Regionale Marke im Familienbesitz

Serie Unternehmerdynastien: Spreewaldkonserve Golßen GmbH

Zu den Vorzeigeunternehmen der brandenburgischen Ernährungswirtschaft zählt die Spreewaldkonserve Golßen GmbH. Das Unternehmen produziert die Spreewälder Gurken, die nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 1999 als regionale Marke ähnlich wie der Champagner in Frankreich geschützt sind. Nach der erfolgreichen Übernahme durch das niederrheinische Geschwisterpaar Karin Seidel und Konrad Linkenheil ist das Unternehmen zu den Top drei der Branche in Deutschland aufgestiegen.

Brückenkopf in der Planwirtschaft
Bereits im 15. Jahrhundert begannen die Bauern im Spreewald mit der Kultivierung von Gurken, Meerrettich und Zwiebeln. Über die Jahrhunderte wuchs so ein Wirtschaftszweig heran, der das Image des Spreewalds prägt. 1946 gründeten die beiden Bauern Friedewald und Donath in Golßen einen Konservierungsbetrieb, der 1951 volkseigen wurde. Im Zuge der Zwangsverstaatlichung 1972 wurden die zahlreichen Kleinbetriebe in der Region enteignet und zum Kombinat zusammengeschlossen, Golßen war fortan als Kombinatsitz Brückenkopf der staatlichen Planwirtschaft in Sachen Gurken- und Gemüseverarbeitung.

Sieg vor dem Europäischen Gerichtshof
1991 waren das Geschwisterpaar Karin Seidel und Konrad Linkenheil aus dem niederrheinischen Wegberg eigentlich nur auf der Suche nach einer Produktionsstätte für Apfelkompott in Ostdeutschland und übernahmen die Produktionsstätte in Golßen: „Erst zwei Jahre später wurde uns bewusst, welche Marke wir da erworben hatten.“ Auf Anhieb erkannten die beiden aber, dass sie in gewaltigen Größenordnungen produzieren mussten, um die Mengenwünsche des Handels zu befriedigen. Zahlreiche andere Betriebe der Region waren zu klein, um die großen nationalen Handelsketten beliefern zu können. Auch versuchten Wettbewerber aus ganz Deutschland, die Original Spreewälder Gurken nachzuahmen. Nach jahrelangem Rechtsstreit obsiegte der Spreewaldverein mit der Kollektivmarke Spreewälder Gurken 1999 vor dem Europäischen Gerichtshof. Nunmehr dürfen die Spreewälder Gurken nur noch mit Rohprodukten aus der Region produziert werden. Um sich am Markt noch besser zu differenzieren, gab das Geschwisterpaar den Spreewälder Gurken vom Spreewaldhof 2003 einen eigenen Namen: Spreelinge.

Bekannteste Ostmarke nach Rotkäppchen-Sekt
Inzwischen sind die Spreewälder Gurken nach dem Rotkäppchen-Sekt die wohl bekannteste Marke der ostdeutschen Ernährungswirtschaft. 19.000 Tonnen Gurken werden jährlich beim Spreewaldhof verarbeitet, neben den Gurken wird auch noch eine Vielzahl an Gemüsekonserven wie z.B. Rotkohl, Grünkohl, Kürbis und Sauerkraut in Gläsern und Aromabeuteln eingekocht. Das bindet 60% der Produktionskapazitäten, den Rest macht die Obstkonservierung aus, die das Geschwisterpaar inzwischen gänzlich vom niederrheinischen Wegberg in den Spreewald verlagert hat. „Die Entscheidung ist schwer gefallen. Wir hatten in Wegberg eine über hundertjährige Tradition“, räumt Karin Seidel ein und ergänzt: „Doch Spreewaldhof ist einfach national der bekanntere Name.“ Doch die Integration gelang: 2008 kam man mit der Marke auch auf Platz 1 im Obstkonserven-Segment. Eine weitere Tradition dagegen soll bewahrt werden: Schon heute arbeiten Karin Seidels Sohn Tim und Tochter Kathrin im Unternehmen, gut möglich, dass in der nächsten Generation wieder ein Geschwisterpaar an der Spitze des mittelständischen Unternehmens steht.

