Mächtig Druck im Qualitätstopf

Luxuriöse Autos mit viel Platz und innovativen Motoren, Hochgeschwindigkeitszüge, deutsche Ingenieurskunst – das sind für Chinesen wahre Statussymbole. Denn sie sind „Made in Germany“. Aber Kochtöpfe? „Ja, auf alle Fälle“, bestätigt ein Sprecher der Frankfurter Flughafengesellschaft Fraport. Checkten chinesische Touristen für den Heimflug ein, dann piepste während der automatischen Sicherheitskontrolle im Keller des Flughafens auffällig oft der Metalldetektor. Die Security-Fachkräfte, die sämtliche Koffertypen mittels Spezialschlüssel zu öffnen im Stande sind, entdeckten dann fast immer Töpfe eines Idar-Obersteiner Herstellers: Fissler. Kein Problem, das Kochgerät darf dann in den Flieger geladen werden. Die Touristen bekommen davon gar nichts mit.

Beliebt bei Chinesen

In China ist es üblich, nach einer Auslandsreise hochwertige Geschenke für die Familie und Freunde mitzubringen. Da passt der Vitavit Edition, bei vielen Asiaten beliebt, gerade so in den Koffer – das Topmodell im Schnellkochtopf-Angebot von Fissler. Es bietet drei Arten des Garens: Die Schonstufe wählt man für empfindliche Zutaten wie Fisch, die Schnellstufe für Suppen und Braten. Der elektronische Timer Vitacontrol, der am Ventil befestigt wird, zeigt mit optischen und akustischen Signalen, wann die richtige Gartemperatur erreicht ist, informiert über die Kochzeit und darüber, wann das Gericht fertig ist. So ein Vitavit Edition kostet in Deutschland etwas mehr als 200 EUR und in China 6.000 CNY, also etwa 600 EUR. Das lohnt sich für die Chinesen. Für Fissler in Asien auch.

Hochpreisstrategie besonders in Asien erfolgreich

Dass Fissler erfolgreich diese Hochpreisstrategie fahren kann, ist ein Verdienst von Markus H. Kepka (50), der seit Januar 2010 Sprecher der Geschäftsführung der Fissler GmbH in Idar-Oberstein ist. Er sorgt dafür, dass der Umsatzanteil im Exportgeschäft weiter steigt – und den Trend der letzten Jahre fortführt. Vom Gesamtumsatz wurden im zuletzt veröffentlichten Geschäftsjahr 2011 genau 31% im Heimatmarkt (2010: 34%) und 69% im Ausland (2010: 66%) erzielt. Der Umsatz aller ausländischen Gesellschaften steigerte sich um über 12%, wobei die Landesgesellschaften in Korea, China und Japan nach wie vor die Wachstumsspitze stellen. Asien ist damit zum wiederholten Male stärkste Wachstumsregion mit einem Plus von über 14%.

Innovation in der Küche: 1953 entwickelte Fissler den Schnellkochtopf mit mehrstufigem Kochventil. Bild: Fissler GmbH

Wo Luxuslabels verkauft werden, ist auch eine Fissler-Kochboutique
Wichtig in China ist es, am richtigen Platz präsent zu sein. Statt aufwändige Standortanalysen zu betreiben, bedient sich Kepka für seine Wachstumsstrategie eines einfachen Kniffs. Er lässt Immobilien in der Nähe bekannter Mode- und Kosmetikmarken wie Chanel und Lancôme anmieten. Fissler präsentiert sich als Lifestylemarke. Deshalb muss das Unternehmen den Kunden in China weit mehr bieten als den deutschen Käufern: So sind vier Fissler-Angestellte ausschließlich damit beschäftigt, Kunden innerhalb einer Woche nach dem Kauf eines Produkts anzurufen und sie nach ihrer Zufriedenheit zu befragen. Wer Probleme mit den Pfannen und Töpfen hat, bekommt auf Wunsch im eigenen Haus eine persönliche Einführung in die Kochkunst mit den Geräten. In den Fissler-Shops kümmern sich immer vier Beraterinnen um die meist weiblichen Kunden und führen von morgens bis abends richtiges Kochen vor. Auch die Verpackung muss premium sein, deshalb werden die Töpfe in Asien noch einmal komplett neu verpackt, von Hand. Statt im bedruckten Karton erhält die asiatische Topfkäuferin ihr Gerät in schwarz lackierter Folie, verschnürt mit einer silbern glänzenden Banderole. Und was Fissler in China verkauft, muss unbedingt in Deutschland hergestellt worden sein. In den chinesischen Edel-Einkaufszentren gehen nur Töpfe und Pfannen aus Rheinland-Pfalz über den Ladentisch, ein weiterer Kern der Vermarktung. Idar-Oberstein mag hochnäsigen Deutschen ein bisschen nach Provinz anmuten. Für Chinesen ist die Stadt, in der es eine eigene Edelsteinbörse gibt, ein Qualitätssiegel und schafft Vertrauen. Chinesen vertrauten Chinesen nicht, ist eine Erkenntnis Kepkas, der zwei Jahre für Leifheit in Singapur gearbeitet hat und so die Vorliebe der Asiaten für deutsche Waren erklärt.

