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“Unser Vater ließ uns Fehler machen”

Mit insgesamt 600 Beschäftigten, von denen 238 am Heimatstandort arbeiten, produziert Meindl jährlich über eine Million Trekkingschuhe und liefert sie in die wichtigsten Outdoormärkte der Welt. Dabei setzt das Familienunternehmen vor allem auf kontinuierliches Wachstum und verbindet handwerkliche Qualität mit moderner Technik und Innovationskraft. Im Interview spricht Lukas Meindl, der gemeinsam mit seinem Bruder Lars die Geschäfte führt, über die Herausforderungen des Generationswechsels.

Unternehmeredition: Herr Meindl, Sie sind in den Bergen und mit der Firma Ihres Vaters aufgewachsen. War es da von vornherein klar, dass Sie und Ihr Bruder irgendwann an der Spitze des Unternehmens stehen würden?
Meindl: Wir spürten als Heranwachsende nie Druck, das Unternehmen weiterführen zu müssen. Aber ich hatte nach dem Abitur Lust darauf, in verschiedenen Firmen und Ländern das Handwerk des Schuhtechnikers – früher hat man das Schuhmacher genannt – zu lernen. Mein Bruder wiederum hat sich mehr für das Kaufmännische interessiert. Auf dieser Basis war es für uns beide dann eine Freude, in der Firma mitzumachen. Aber es war niemals eine Verpflichtung.

Unternehmeredition: Wie hat Ihr Vater Sie auf die Nachfolge vorbereitet?
Meindl: Der wichtigste Teil war die Phase, in der wir mit dem Vater zusammengearbeitet und gemeinsam mit ihm das Unternehmen geleitet haben. Wie er das getan hat, war schon eine besondere Leistung. Er hat uns einerseits geführt, aber andererseits auch gefordert. Wir hatten genug Spielraum für eigene Herangehensweisen und bekamen im Laufe der Zeit immer mehr Verantwortung übertragen. Wenn Eltern immer nur selbst die Richtung vorgeben wollen, können sie viel zerstören. Wir durften Fehler machen, und unser Vater hat diese Fehler auch zugelassen. Ein erfolgreiches Handwerksunternehmen braucht eine ausgeprägte Diskussionskultur. Das gilt übrigens auch für den Umgang mit den Mitarbeitern. Als Junior wird man von den Älteren in der Belegschaft erst einmal getestet. Aber wenn man sattelfest ist und diesen Test besteht, hat man gewonnen.

Unternehmeredition: Ihr Vater starb recht plötzlich einen Tag nach seinem 77. Geburtstag. Wie haben Sie in dieser Situation die Herausforderung der Nachfolge gemeistert?
Meindl: Mein Vater war bis zum Schluss in der Firma aktiv und hat natürlich eine Lücke hinterlassen. Aber gerade weil mein Bruder und ich schon so viel gelernt und Verantwortung übernommen hatten, konnten wir das Unternehmen im fließenden Übergang fortführen. Ganz wichtig für einen Familienbetrieb ist es in einer solchen Lage, mit Blick auf Kunden und Lieferanten Zuverlässigkeit zu gewährleisten. Wenn der Chef plötzlich nicht mehr da ist, kann das Vertrauen schnell in eine Schieflage kommen. Bei uns hat es das nicht gegeben, eben weil wir gut ausgebildet und schon lang im Unternehmen eingeführt waren.