Get One“ am Gate
Heute ist das Unternehmen im Geschäft mit den Gurkenkonserven die Nummer drei im Konzert mit Hengstenberg und Kühne, wobei sich die Plätze schon mal von Jahr zu Jahr verschieben können. Das Ende der Fahnenstange ist für die Neu-Spreewälder noch längst nicht erreicht. Zukünftig soll der Exportanteil erhöht werden. Gemeinsam mit den Handelsketten hat man den osteuropäischen Markt im Visier. Damit die zukünftigen Kunden einen Vorgeschmack bekommen, gibt es zumindest nach dem Einchecken die Kultgurke „Get One“ in der Shoppingmeile des Flughafens.

Auch Gurken brauchen kreatives Marketing“
Interview mit Karin Seidel, Mitinhaberin, Spreewaldkonserve Golßen GmbH

Unternehmeredition: Frau Seidel, in Zeiten, da die Lebensmittelindustrie sehr stark durch den Preisdruck der Discounter dominiert wird, überraschen Sie mit Innovationen und kreativen Marketingideen. Warum ist das ausgerechnet bei eingelegten Gurken so notwendig?
Seidel: Auch Gurken brauchen ein kreatives Marketing. Vor rund zehn Jahren haben wir begonnen, unsere Marke zielgerichtet zu verjüngen, frischer und moderner zu machen. Das gelang uns zunächst mit der Snack-Gurke „Get One“. Die Aromapacks, sogenannte Pouches, geben uns ebenso ein modernes Image, vor allem im Obstbereich.

Unternehmeredition: Mit welchen Maßnahmen machen Sie auf sich aufmerksam?
Seidel: Ein Beispiel: Vor einigen Jahren sind wir eine Kooperation mit den Produzenten des Films „Good Bye, Lenin“ eingegangen, wo das Verlangen nach Spreewälder Gurken eine Episode im Film darstellt. Wir haben mit der „Get One“ die Gurke zum Film produziert. Der Film wurde ein Kassenschlager, der die Bekanntheit der Spreewälder Gurken in ganz Deutschland verstärkt hat.

Unternehmeredition: Welche Trends sehen Sie für Ihr Unternehmen im Handelsgeschäft mit Markenartikeln?
Seidel: Seit einiger Zeit heben Studien eine zunehmende Verbrauchernachfrage nach Lebensmitteln mit regionaler Herkunft hervor. Vor dem Hintergrund des wachsenden Wettbewerbs im Handel bieten sich für regionale Produzenten mit traditioneller Herkunft zunehmende Absatzchancen. Wir kennzeichnen unsere Gurken mit dem Spreewald-Qualitätssiegel und der EU-geschützten geografischen Herkunftsangabe, um die die Region lange gekämpft hat. So erhält der Verbraucher das notwendige Vertrauen. Damit und mit dem Kurs der Markenverjüngung haben wir unser Unternehmen gut für die Zukunft aufgestellt.

Unternehmeredition: Frau Seidel, vielen Dank für das Gespräch.

Torsten Holler
redaktion@unternehmeredition.de

Kurzprofil: Spreewaldkonserve Golßen GmbH
Gründungsjahr: 1946
Branche: Ernährungswirtschaft
Unternehmenssitz: Golßen/Land Brandenburg
Mitarbeiter: 160
Umsatz 2011: 92,5 Mio. EUR
Internet: www.spreewaldhof.de

Autorenprofil

Torsten Holler ist Gastautor.

Vorheriger ArtikelWo Bedarf herrscht, steigt das Angebot
Nächster ArtikelMezzanine für neue ökologische Produkte