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Vertrauen in das Gute und Echte

Ihre Ursprünge hat die Münchner Hofpfisterei in der Monarchie. Heute ist das in dritter Generation geführte Familienunternehmen mit seinen Bauernbroten aus ökologischer Herstellung weit über die bayerische Landeshauptstadt hinaus erfolgreich.

Es ist heiß hier im Backraum. Einer der Männer reiht die Brotlaibe auf einem langen hölzernen „Schießer“ auf, den sein Kollege dann in der Manier eines Pizzabäckers in den altdeutschen Steinofen schiebt. Die gleichermaßen anstrengende wie kunstfertige Arbeit ist die letzte Stufe eines Vorgangs, der eine Etage höher seinen Anfang genommen hat. Dort reift in großen Kesseln über 24 Stunden hinweg der Natursauerteig heran, bis sich durch die natürliche Entwicklung von Hefen und Essigsäuren der Geschmack entwickelt. Klar: Mit Backhilfsmitteln könnte das alles viel schneller gehen. Die Münchner Hofpfisterei aber verzichtet beim Brotbacken ganz bewusst auf künstliche oder chemische Zusätze. Sie lässt dem Teig lieber Zeit zum Reifen, denn nur so erreichen die Bauernbrote ihr besonders Aroma, die lockere Porung und die lange Frische. „ Und weil wir sie anschließend bei milder Hitze doppelt so lang backen wie üblich, können sie auch ihre einzigartige Kruste entwickeln“, erläutert Firmenchefin Nicole Stocker beim Besuch in der Münchner Bäckerei.

Brot von der Münchner Hofpfisterei: Nur ökologische, gentechnikfreie Zutaten.

Der aufwändige Prozess, bei dem ausschließlich ökologische Rohstoffe verwendet werden, lohnt sich. Die größte Münchner Bäckerei ist mit 163 Filialen im Großraum München, Baden-Württemberg sowie seit 2008 auch in Berlin vertreten. Hinzu kommen 700 Handelspartner wie etwa Supermärkte, Gastronomie und Feinkostenläden. In jedem dritten Haushalt der bayerischen Landeshauptstadt wird regelmäßig eine der insgesamt 30 Öko-Bauernbrotsorten gegessen. Das liegt weit über der üblichen Marktreichweite von Ökoprodukten, die am deutschen Lebensmittelmarkt im Durchschnitt fünf bis sechs Prozent beträgt. Die Umsätze der Hofpfisterei sind seit Beginn der Umstellung des Brotsortiments auf die ökologische Herstellung vor drei Jahrzehnten nahezu kontinuierlich gewachsen. Heute erwirtschaftet der Unternehmensverbund mit 970 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 90 Mio. Euro.

Vom königlichen Versorger zum Familienunternehmen        

Das ganzheitliche Angebot gehörte schon in den frühen Anfängen zu den Besonderheiten der Hofpfisterei. Nur sie durfte zu Ende des 13. Jahrhunderts die ansonsten in der mittelalterlichen Zunftordnung streng getrennten Handwerke des Mehlmahlens, des Mehlhandels und des Backens in einem Amt vereinen. Rudolf I., der München 1294 zur Haupt- und Residenzstadt erhob, hatte die Hofpfisterei zur Versorgung des bayerischen Hofstaats und als Vorsorge für die Bürger in Notzeiten gegründet. Auch der Firmenname, der sich aus dem lateinischen Begriff „Pistor“ für Bäcker ableitet, geht auf diese Zeit zurück. „Angesichts der mehr als 700-jährigen Firmengeschichte bekommt der Begriff Nachhaltigkeit bei uns noch einmal eine besondere Bedeutung“, sagt Nicole Stocker schmunzelnd. Den Grundstein für das heutige Unternehmen legte ihr Großvater Ludwig Stocker. Er hatte die Pfisterei 1917 zunächst von der königlichen Krongutsverwaltung gepachtet und später dann als Eigentümer übernommen. Als er das Unternehmen in den 70er Jahren an seinen Sohn Siegfried weiterreichte, wurde in den damals 40 Filialen noch ein Mischsortiment vom Brot bis zu Süßigkeiten und Nudeln angeboten. Wenige Jahre später waren es schon 100 Filialen, und doch entschied sich Siegfried Stocker mit Blick auf das weitere Wachstum für die bis heute gültige Strategie: die Fokussierung auf die Kernkompetenz Bauernbrot.

