„Ich gehe mit offenen Augen durch die Welt“

 

Die Wurzeln von Geobra Brandstätter gehen auf einen Hersteller von Schatullenbeschlägen zurück, der 1876 von Andreas Brandstätter gegründet wurde. Der entscheidende Durchbruch kam 1974 mit der Markteinführung von Playmobil, die das Unternehmen im fränkischen Zirndorf auf einen in der deutschen Spielwarenbranche bisher einmaligen Erfolgskurs führte. Im Interview spricht Alleininhaber Horst Brandstätter über die Erfolgsstory hinter Playmobil, die Idee zu Lechuza und seine Internationalisierungsstrategie.

Unternehmeredition: Herr Brandstätter, was bedeutet es für Sie, Familienunternehmer zu sein?

Brandstätter:
Es gibt wesentliche Unterschiede zwischen Familienunternehmen und Aktiengesellschaften. Der Manager einer AG ist nicht der Eigentümer des Unternehmens, er ist gewählt für eine bestimmte Zeit und konzentriert sich auf Erfolge in diesem Zeitraum. Der Familienunternehmer dagegen ist langfristig ausgerichtet – mich interessiert, was in 50 Jahren ist. Ich will, dass Kinder auch in weiter Zukunft positive Spieleffekte mit Playmobil erleben. Ich bin mit meinen 78 Jahren noch immer für das Unternehmen tätig – solange noch, wie es sinnvoll möglich ist. Mir ist es wichtig, das Unternehmen zu erhalten. Ich habe die personellen Weichen für die Nachfolge gestellt und eine Stiftung eingerichtet.
Unternehmeredition: Wie ist die Idee zu Playmobil entstanden?

Brandstätter:
Als ich 1952 mit 19 Jahren in die Firma kam, gab es Spielzeugtelefone und -registrierkassen sowie Zubehör für Kaufladen aus Holz und Metall. Wir machten zwar ordentliches Spielzeug, aber der Druck war groß: Die Produktion war veraltet, das Sortiment sehr überschaubar, der Handel fragte stets nach neuen Produkten, und wir wurden oft in Europa und Asien zu niedrigeren Preisen kopiert. Ich erkannte, dass wir so nicht weiterkommen. Es hat einige Jahre gedauert, das zu modernisieren. Ich habe auch den Übergang zu Kunststoffspielzeug beeinflusst, da ich zuvor eine Lehre zum Formenbauer für Kunststoffteile gemacht hatte. Anfang der 70er Jahre habe ich die gesamte Produktpalette auf den Prüfstand gestellt. Zusammen mit meinem Entwickler Herrn Beck haben wir nach einem erweiterungsfähigen Systemspielzeug gesucht und schließlich Playmobil erfunden – ein System mit der Figur als Mittelpunkt. Er hat die Bedürfnisse der Kinder verstanden und mit den Möglichkeiten des Kunststoffs verbunden.
Unternehmeredition: Welche Herausforderungen stellten sich Ihnen in der Anfangsphase?

Brandstätter:
Von dem neuen Produkt mussten wir zunächst die Einzelhändler überzeugen. Die Figur zeigte erst in Kinderhand, was sie kann, und nach den ersten Käufen verlangten die Kinder nach mehr. Die Umsatzentwicklung verlief anfangs nicht sprunghaft, sondern schrittweise. Dennoch ist es gelungen, das Unternehmen von damals ca. 20 Mio. DM Umsatz innerhalb von nur drei Jahren in eine Umsatzgröße von über 100 Mio. DM zu führen. Als der Konkurrent Play Big mit seinen Figuren auf den Markt kam, dachten viele, es geht mit Playmobil zu Ende. Aber eines Tages waren sie verschwunden. Mit jedem Jahr, in dem wir das Sortiment um Neuheiten vergrößert haben, wurde es für Nachahmer schwieriger. Playmobil hat sich durchgesetzt – hoffen wir, dass es dabei bleibt. Heute erwirtschaften wir einen Umsatz von gut 500 Mio. Euro mit international über 3.000 Mitarbeitern und sind seit langem Deutschlands umsatzstärkster Spielwarenhersteller.
Unternehmeredition: Welche Strategie verfolgen Sie bei der Expansionsfinanzierung?

