“Für den Mittelstand wird es nicht zu einer Kreditklemme kommen” (Ausgabe 1/2008)

Interview mit Markus Beumer, Vorstand Corporate Banking, Commerzbank AGDie Turbulenzen an den Finanzmärkten haben zahlreiche Banken schwer getroffen.
Die Turbulenzen an den Finanzmärkten haben zahlreiche Banken schwer getroffen. Commerzbank-Vorstand Markus Beumer spricht im Interview über die Auswirkungen der Krise auf die Commerzbank, die Unternehmensfinanzierung sowie die aktuelle Strategie im Mittelstandsgeschäft.
Unternehmeredition: Herr Beumer, welche Auswirkungen haben die von der US-amerikanischen Subprimekrise ausgelösten Turbulenzen an den Finanzmärkten auf die Mittelstandsfinanzierung in Deutschland?
Beumer: Der Mittelstand braucht sich keine Sorgen zu machen. Natürlich ist es richtig, dass Liquidität knapp geworden ist. Schauen Sie sich nur den Markt für Commercial Papers an, also der Kredite, die Banken zur Finanzierung im Dreimonatsbereich aufnehmen: Dieser Markt, der ein Volumen von weit über 1.000 Mrd. Euro hat, ist de facto ausgetrocknet. Jetzt müssen sich die Banken dieses Geld anderweitig beschaffen. Darauf haben auch die Notenbanken reagiert und mit mehreren international abgestimmten Aktionen für eine deutliche Entspannung gesorgt. Auch wenn das vielleicht noch nicht die letzten Interventionen gewesen sind: Für den Mittelstand wird es nicht zu einer Kreditklemme kommen. Die Commerzbank ist nach wie vor ein verlässlicher Partner: Wir sind bereit und in der Lage, dem Mittelstand jederzeit ausreichend Liquidität zu fairen und marktgerechten Preisen zur Verfügung zu stellen.
Unternehmeredition: Werden die Banken die Kreditvergabe an mittelständische Firmen wieder stärker einschränken? Werden sich die Kredite verteuern? Welche aktuellen Tendenzen gibt es bei der Verbriefung von Mittelstandskrediten in Deutschland?
Beumer: Was andere Banken machen, das kann ich natürlich nicht sagen. Für die Commerzbank gilt jedenfalls nach wie vor, dass Kredit unser Kerngeschäft ist. Entgegen dem Markttrend haben wir unsere Ausleihungen an den Mittelstand im letzten Jahr kräftig um 12% ausgeweitet. Der Schwerpunkt der Expansion lag dabei im zweiten Halbjahr – von Einschränkungen also keine Spur! Allerdings erfordert die derzeitige Situation am Kapitalmarkt eine Anpassung der Preise, da sich für uns die Refinanzierung verteuert hat. Wir sprechen aber nur von 0,25 bis 0,5 Prozentpunkten, das ist durchaus zu verkraften, und unsere Kunden haben auch Verständnis dafür. Was die Verbriefung von Mittelstandskrediten angeht, so haben Kredit- und Kapitalmarkt innerhalb der Unternehmensfinanzierung noch mehr zusammen gefunden, zunehmend auch im Mittelstand. Kreditverbriefungen als “True Sale” haben wir übrigens bis dato nur in sehr wenigen Einzelfällen durchgeführt. Es ist aber auch im Interesse des Mittelstandes, seine Finanzierungsquellen weiter zu diversifizieren. Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde unser “Schuldscheindarlehen für den Mittelstand” zu einer Erfolgsgeschichte. Ein Kapitalmarktprodukt in einer kleinen Stückelung von 250.000 Euro – damit haben wir genau auf die Bedürfnisse mittelständischer Unternehmen reagiert. Solche Lösungen finden Kunden enorm attraktiv.
Unternehmeredition: Welche Auswirkungen ergeben sich auf alternative Finanzierungsinstrumente zum Bankkredit wie Private Equity oder Mezzanine?