Streben nach maximaler Qualität                

Die klare Positionierung der Marke ist Teil dieser Strategie. Wer Brot nur braucht, damit die Wurst nicht herunterfällt, gehört jedenfalls nicht zur Zielgruppe. Eher sind es Menschen, die beim Essen genießen und bewusst auf die Inhaltsstoffe ihrer Lebensmittel achten. „Wir streben nach maximaler Qualität bei akzeptablen Kosten statt nach Minimalkosten bei akzeptabler Qualität“, sagt die Firmenchefin. Ihr Vater Siegried Stocker hat die Vorgabe schon 1978 im Unternehmensleitbild formuliert: „Die Hofpfisterei will immer mehr Menschen, die dies schätzen, mit immer natürlicherem und ursprünglicherem schmackhaften Brot versorgen.“

Ökologisch trotz vieler Widerstände

Aus diesem Leitbild hat sich die Umstellung auf die ökologische Ausrichtung quasi zwangsläufig ergeben. Zum Unternehmensverbund gehören die 1998

Mitarbeiter der Hofpfisterei: Traditionelles Handwerk steht im Vordergrund.

übernommene Öko-Metzgerei Landfrau und die Meyermühle in Landshut, aus der die Bäckerei ihr gemahlenes Getreide bezieht. Doch die Umstellung war kein einfacher Weg. Ökologische Rohstoffe etwa gab es zu Beginn der 80er Jahre so gut wie nicht. Auf die Anzeigenoffensive für chemiefreien Anbau antworteten leidglich drei Landwirte. Stocker war seiner Zeit weit voraus, hielt an seiner Strategie fest. Immer dann, wenn genügend Rohstoffe für eine Brotsorte vorhanden waren, wurde diese auf Öko umgestellt.

In zahllosen Veranstaltungen mit dem Anbauverband Naturland warb Siegfried Stocker in den 1980er Jahren für die ökologische Umstellung von Höfen. Der Kauf der Metzgerei Landfrau ermöglichte es ihm darüber hinaus, interessierten Landwirten einen Abnehmer für ihre tierischen Produkte zu präsentieren. Das war ebenso ganzheitlich gedacht wie die Übernahme der Landshuter Meyermühle. Damit stellte die Hofpfisterei die ökologische Verarbeitung des verwendeten Getreides und so die Kontrolle vom Acker bis zum Ladentisch sicher. Mittlerweile wird in der Mühle jedes angelieferte Öko-Getreide auf 570 Agrochemikalien getestet, um den Kunden die Freiheit von Rückständen garantieren zu können. Insgesamt liefern heute rund 600 Öko-Landwirte ihr Verbandsgetreide an die Meyermühle. „Unser Ziel ist es, dass mindestens 80 Prozent unseres Getreides möglichst aus Bayern stammen“, sagt Nicole Stocker.

Kampf gegen Grüne Gentechnik

Sie leitet das Unternehmen seit 2013 als Mehrheitsgesellschafterin und in alleiniger Verantwortung. Ihre Eltern Siegfried und Margaretha Stocker nehmen noch regelmäßig an der wöchentlichen strategischen Geschäftsführungsrunde teil und werden im kommenden Jahr in den Aufsichtsrat wechseln. Dessen Vorsitz bekleidet derzeit mit Dr. Franz Ehrnsperger, dem Chef der Neumarkter Lammsbräu, ein langjähriger Weggefährte. Ein wichtiges Ziel von Nicole Stocker ist es, dass die bayerische Landwirtschaft gentechnikfrei bleibt. „Wir haben unseren Kunden versprochen, naturbelassen zu backen, und dieses Versprechen wollen wir auch in Zukunft halten“, sagt die Unternehmerin. Sie hat deshalb erst kürzlich einen offenen Brief an den bayerischen Ministerpräsidenten geschrieben. Grund dazu gibt es allemal, nachdem sich die Bundesregierung bei der EU-Abstimmung um die Gen-Maissorte 1507 der Stimme enthalten hat – obwohl mit einem Nein die Zulassung zu verhindern gewesen wäre. „Die deutsche Politik weiß, dass 80 Prozent der Menschen in Bayern keine Agro-Gentechnik wollen, sie ist auch zum Teil selbst dagegen, und dennoch enthält sie sich in Europa der Stimme“, wundert sich Nicole Stocker.

