Bekleidungskette trotzt Coronakrise

Liberty Fashion Holding GmbH nach Übernahme auf Wachstumskurs

Liberty Filiale im Leipziger Hauptbahnhof; Foto: Liberty Fashion GmbH

Mit der Unterstützung von VR Equitypartner erwirbt Peter Wolf in einem schwierigen Marktumfeld als alleiniger Gesellschafter sämtliche Anteile der Liberty Fashion Holding GmbH.  Die Zukunft von Liberty wird er nun als alleiniger Eigentümer planen und dem Management strategisch beratend zur Seite stehen. Dazu hat er die restlichen Anteile von seinen bisherigen Mitgesellschaftern übernommen.

Der Einzelhandel, und ganz besonders die Modebranche, durchlebt aktuell covidbedingt schwierige Zeiten. Die grassierende Pandemie hat viele namhafte Ketten in existentielle Schwierigkeiten gebracht. Auch die von der Bundesregierung Anfang letzten Jahres auf den Weg gebrachten Hilfen mit Steuergeld aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfond (WSF) halfen nur begrenzt weiter. Die Modekette Adler etwa erhielt 10 Mio. EUR aus dem WSF und musste Insolvenz anmelden. Der Schuhhändler Ludwig Görtz mit seinen 160 Filialen beantragte 28 Mio. EUR, die Bekleidungskette Orsay ebenso 33 Mio. EUR, rief die Hälfte der Gelder ab und musste dennoch im Dezember 2021 ebenfalls ins Insolvenzverfahren. Die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof rief dreistellige Millionenbeträge auf, zuletzt im Februar 2022 in Höhe von 220 Mio. EUR, um das Überleben zu sichern. Die Innenstädte in Deutschland veröden, restriktive Zugangsbeschränkungen für Kunden sorgen für Leere in den Fußgängerzonen.

Entwicklung gegen den Trend

Peter Michael Wolf; Foto: Liberty Fashion GmbH

„Sicherlich ist der Textilhandel – insbesondere im stationären Bereich – unter Druck, aber pauschal zu sagen, es geht allen schlecht, stimmt so nicht. Es gibt durchaus divergierende Entwicklungen in der Branche“, sagt der ehemalige Tchibo-Vorstand und Karstadt-CEO Peter Wolf. Liberty Fashion ist ein Beispiel dafür, dass es auch anders geht. Vor elf Jahren hat der heute 63-jährige Wolf mit der strategischen Beteiligungsgesellschaft Arcadia aus Hamburg und dem Geschäftsführer von Liberty Damenmoden, Peter Friedrich, die Liberty Fashion Holding GmbH gekauft, einen Modefilialisten im Bereich Damenoberbekleidung im gehobenen Mittelpreissegment. Die Boutiquen richten sich an Frauen zwischen 40 und 55 Jahren, die besonderen Wert auf eine individuelle Beratung legen. Die Filialen sind mit durchschnittlich 85 m² Verkaufsfläche relativ klein und in ganz Deutschland primär in Einkaufsstraßen mittelgroßer Städte vertreten. „Auskömmliche Mietvereinbarungen, eine sehr loyale Kundenstruktur und die Tatsache, dass wir nahezu das gesamte Sortiment  in Europa beziehen, haben uns wesentlich über die Pandemie, aber auch über die bestehenden Lieferkettenengpässe hinweggeholfen. Wir mussten zwar punktuell Kurzarbeit beantragen und mit den Vermietern angepasste Mietkonditionen verhandeln, doch insgesamt konnten wir die letzten beiden schwierigen Jahre selbstbestimmt überstehen.“

Seit der Akquisition der ersten Anteile Ende 2011 wurden die Modeboutiquen, die derzeit 114 Filialen umfassen, streng auf Effizienz getrimmt. „Im Einkauf haben wir einen Vorlauf von ca. sechs bis acht Wochen, bei zahlreichen Wettbewerbern sind es mindestens sechs Monate, da sie die Ware primär aus Asien beziehen. Viele Anbieter haben lediglich zwei Saisonschwerpunkte im Jahr, während Liberty etwa acht Saisonwechsel im Jahr hat. Durchschnittlich alle zwei Wochen bestellen wir nach, was zu einer niedrigen Abschriftenquote und einem kleinen Lagerbestand führt“, so Wolf. „Wir haben seit vielen Jahren feste Lieferanten und Produzenten, beispielsweise  in Italien, Griechenland, Türkei und Portugal. Etliche unserer Wettbewerber ordern über 90 Prozent ihres Sortiments in Asien mit den entsprechend langen Vorlaufzeiten und müssen aufgrund der Mindestmengen in den Produktionen mehr ordern, als sie eigentlich disponieren wollen.“

Liberty-Filiale im sächsischen Hoyerswerda; Foto: Liberty Fashion GmbH

All diese Faktoren führten dazu, dass Liberty Fashion sich in einem harten Wettbewerbsumfeld in den letzten Jahren gut behaupten konnte. Neben den Filialen wurde ab 2012 der E-Commerce-Bereich aufgebaut, allerdings bis vor circa drei Jahren nicht mit der notwendigen Konsequenz: „Gut ein Jahr vor Ausbruch der Pandemie haben wir den Onlineshop relauncht und in eine neue Wachstumsphase geführt, um langfristig ein relevanter Omnikanalanbieter im Markt zu werden. Durch das Zusammenwirken von Relaunch und covidbedingtem Rückenwind im E-Commerce haben wir derzeit einen Umsatzanteil von 14 Prozent – nach Retouren“, sagt Wolf. Denn es gilt zu berücksichtigen, dass im deutschen Textilhandel im Durchschnitt 50 Prozent der Ware retourniert werden. „Unsere Zielsetzung ist es, einen E-Commerce-Anteil von circa 20 bis 25 Prozent nach Retouren zu erreichen“, so Wolf.