Beumer: Das kommt darauf an, wie Sie damit umgehen. Wir haben stets betont, dass es bei der Entwicklung von Finanzierungskonzepten keine Patentlösungen gibt, sondern immer die individuellen Gegebenheiten ausschlaggebend sind. Deshalb haben wir z. B. Mezzanine-Finanzierungen nicht extensiv vertrieben, sondern gezielt dort eingesetzt, wo es wirklich passte – und das war gut so. Auch beim Stichwort “Private Equity” geht es uns nicht um eine beliebige Alternative oder Ergänzung zum klassischen Kredit, sondern um eine spezifische Lösung für besondere Bedarfssituationen: Wir haben mit unserer Partnergesellschaft Pinova Capital im Januar einen Private Equity-Fonds aufgelegt, der – und das ist ein wichtiger Punkt – auch Minderheitsbeteiligungen bietet. Damit möchten wir vor allem für die Finanzierung von Unternehmensnachfolgen neue Möglichkeiten eröffnen. Das wird so aussehen, dass wir ganz individuell einen Mix aus Kredit, Mezzanine und Equity zusammenstellen.
Unternehmeredition: Wie haben sich die Folgen der Subprimekrise in Ihrer Bilanz niedergeschlagen? Wie hat sich die Commerzbank im Vergleich zum Wettbewerb geschlagen?
Beumer: Wir sind bekanntlich mit 1,2 Mrd. Euro im US-Subprime-Segment investiert. Wenn Sie das auf unsere Bilanzsumme von 600 Mrd. Euro beziehen, sind das 0,2%. Damit können wir gut umgehen. Auf dieses ursprüngliche Gesamtengagement haben wir insgesamt 583 Mio. Euro ergebniswirksam abgeschrieben. Das führte dazu, dass unser operatives Ergebnis im letzten Jahr zwar etwas geringer ausfiel als 2006 – aber mit 2,5 Mrd. Euro auf wirklich hohem Niveau. Viele andere Häuser sind da wesentlich stärker betroffen.
Unternehmeredition: Wie entwickelt sich Ihr Mittelstandsgeschäft, und welche Schwerpunkte setzen Sie dieses Jahr?
Beumer: Gerade erst haben unsere Zahlen gezeigt, dass wir im Mittelstandsgeschäft extrem erfolgreich sind. Daher werden wir ganz sicher keinen Strategiewechsel einleiten, sondern die Prozesse fortschreiben und optimieren, die uns so erfolgreich gemacht haben. Wir werden uns weiter neuen Markterfordernissen stellen und im Sinne des Kundeninteresses agieren. Nehmen Sie beispielsweise das hoch emotionale Thema des Verkaufsschutzes von Darlehen. Auch wenn wir als Commerzbank keinen Kreditverkauf – also True Sale – tätigen, stellen wir uns den vereinzelt aufkommenden Sorgen unserer Kunden. Daher werden wir in Kürze eine neue Kreditform einführen, die dem Kunden garantiert, dass sein Darlehen nicht verbrieft oder an Dritte weitergereicht wird. Außerdem bereiten wir die Einführung von Rating-abhängigen Krediten vor. Dabei bekommt der Kunde günstigere Konditionen, sobald sich sein Rating verbessert. Nicht zu vergessen die Internationalisierung: Asien und Osteuropa sind große Wachstumsmärkte. Wir werden unsere Kunden noch intensiver begleiten, wenn sie dorthin expandieren. Deshalb haben wir beispielsweise unser Osteuropa-Geschäft zum 1. April dieses Jahres in einer eigenen Holding gebündelt. Das macht uns schlagkräftiger, effizienter und flexibler bei der Unterstützung unserer Kunden.
Unternehmeredition: Herr Beumer, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Markus Hofelich.

Zur Person: Markus Beumer
Markus Beumer ist seit 1. Januar 2008 Vorstand der Commerzbank AG und übernahm von Martin Blessing, der den Vorstandsvorsitz übernahm, die Zuständigkeit für die Mittelstandsbank. Seit April 2006 war er Konzernleiter Corporate Banking. Mit einer Konzern-Bilanzsumme von 616 Mrd. Euro. und 36.000 Mitarbeitern 2007 ist die Commerzbank das zweitgrößte Kreditinstitut in Deutschland. www.commerzbank.de

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