Vom Schulbuchverlag zum internationalen Bildungskonzern

Serie Unternehmerdynastien: Ernst Klett AG

Es gibt viele Schauspieler, die ihr Können auch dazu nutzen, ihre eigene Person zu erhöhen. So einer ist Michael Klett nicht. Im Gegenteil: Schonungslos sagt er: „Ich habe viele Fehler gemacht. Aber auch jedes Mal daraus gelernt.“ Bescheiden wirkt er, seine Worte sind wohl überlegt und glasklar strukturiert. Michael Klett, 73, ist Aufsichtsratsvorsitzende des größten bundesdeutschen Bildungskonzerns. Die Ernst Klett AG versammelt unter ihrem Dach 59 Unternehmen an 40 Standorten in 17 Ländern. Das Angebot reicht vom Schulbuch über interaktive Lernhilfen, Wörterbücher, Fachliteratur, Bildungsdienstleistung bis hin zur Privatschule. 2.740 Mitarbeiter erwirtschafteten zuletzt einen Umsatz von rund 465,3 Mio. EUR.
Ausbildung zum Schauspieler
Michael Kletts Weg schien nicht vorgezeichnet, als er sich von 1960 bis 1963 in Berlin zum Schauspieler ausbilden ließ und danach kurz in Genf und Berlin studierte. Sein Vater Ernst Klett lockte ihn zurück nach Stuttgart. „Jetzt, mit 27 Jahren, bist du beruflich noch nicht so weit gekommen“, soll der Vater gesagt haben. „Zuhause kannst du mehr erreichen.“ Das hat den jungen Schauspieler überzeugt, der aber seine Ausbildung nie bereut hat. Als Jugendlicher sei er ein sehr unsicherer Mensch gewesen, erzählt Michael Klett. „Doch ich habe durch die Schauspielerei eine erstaunliche Sicherheit erlangt. Ich konnte seitdem überzeugend auftreten, ob beim Bundeskanzler oder der Putzfrau gleichermaßen – ohne Distanzlosigkeit zu den Menschen“, sagt er.
„Herr der Ringe“ als Dauer-Umsatzbringer
Wenn Klett nur wollte, könnte er mächtig auf den Putz hauen, so wie er das Familienunternehmen internationalisierte und das Geschäft ausbaute. Er könnte erzählen, wie er mit strategischer Vorausschau das Geschäft des Schulbuchverlags diversifizierte, als die Schülerzahlen zurückgingen. Wie er entschlossen die defizitären Druckereien aufgab. Wie er mutig Ostdeutschland eroberte. Oder wie er klug das Geschäft internationalisierte und mit untrüglichem Gespür den verlegerischen Großcoup überhaupt landete: den Erwerb der Rechte des Dauerbestsellers „Herr der Ringe“, der schon etliche Millionen Abnehmer fand. Doch Senior Klett sagt nur: „Heute sind wir als Bildungskonzern gut aufgestellt.“ Das ist der Hinweis darauf, dass sein Neffe Philipp Haußmann seit zwei Jahren als Vorstandssprecher einen guten Job macht. Haußmann führt das Gremium, dem noch Thomas Baumann und Arthur Zimmermann angehören, an. Der Vorstandssprecher ist Sohn von Kletts Schwester Christiane. Michael Klett hatte sich schon einmal im Jahr 2006 auf den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden der Ernst Klett AG zurückgezogen. Ganz offensichtlich ist der zweite Versuch von Michael Klett, die Nachfolge dauerhaft zu regeln, gelungen. Den Chefposten hatte der Senior im September 2007 wegen Auseinandersetzungen mit dem zwischenzeitlichen Vorstandschef erneut übernommen. Der jetzige Klett-Vorstandssprecher Haußmann kennt sich im Verlag bestens aus. Der Jurist und Romanist absolvierte 1995 ein erstes Traineeprogramm im Haus. Zwei Jahre später übernahm er die Redaktionsleitung der Pons-Wörterbücher. Von 2002 an führte er die Tochterunternehmen der Ernst Klett Sprachen GmbH. 2007 stieg der heute 45-Jährige in den Vorstand auf und führt die Holding Klett Lernen und Information.
Schulbuch-Verlag: Ein volatiles Geschäft
