Stiftung, fertig, los?

Wer den Gedanken trägt, sich als Stifter zu engagieren, kann durch die Vielzahl der Möglichkeiten leicht verunsichert werden: Die gesellschaftlichen Herausforderungen sind zahlreich und die Formen, sich einzubringen, kaum überschaubar. Um einen konkreten Weg für das eigene Engagement zu finden, empfiehlt es sich, Fragen nach Rechtsform, Satzung und Organisation zunächst hintanzustellen und auf die eigenen Motive und Ziele zu schauen.

Die Voraussetzungen und Beweggründe für ein Engagement als Stifter sind sehr individuell. Ein abstrakter und linearer „Leitfaden“ hilft deswegen nicht weiter. Den Weg zur individuellen Stiftungsidee gibt es nicht – es gibt viele Wege.

Und trotzdem: Eine systematische Anleitung zur Grundlegung des eigenen Stiftungsvorhabens kann hilfreich sein. Und zwar nicht nur für den, der sich noch unsicher über das Ziel seines Engagements ist. Sondern auch für den, der schon konkrete Vorstellungen hat.

Denn oft wird die Aufmerksamkeit angehender Stifter zu früh auf Fragen etwa nach der Rechtsform, Satzung oder Organisation einer Stiftung gelenkt. Auch Beratungsangebote haben hier oft ihren Schwerpunkt. Dennoch verdient gerade die grundlegende Ausrichtung des Engagements genügend Aufmerksamkeit. Denn sie ist entscheidend für die Wirkung und Nachhaltigkeit des Engagements, für die Akzeptanz im eigenen Umfeld, für die eigene Zufriedenheit.

Wie kann ich nun aber vorgehen, wenn ich mich dem eigenen Stifteranliegen systematisch nähern möchte? Oder wenn ich ein Vorhaben darauf überprüfen möchte, ob es wirklich „meins“ sein wird? Eine gute Möglichkeit ist es, aus mehreren Richtungen auf das Ziel zuzugehen (siehe Abbildung). Aus jedem dieser Blickwinkel können konkrete Anhaltspunkte für die Ausgestaltung des eigenen Engagements auftauchen.

Stifterisches Engagement besteht aus vielen Komponenten. Quelle: Eigene Darstellung

Werte sind sicher der wichtigste Zugang zum eigenen Stiftervorhaben. Wer von hier aus konkrete Anhaltspunkte für sein Engagement finden möchte, dem hilft vor allem ein Blick, der die Dimension der Werte und Ideale mit der konkreten Lebenserfahrung verbindet: Welche Menschen und Vorbilder haben meine Wertvorstellungen geprägt? Wie beeinflussen meine Ideale die Art, wie ich lebe? Was bewegt mich wirklich, wenn ich Nachrichten höre und Zeitungen lese? Ein sehr anregender Ansatz ist es auch, auf Erlebnisse hoher Selbstwirksamkeit zu schauen: Wo habe ich mich als besonders produktiv und in Übereinstimmung mit mir selbst gefühlt? Welche Werte und Fähigkeiten waren dabei bestimmend?

Die zuletzt genannte Frage leitet bereits zu dem zweiten Zugang über, nämlich dem Blick auf die Ressourcen, die für das Stiftungsvorhaben eingesetzt werden sollen. Auch dieser Blick kann sehr konkrete Aufschlüsse zu dem „passenden“ Stiftungsvorhaben geben. Geht es nur um meine eigenen Ressourcen oder auch die meiner Familie, meines Unternehmens? Welche Kompetenzen, welche Netzwerke sollen eingebracht werden? Wo könnten diese Ressourcen wirkungsvoll eingesetzt werden?

Ganz wesentliche Eckpunkte für das eigene Engagement ergeben sich dann natürlich aus der näheren Beschäftigung mit einzelnen Themen und Förderbereichen. Welche Herausforderungen gibt es, welche Wirkungsmechanismen sind bekannt, welche Lösungen sind besonders vielversprechend? Fachlektüre, Gespräche mit Experten und anderen Gebern oder Projektbesuche helfen bei der Konkretisierung der eigenen Vorstellungen.

In jedem gesellschaftlichen Handlungsfeld gibt es unterschiedliche Ansätze, um Veränderungen zu erzielen. Die Annäherung an das eigene Projekt ist daher auch über die Frage möglich, welcher Handlungsansatz mir besonders naheliegt. Möchte ich Hilfe in Notlagen leisten oder lieber präventiv tätig sein? Sind mir Innovationen wichtig oder die Verbreitung bewährter Lösungen? Begeistert mich die Erforschung von Ursachen, die politische Bewusstseinsbildung oder die Vernetzung und Bündelung von Angeboten?

Schließlich gibt es situative Aspekte des Engagements, die sich aus konkreten Lebensumständen ergeben. Auf sie soll hier mit dem Stichwort Konstellationen hingewiesen werden. Vielleicht engagiere ich mich an einem Ort, der mir einfach zufällig näher ist als andere. Vielleicht ist mir die Zusammenarbeit mit einer ganz bestimmten Gruppe engagierter Menschen wichtig. Wenn ich mich im Ausland engagiere, dann wähle ich vielleicht ein Land, das ich bereisen kann und dessen Sprache ich spreche.

Die Zugänge, die hier angedeutet wurden, können ganz unterschiedlich aufgegriffen werden: Etwa als Leitfaden für eine Selbstbefragung, als Ausgangspunkt für Gespräche oder auch als Themen in einem professionellen Beratungsprozess. Vielleicht entsteht auch der Wunsch, einmal Familie und Freunde für ein Wochenende zu sich einzuladen, um über die Zukunft des eigenen Engagements zu debattieren.

Ganz gleich, wie die Zugänge genutzt werden, in jedem Fall kann sich damit die Stiftungsidee vertiefen und bereits das erlebbar werden, was auch für die spätere Umsetzung gilt: Dass sich durch das Engagement ein neuer Raum von Erfahrungen und Lebendigkeit öffnen kann.


Linkliste: Hilfe auf dem Weg zum eigenen Engagement

Anregende Informationen, Fragebögen und Arbeitsblätter bietet der Ratgeber „Besser Spenden! Ein Leitfaden für nachhaltiges Engagement“ von Ise Bosch.
www.besser-spenden.de

Ratgeber, Analysen zu einzelnen Themenfeldern und Projektbeispiele werden regelmäßig von Phineo veröffentlicht, einem gemeinnützigen Analyse- und Beratungshaus für wirkungsvolles gesellschaftliches Engagement.
www.phineo.org

Stifterbeispiele und Wegweiser für die Bereiche Kinder- und Jugendhilfe, Umwelt und Hospiz sowie Unterstützung beim Engagement im Ausland stellt die Stiftung Stifter für Stifter zur Verfügung.
www.stifter-fuer-stifter.de

Möglichkeiten einer Weiterbildung speziell zu Fragen des philanthropischen Engagements sind etwa das Philanthropy Quest Program, www.activephilanthropy.org,
oder die Ausbildung zum Engagement-Berater, www.fundraising-akademie.de.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der Sonderausgabe “Familienunternehmen & Stiftung” des Magazins Die Stiftung, einer Schwesterpublikation der Unternehmeredition.

Autorenprofil

Rechtsanwalt Michael Busch ist als Leiter des Frankfurter Büros von Stiftungszentrum.de beratend für Stifter, Förderer, Vermögensberater und gemeinnützige Organisationen tätig. Er ist darüber hinaus Studienleiter der Ausbildung zum Engagement-Berater, deren nächster Kurs im Dezember startet. www.stiftungszentrum.de

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