In Zukunft will Liberty neben dem Onlinebereich auch stationär mit den Filialen nachhaltig weiterwachsen. „Zwischen sechs und acht Filialen pro Jahr sind denkbar, allerdings sind wir aufgrund der Gesamtsituation im Markt vorsichtig. Profitable Filialen zu betreiben ist eine komplexe Angelegenheit. Bereits eine schlecht performende Filiale kann das Ergebnis von drei bis fünf gutgehenden Filialen egalisieren“, erklärt Peter Wolf. Aufgrund des Wettbewerbsdrucks und der Covid-Situation prognostiziert er, dass im direkten Wettbewerbsumfeld 1 bis 1,5 Mrd. EUR Umsatz deutschlandweit verloren gehen werden. Bedingt auch durch eine jahrelange Überdistribution im Handel wird dies nach Einschätzung des Branchenkenners zu einer signifikanten Branchenbereinigung führen, denn „Deutschland zählt zu den Ländern mit der höchsten Verkaufsfläche pro Einwohner.“

Die nächste Wachstumsphase

Gemütliches Ambiente in der Liberty-Boutique; Foto: Liberty Fashion GmbH

Die Zukunft von Liberty wird er nun als alleiniger Eigentümer planen und dem Management strategisch beratend zur Seite stehen. Dazu hat er die restlichen Anteile von seinen bisherigen Mitgesellschaftern übernommen. Zur Finanzierung der Akquisition nutzte er ein Mezzanine-Angebot von VR Equitypartner: „Das grundsätzliche Problem ist, dass Banken den Blick nur auf die Gesamtbranche Textil richten und gerade in Krisenzeiten zyklisch agieren. So werden spezifische Geschäftsmodelle, die disruptiv für die Branche sind, von den Banken nicht ausreichend wahrgenommen. VR Equitypartner hingegen hat das Geschäftsmodell von Liberty über Jahre hinweg beobachtet, kennt seine Krisenfestigkeit und hat sich daher gerne mit Mezzanine engagiert“, sagt Wolf. „Wir arbeiten mit Liberty profitabel und seit der Akquisition vor elf Jahren mit Arcadia haben wir die Betriebsmittellinie nicht in Anspruch nehmen müssen.“ Das sind trotz der schwierigen Rahmenbedingungen im Markt gute Voraussetzungen, das Unternehmen voranzubringen und erfolgreich in die nächste Generation zu führen. Zu den in die Transaktion eingebundenen Beratungshäusern zählt u.a. auch Proventis Partners.

redaktion@unternehmeredition.de


„Für die  nächsten Jahre gut aufgestellt“

Interview mit Christian Futterlieb, Geschäftsführer, VR Equitypartner GmbH

Unternehmeredition: Was hat sie bewogen, sich im Rahmen einer stillen Beteiligung in Form von Mezzanine bei Liberty Fashion zu engagieren?

Christian Futterlieb; Foto: VR Equitypartner GmbH

Christian Futterlieb: Wir kennen das Unternehmen schon lange durch Peter Wolf, der beratend als Retailexperte im Beirat der VR Equitypartner tätig ist und mit dem wir seit vielen Jahren intensiv zusammenarbeiten.  Uns hat beeindruckt, wie solide sich Liberty in einer Phase schwieriger Entwicklungen im Einzelhandel behauptet hat – und das schon vor der Coronakrise, die alles noch einmal verschärft hat. Als es nun durch die Auflösung der Arcadia für Peter Wolf die Gelegenheit gab, sämtliche Anteile zu erwerben und Liberty weiterzuentwickeln, haben wir ihn gerne dabei unterstützt.

Weshalb wurde Mezzanine ausgereicht, was ja eigentlich eine relativ teure Form der Kapitalaufnahme für ein Unternehmen ist?

Diese Art der Finanzierung bietet für Liberty Fashion gerade in diesen Zeiten der Onlinedisruption und der Konjunkturunsicherheiten mehrere Vorteile: Zum einem gilt Mezzanine als Eigenkapital, wir haben aber keine Gesellschafterrechte. Zudem bleiben die Assets des Unternehmens weiterhin unbesichert und damit verfügbar für weitere Liquidität. Auch Tilgungen gibt es hier nicht. Das Mezzanine-Kapital, welches wir im Regelfall sechs bis sieben Jahre zur Verfügung stellen, wird in seinen Zinszahlungen individuell ausgehandelt. Eine klassische Fremdfinanzierung über Banken hingegen bietet diese Vorteile nicht.

Wie sehen Sie die Zukunft von Liberty Fashion?

Das Geschäftsmodell von Liberty hat sich mit seiner nachhaltigen Ausrichtung als krisenfest erwiesen und deutliches Potenzial gezeigt.Gerade der Bereich Omnichannel bietet hohe Chancen. Hier sehen wir Liberty Fashion mit seiner soliden Aufstellung gut gerüstet, um die Wachstumsmöglichkeiten in den kommenden Jahren zu nutzen.

Vielen Dank für das Gespräch.


KURZPROFIL Liberty Fashion GmbH

Branche: Mode
Firmensitz: Lübbecke/Westfalen
Gründungsjahr: 1976
Mitarbeiter: 500
Umsatz 2021: rd. 48 Mio. EUR

www.liberty-woman.com

Autorenprofil
Torsten Holler

Der Wirtschaftsjournalist Torsten Holler schreibt seit 1987 regelmäßig für renommierte Wirtschaftsmedien über verschiedenste Themen.

Vorheriger ArtikelAndré Will-Laudien wird Head of Equity Markets bei Finanzierung.com
Nächster ArtikelVerschiedene Akquisitionen bei Aurelius