Günther Galfe, Schreiner ProSecure: Zunehmende Gefahr durch Produktpiraten (Ausgabe 4/2007)

Wirksame Abwehrmechanismen für HerstellerIn hoch entwickelten, exportorientierten Industrieländern wie Deutschland ist Innovation der Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit. Doch gerade erfolgreiche, innovative Unternehmen sehen sich heute einer neuen, rasant wachsenden Bedrohung ausgesetzt – der Produkt- und Markenpiraterie.
Von Günther Galfe, Geschäftsleiter, Schreiner ProSecure
In hoch entwickelten, exportorientierten Industrieländern wie Deutschland ist Innovation der Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit. Doch gerade erfolgreiche, innovative Unternehmen sehen sich heute einer neuen, rasant wachsenden Bedrohung ausgesetzt – der Produkt- und Markenpiraterie. Gefälschte Produkte, illegale Mehrproduktion oder die unrechtmäßige Verwendung des Markennamens führen zu Umsatz- und Ertragsverlusten, schädigen das Markenimage und ziehen ungerechtfertigte Produkthaftungsansprüche nach sich.
Folgerstrategie mit unfairen Mitteln
Betroffen von Produktpiraterie sind Konsum- und Investitionsgüter aller Branchen. Gefälscht wird, was hohe Margen und hohen Absatz verspricht. Beschlagnahmte der deutsche Zoll 2005 Waren im Wert von 213 Mio. Euro, so stieg dieser Wert 2006 auf 1,175 Mrd. Euro. In einer Studie des VDMA gaben zwei Drittel der befragten Unternehmen an, betroffen zu sein, und bezifferten den Umsatzausfall mit bis zu 20%. Produktpiraterie verursacht laut DIHK jährlich einen Verlust von 70.000 Arbeitsplätzen in Deutschland. Produktpiraten sind meist Firmen aus Niedriglohnländern, die sich bereits einiges Know-how angeeignet haben und unter Missachtung von Schutzrechten aggressiv nach Marktanteilen streben. Sie kopieren erfolgreiche Produkte und vermeiden so die Kosten und Risiken einer eigenen Entwicklung und Markteinführung. Mit den zusätzlichen Kostenvorteilen in der Produktion erzielen sie so trotz niedrigerer Preise höhere Margen als der Hersteller des Originals. Das Fehlen bzw. die Missachtung von Schutzrechten wird in manchen Ländern toleriert, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit voranzutreiben. Ziel ist letztlich, zum legitimen Wettbewerber auf dem Weltmarkt aufzusteigen.
Politik – von der Hinterbank zum Gipfelthema
Unter den negativen Auswirkungen leidet nicht nur die Industrie, sondern auch jede betroffene Regierung – durch den Verlust von Steuereinnahmen und Arbeitsplätzen. Außerdem werden zunehmend Schutzmaßnahmen für Verbraucher gefordert, die ihre Gesundheit gefährdet sehen. Der dringende Handlungsbedarf gegen Produktpiraterie ist mittlerweile in der Politik unstrittig und führt zu ersten konkreten Ergebnissen. In den USA und der EU entwickelt sich die Gesetzgebung dahin, dass Produkt­piraterie nicht nur zivilrechtlich, sondern auch strafrechtlich verfolgt werden kann mit Haftstrafen bis zu 5 Jahren in Deutschland. Um im Sinne dieser Gesetze und mit der nötigen Rechtssicherheit für den Beklagten handeln zu können, müssen Original und Fälschung für Zoll, Ermittlungsbehörden und Gerichten schnell und zweifelsfrei unterscheidbar sein. Eine zentrale Rolle wird deshalb technischen Lösungen zufallen, die diese Unterscheidung ermöglichen.
Handlungsfelder für Hersteller
Was kann man als Hersteller tun, um das Risiko minimieren, Opfer von Produktpiraterie zu werden? Ergreifen Sie alle Maßnahmen, die die wirtschaftliche Attraktivität für Produktpiraten mindern, d. h. im Nachbau von Produkten höhere Kosten verursachen, Aufwand und Risiko für deren Vermarktung erhöhen und dämpfend auf die Nachfrage einwirken.

  1. Nutzen Sie die rechtlichen Möglichkeiten, melden Sie Schutzrechte an, insbesondere Markenrechte, da sie einfacher und schneller durchzusetzen sind als Patentrechte. Zudem legen Patente Know-how offen. Nutzen Sie auch das Handelsrecht, um gegen unlauteren Wettbewerb vorzugehen.
  2. Beobachten Sie den Markt kontinuierlich und verfolgen Sie Verstöße konsequent, nur so treffen Sie den wirtschaftlichen Nerv der Produktpiraten. Spezialisierte Ermittler und Internetdetekteien können ihnen helfen, das Auftreten von Piraterieware frühzeitig zu erkennen. Auch der Zoll wird für Sie aktiv, wenn ein Beschlagnahmeantrag vorliegt.
  3. Bedenken Sie bereits im Produktentstehungsprozess, wie Sie sich vor Kopien schützen können, durch konstruktiv-technische Maßnahmen, Wahl der Einkaufsquellen und Kopplung mit Dienstleistungen.
  4. Sorgen Sie in Ihrer Firma für Geheimhaltung. Verteilen Sie ggf. die Produktion von Komponenten so, dass keiner ihrer Lieferanten Kenntnis über das Gesamtprodukt hat.
  5. Kennzeichnen Sie Produkte und Verpackungen mit einfach erkennbaren Sicherheitsmerkmalen und kommunizieren Sie diese. Integrieren Sie zusätzlich versteckte Merkmale für spezialisierte Ermittler und mindestens ein Merkmal, das vor Gericht einen eindeutigen Nachweis erlaubt. Ergänzen Sie diesen Schutz mit einer verschlüsselten Datenkennzeichnung, die Ihnen die Identifikation und das Tracing Ihrer Produkte in der Distributionskette erlaubt.
  6. Nutzen Sie Verbände, um mit anderen Herstellern Erfahrungen auszutauschen und Best Practices zur Abwehr von Produktpiraterie zu entwickeln und bringen Sie darüber die Problematik von Produktpiraterie ins öffentliche Bewusstsein.

Produktpiraterie ist eine ernstzunehmende Bedrohung, sie verlangt nach einer Antwort, die von Politik und Wirtschaft gleichermaßen getragen wird. Mit einem ganzheitlichen Ansatz zum Schutz der Produkte von ihrer Entstehung bis zu ihrer Vermarktung kann man sich der Bedrohung erfolgreich stellen.

Autorenprofil

Günther Galfe (galfe@schreiner-prosecure.de) ist Geschäftsleiter der Schreiner ProSecure, einem Geschäftsbereich der Schreiner Group GmbH & Co. KG, Oberschleißheim. Schreiner ProSecure entwickelt und produziert Sicherheitslösungen für den Produkt- und Markenschutz. www.schreiner-prosecure.de

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