strategisch gut dasteht und auf steigende Unternehmenspreise setzt. Bleiben größere Rückschläge in der Eurokrise und an den Börsen aus, so darf man eine Besserung bei den M&A-Aktivitäten im Jahresverlauf erwarten. Viele attraktive Targets gibt es – nicht von ungefähr verkündete die Porsche Holding kürzlich, den größten Teil ihrer Nettoliquidität in Höhe von zuletzt 2,6 Mrd. EUR in Beteiligungen an mittelständischen Unternehmen im In- und Ausland investieren zu wollen.

Bernd Frank
redaktion@unternehmeredition.de

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