Ökologische Landwirtschaft in Gefahr

Nicole Stocker (hinten) mit ihren Eltern: Sie führt das Unternehmen seit 2010.

Sie fürchtet schwerwiegende Folgen. Denn wenn manipulierte Getreidesorten oder Genmais auf den Feldern zum Einsatz kommen, können sie sich durch den Pollenflug auch auf benachbarte Nutzflächen ausbreiten. Damit droht die ökologische Landwirtschaft unmöglich zu werden. Ein großes Einfallstor für Agro-Gentechnik zeichne sich mit dem Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) ab. „Zum einen könnten Gentechnik-Konzerne vom deutschen Staat Schadensersatz dafür fordern, dass sie gentechnisch verändertes Saatgut hier nicht anbauen dürfen“, fürchtet sie. Oder aber es werde angesichts dieses Drucks angebaut und sei dann nicht mehr rückgängig zu machen. Zum anderen drohe Ungemach aus der beidseitigen Anerkennung der jeweiligen Standards. Konsequenz: Gentechnisch veränderte Lebensmittel aus den USA dürften in Deutschland ohne Gen-Kennzeichnung verkauft werden. „Damit aber kann sich der Kunde nicht mehr für ein gentechnikfreies Lebensmittel entscheiden“, warnt Stocker.

Klare Zukunftsstrategie                       

In dem von einem harten Verdrängungswettbewerb geprägten deutschen Brotmarkt steht auch die Hofpfisterei vor Herausforderungen. Da ist zum einen der anhaltende Vormarsch der Fertiggerichte, während der Brotverzehr pro Kopf Jahr für Jahr zurückgeht. Längst ist zudem die klassische Brotzeit am Abend nicht mehr selbstverständlich, sondern sie muss mit Sushi, Pizza & Co. konkurrieren. Andererseits ist da aber eben auch der Trend zur gesunden, bewussten Ernährung, von dem die Hofpfisterei profitiert. Sie hat durch die klare Positionierung auf die Kernkompetenz Bauernbrot eine Alleinstellung im Markt erreicht. „Markenführung bedeutet bewusster Verzicht, wir müssen deshalb unser unverwechselbares Konzept und die klare Ausrichtung auf unsere Zielgruppe beibehalten“, sagt Stocker. Sie ist überzeugt, dass Familienunternehmen mit ihren schnellen Entscheidungen und dem Willen zur Nachhaltigkeit besondere Erfolgschancen haben. Kein Fremdmanager etwa wäre das Risiko der viele Jahre währenden Umstellung auf das ökologische Konzept, für das es zudem keine Erfahrungswerte gab, eingegangen. „Ökopioniere sind immer Familienunternehmen“, sagt Stocker. Neue Wege zu gehen und an ihnen nicht nur in wirtschaftlich guten Zeiten festzuhalten: Dazu bedarf es viel Durchsetzungskraft und Stärke nicht zuletzt gegenüber den Banken, die dem Unternehmen mit Investitionsfinanzierungen zur Seite stehen. „Auch da ist es ein Vorteil, wenn die Verantwortung bei der Familie liegt“, sagt die Frau, die jetzt in der dritten Generation die Geschäfte führt.

 

Zur Person

Nicole Stocker hat alle Abteilungen der damals noch von den Eltern geführten Hofpfisterei schon während ihrer Schulzeit quasi im Nebenjob durchlaufen. Während ihres Jurastudiums zeichnete sie bereits für eigene Projekte im Unternehmen verantwortlich. Nach der juristischen Referendarzeit ist sie 2007 zunächst als Geschäftsführerin mit dem Aufgabenbereich Verkauf und Marketing in das Unternehmen eingetreten, ehe ihr der Vater drei Jahre später mit der Übertragung der Mehrheitsanteile auch die Leitung der gesamten operativen Geschäftsführung übergab. www.hofpfisterei.de

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