Haußmann kann auf das aufbauen, was sein Onkel Michael Klett geformt hat. Der volontierte nach seiner Zeit als Schauspieler noch kurz. Dann durfte er zweieinhalb Monate nach Kanada reisen, um dort in der wilden Natur zu lernen, nur mit Angeln und Fischen ein autarkes Leben zu führen. „Kanada hat mich zu einer Figur geformt“, erzählt Michael Klett heute. Der Schulbuchverlag habe über die Jahre ein stetiges Auf und Ab erlebt – „in einem beinharten Wettbewerbsumfeld“. Immer wenn in einem Bundesland ein neuer Lehrplan herauskommt, dann gewönne jener Verlag, „der die beste Antwort auf den neuen Stoff hat“, erklärt Klett. Stark profitieren konnte der Klett Verlag von der Wiedervereinigung, während der die Stuttgarter die meisten neuen Länder mit Schulbüchern versorgen durften. Von der Jahrtausendwende bis zum Jahr 2004 sei dieses Geschäft eher holprig verlaufen, von 2005 an bis heute wieder hervorragend.
Fachzeitschriften als Ertragsperlen
In schwierigen Zeiten konnte Michael Klett aber immer wieder auf seine Ertragsperlen setzen, wie beispielsweise auf seine Lehrerfachzeitschrift „Praxis Deutsch“. Stolz ist der Senior-Verleger über sein historisches Programm, wie die Werke über die Kreuzzüge, den Perserkrieg oder den Untergang Roms. „Das ist ganz wunderbare Nahrung für den Geist“, schwärmt Klett. Der Erfolg der Klett Gruppe sei auch darin begründet, dass das Familienunternehmen viel Zeit habe und langfristig und mit Geduld agieren könne. „Wir ernten, wenn die Zeit gekommen ist“, sagt Michael Klett. Überhaupt seien Familienunternehmen aus Deutschland nicht wegzudenken. „Dann hätte die Bundesrepublik eine Identitätsmacke“, formuliert der Firmen-Senior. Dass alle Familienmitglieder an einem Strang ziehen, regelt ein Vertrag, den alle unterzeichnet haben und dessen Grundidee aus der Darmstädter Pharmafirma Merck kommt – ebenfalls einem Familienunternehmen: „Wir haben die Stämme aufgelöst“, erklärt der Aufsichtsratschef und Senior. Jeder Gesellschafter fühle sich dadurch als „souveräner Bürger des Unternehmens – den demokratischen Spielregeln verpflichtet“. Sohn oder Tochter eines bestimmten Familienstammes stimmen autark ab – und nicht, weil Vater oder Onkel so denken. Bei Klett setzen die 35 Gesellschafter einen Familienrat ein. Der wiederum wählt den Aufsichtsrat. „Der Familienrat ist privilegiert“, erklärt Klett. Er träfe alle Entscheidungen, die das Überleben des Familienunternehmens sicherten. Beispielsweise überprüfe der Familienrat, ob alle Gesellschafter gültige Testamente und Eheverträge haben.
Der Senior besucht regelmäßig die Mitarbeiter
Ganz wesentlicher Erfolgsfaktor aber sei die Unternehmenskultur, erklärt Klett. Über die Jahre sei es gelungen, „einen anständigen Ton untereinander zu finden. Man kann nett sein, aber deutliche Worte nicht fehlen lassen“, Der Senior, der als Aufsichtsrat viel reist und mit den Mitarbeitern spricht, merkt deutlich, wenn sich jemand im Unternehmen nicht wohl fühlt. Heute führt sein Neffe das harte Tagesgeschäft. Der Onkel kann sich darum kümmern, „dass das Menschliche nicht zum Teufel fährt“.

Thomas Grether
redaktion@unternehmeredition.de
Kurzprofil: Ernst Klett AG
Gründungsjahr: 1897
Branche: Bildungsdienstleister (v.a. Bildungsverlage, Fernschulen und Fernfachhochschulen)
Unternehmenssitz: Stuttgart
Mitarbeiterzahl: ca. 2.740
Umsatz 2010: 465,3 Mio. EUR
Internet: www.klett-gruppe.de

Autorenprofil

Thomas Grether ist Gastautor.

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