Kepka: Der Manager mit der interkulturellen Kompetenz

„Jede Auslandserfahrung lehrt die Fähigkeit, internationale Organisationen zu führen“, sagt Kepka gegenüber der Unternehmeredition. Außerhalb Deutschlands gearbeitet zu haben schule auch den Blick für unterschiedliche Märkte, in denen Kunden Anderes erwarteten und Mitarbeiter unterschiedlichster Kulturen verbunden seien. „Es gibt keinen einheitlichen asiatischen Markt“, sagt Kepka. So habe Fissler seine Reiskocher für den chinesischen und koreanischen Markt technisch anders ausgerüstet: weil die Menschen in diesen Ländern Reis gerne verschieden lang garen und dies auch schmecken. In westlichen Gefilden ist das vielleicht vergleichbar mit Steaks. Rare, medium rare, medium, well done – immer schmeckt das Rinderfilet anders.

Der Henkelmann – eine Fissler-Erfindung
Das deutsche Familienunternehmen Fissler wurde 1845 von Carl Philipp Fissler in Idar-Oberstein gegründet. Er baute Wetterhähne und Dachrinnen. Zwanzig Jahre später übernahm Sohn Carl-Rudolf den väterlichen Handwerksbetrieb, den er schon bald zu einer Metallwarenfabrik mit maschineller Fertigung umstrukturierte. Die Fertigung von Gefäßen begann: Wasserbecher, Kannen und Krüge. Carl-Rudolf beliefert das Heer im deutsch-französischen Krieg 1870/71 mit Trinkbechern und erfindet den „Henkelmann“. Das doppelwandige Isoliergefäß, das die Speisen länger warm hält, wussten besonders die bäuchlings arbeitenden Edelsteinschleifer der Region Idar-Oberstein zu schätzen. Dem ersten Kontakt mit dem Thema Kochen folgte 1892 die Erfindung der fahrbaren Feldküche – der Gulaschkanone. Der Ruf des Kochgeschirrherstellers aus der Pfalz ist seitdem in aller Munde – bis heute, buchstäblich. Heute trägt Fissler das Gütesiegel „TOP 100“ und gehört damit zu den innovativsten Unternehmen im deutschen Mittelstand.

AMC wird als Direktvertriebsmarke streng getrennt
Aus der Familie wacht über das Unternehmen in sechster Generation Aufsichtsratsvorsitzende Friederike Fissler-Pechtl. In Personalunion ist sie auch Verwaltungsratspräsidentin der Schweizer AMC International Alfa Metalcraft Corporation AG. Die AMC-Gruppe verschickt vom schweizerischen Rotkreuz aus weltweit mehr als 12.400 Vertriebsmitarbeiter von Haustür zu Haustür. Im Direktvertrieb, dem System von Avon oder Tupperware ähnlich, verkauft AMC Topfsysteme im heimischen Wohnzimmer des Kunden. Sie sind noch einmal wesentlich teurer als die von Fissler. Fissler vertraut im Vertrieb von Pfannen und Töpfen auf den Fachhandel – deswegen führt die Familie Fissler AMC und Fissler streng voneinander getrennt. Nur für einige wenige Bauteile fungiert Fissler als Lieferant. AMC lässt auch an anderen Orten fertigen. Auf die hohe Qualität lässt der Fissler-Boss nichts kommen. „Der Topfboden wird mit 3.000 Tonnen Druck gepresst. Das ist ein Turm von 3.000 VW Golfs, der auf jeden unserer Böden schlägt“, sagt Kepka stolz.

Am Steuer einer Cessna hat er Glücksgefühle
Als Hobbykoch kennt er seine Produkte und bereitet seinen Freunden, die er sich aus Kindertagen bewahrt hat, Rinderroulade, Risotto oder Hähnchenfilet – selbstverständlich im Schnellkochtopf. Seine langjährige Lebensgefährtin, eine Graphikerin, weiß das zu schätzen. Der begeisterte Hobbypilot steigt dann und wann, „aber nur bei Königswetter“, in eine Cessna seines Flieger-Clubs. Erst unlängst musste
er von Idar-Oberstein über Regensburg nach Wien – an einem Tag. Das hat er nur am Steuerknüppel einer Einmotorigen schaffen können, freilich begleitet von einem Fluglehrer mit Instrumentenfluglizenz, die Kepka nicht hat. Denn da hat er die gleiche Philosophie wie beim Führen von Fissler: Unnötige Risiken sollte man meiden.

Thomas Grether
redaktion@unternehmeredition.de

Kurzprofil: Fissler GmbH
Unternehmenssitz: Idar-Oberstein (Rheinland-Pfalz)
Gründungsjahr: 1845
Umsatz 2011: 189 Mio. EUR
Mitarbeiter: 772
Internet: www.fissler.de

Autorenprofil

Thomas Grether ist Gastautor.

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