Brandstätter:
Wir hatten ein sehr stetiges und kein explosives Wachstum, das habe ich ganz bewusst so gesteuert. Denn mit dieser Entwicklung war auch eine Finanzierung aus eigenen Mitteln möglich. Außerdem gab es bisher keine betriebsbedingten Kündigungen, und das können nicht viele Firmen von sich sagen. Wir haben in jedem Jahr unsere Belegschaft vergrößert. Vor Playmobil war das anders, wir hatten damals einige Millionen Mark Kredite und die Bank hatte uns das Vertrauen entzogen. Gott sei Dank musste ich seitdem keine Bank mehr um einen Kredit bitten.
Unternehmeredition: Wie kamen Sie auf die Idee, im Jahr 2000 mit der Marke Lechuza – hochwertige Pflanzbehälter aus Kunststoff mit Erdbewässerungssystem – ein zweites Standbein aufzubauen?

Brandstätter:
Ich gehe mit offenen Augen durch die Welt und nehme Anregungen auf, die für mein Unternehmen wichtig sein könnten. Ich frage mich stets, was nicht perfekt ist oder was man noch besser machen kann. Manches haben wir probiert, nicht alles hat funktioniert. Lechuza hat gut funktioniert. Auf die Idee kam ich in den USA, als ich einen Pflanzbehälter zur Selbstbewässerung gekauft habe, der aber nicht funktioniert hat. Da habe ich mir Gedanken gemacht, wie man das verbessern kann, und so ist Lechuza entstanden. 2010 ist der Umsatz um 24% auf 40,5 Mio. Euro gestiegen, wir exportieren in 65 Länder. Um ein stabiles zweites Standbein zu werden, muss Lechuza noch weiter wachsen. Der Markt ist riesig, und da ist noch einiges für uns drin.
Unternehmeredition: Sie setzen auf den Standort Deutschland und fahren gleichzeitig eine erfolgreiche Internationalisierungsstrategie. Wie ist es Ihnen gelungen, die richtige Balance zu finden, wie ist die globale Arbeitsteilung?

Brandstätter:
Ich bin sehr mit der Produktion verbunden – das geht nicht, wenn sie weit weg ist. Unsere Firmenzentrale sitzt im fränkischen Zirndorf bei Nürnberg, neben dem Playmobil-FunPark. Das Herzstück unserer Produktion ist im 20 km entfernten Dietenhofen – die größte Fertigungs- und Versandstätte für Spielzeug in Deutschland. Hier werden ca. 60% des Playmobil- (alles außer den Figuren) und 100% des Lechuza-Fertigungsvolumens bewältigt. Außerdem versenden wir weltweit pro Jahr ca. 48 Mio. Playmobil-Packungen. Im nahen Dietenhofen haben wir unsere Produktion im Blick und können schnell auf Fehler reagieren. Durch die Automatisierung ist es uns gelungen, konkurrenzfähig zu sein. Der Produktionsstandort Malta ist aufgrund niedrigerer Löhne bereits vor Playmobil entstanden. Heute ist unser hochmodernes Werk in Malta Exklusivfertiger aller Playmobil-Figuren. Die Produktionskosten sind dort heute nicht mehr so günstig, aber Malta ist inzwischen so gut, dass wir es hier nicht besser machen könnten. Wir haben auch im nahen Tschechien eine Firma aufgebaut, wegen günstiger Löhne. Wir schicken per LKW dreimal am Tag Teile von hier in den Montagebetrieb in Cheb, der diese in Vorbeutel sortiert, Baugruppen fertigt, und zurück in Dietenhofen werden diese in Schachteln verpackt und weltweit versandt. Mit diesem integrierten System ist es möglich, auf China zu verzichten.
Unternehmeredition: Welche Erfolgsrezepte können Sie anderen Unternehmern empfehlen?

Brandstätter:
Man muss alle Möglichkeiten nutzen, um die Fähigkeiten der eigenen Mitarbeiter zu erkennen. Bestehende Mitarbeiter aufzubauen ist der bessere Weg als neue Führungskräfte einzustellen. Dabei lege ich mehr Wert auf gesunden Menschenverstand, den ich persönlich bei meinen „Hob-Quiz-Fragen“ teste, als auf 1er Examen. Ich bin kein gelernter Betriebswirt und will es auch gar nicht sein – ich habe immer versucht, die Bürokratie außen vor zu lassen. Ich habe immer meinen Verstand benutzt, um die Dinge so einzurichten, wie ich sie für sinnvoll halte.

Unternehmeredition: Herr Brandstätter, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Markus Hofelich.
markus.hofelich@unternehmeredition.de


Zur Person:
Horst Brandstätter
Horst Brandstätter ist Alleininhaber der Geobra Brandstätter GmbH & Co. KG. Das Unternehmen mit Sitz in Zirndorf bei Nürnberg erwirtschaftete 2010 einen weltweiten Playmobil-Umsatz von 507 Mio. Euro, insgesamt erreichten die Erlöse der Brandstätter-Gruppe 559 Mio. Euro (www.playmobil.de).

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