Unternehmeredition: Welche Leitlinien haben Sie mit Blick auf Dinge wie Qualität und Tradition von Ihrem Vater übernommen?
Meindl: Wir sind eine Familie, die schon seit vielen Generationen Schuhe macht. Mein Vater hat als junger Mann erkannt, dass sich die Aufbruchsstimmung nach dem Krieg auch in der Begeisterung für Freizeit, Sport und Kultur widerspiegelte. So hat er begonnen, Bergschuhe zu nähen und die Marke Meindl Schritt für Schritt immer bekannter zu machen. Er hat nicht zuletzt deshalb an den Erfolg geglaubt, weil er selbst ein leidenschaftlicher Bergsteiger war. Unsere Kunst heute muss darin bestehen, modern zu sein und gleichzeitig die Tradition nicht zu verlieren. Wer kann heute schon noch zwiegenähte Bergschuhe machen? Wir sind ein Handwerksbetrieb und arbeiten mit Naturprodukten, aber Nachhaltigkeit beschränkt sich nicht nur auf Umweltbewusstsein. Auch die Langlebigkeit eines Produkts gehört dazu. Unser Modell “Island”, von dem wir schon über eine Million Paar Schuhe produziert haben, gibt es schon seit 20 Jahren. So etwas müssen wir pflegen, darüber hinaus heute aber auch international denken. Wir brauchen in Zeiten der Globalisierung die Auslandsmärkte, um überleben zu können. Der Kernmarkt ist Europa. Aber in den USA und Neuseeland, in Australien und Asien gibt es ebenfalls ein wachsendes Interesse am Bergsteigen und Outdoor-Produkten. Wir produzieren auch im Ausland. Wir haben Werke in Ungarn und Slowenien, einen langjährigen Exklusiv-Partner in Italien und stellen bestimmte Produkte im Multifunktionsbereich auch in Asien her. Aber alles was Bergschuh ist, machen wir in Europa und wird bei uns hier im Haus in Kirchanschöring entwickelt.

Unternehmeredition: Auch Qualität hat etwas mit Kontinuität zu tun?
Meindl: Familienunternehmen denken nicht kurzfristig in Quartalen, sondern langfristig. Wir haben Mitarbeiter, die schon in der zweiten und dritten Generation bei uns sind. Das ist uns wichtig. Es gefällt mir nicht, wenn die Älteren in unserem Lande heute oft vorzeitig zum Ruhestand gezwungen werden. Wir pflegen aber auch die Ausbildung junger Leute, die bei uns alle Abteilungen durchlaufen und von den Erfahrungen der Älteren lernen. Unser Unternehmen kann nicht zuletzt dank der Qualität seiner Mitarbeiter und dem gegenseitigen Verständnis, dank flacher Hierarchien und flexibler Arbeitszeiten schnell auf eine veränderte Nachfrage und die Wünsche der Kunden reagieren.

Unternehmeredition: Wie sehen Sie die Zukunftsperspektiven des Unternehmens?
Meindl: Unsere Umsätze haben sich seit Beginn der Aufzeichnung immer positiv entwickelt. Uns ist es übrigens auch während der jüngsten Wirtschaftskrise gar nicht so schlecht gegangen. Denn gerade in solchen Zeiten achten die Menschen auf Qualität und fragen sich beispielsweise, wie lange ein Schuh hält. Heute befinden wir uns in einem gesunden Zyklus und ich habe keine Angst vor der Zukunft. Outdoor ist ein positiv besetzter Bereich, auch wenn die Zahl der Wettbewerber wächst und man immer mehr Leistung bringen muss. Erfolg spiegelt sich aber nicht nur in der Anzahl der verkauften Schuhe wider. Entscheidend ist auch, welchen Marktwert ein Unternehmen hat und welche Auszeichnungen man gewinnt. Wertsteigerung hat viel mit Qualität und weniger mit Quantität zu tun. Die bieten wir dem Bergwanderer, dessen Bedürfnisse wir immer wieder genau analysieren. Wir produzieren aber beispielsweise auch Spezialanfertigungen für Expeditionen zum Nord- und Südpol.

Unternehmeredition: Welchen Ratschlag können Sie mit Blick auf den Generationswechsel anderen Unternehmern geben und wie stellen Sie sich später einmal die eigene Nachfolgeregelung vor?
Meindl: Zu allererst ist es wichtig, keinen Druck auszuüben und den Jungen ihren Spielraum zu lassen. Es hat keinen Sinn, etwas erzwingen zu wollen. Für uns ist unser Vater auch in dieser Hinsicht ein Vorbild. Aber wir haben natürlich ein sehr großes Interesse daran, dass das Familienunternehmen fortgeführt wird. Man hat ein gesundes Unternehmen quasi geliehen bekommen, und das will man später auch als gesunden Betrieb weitergeben.

Unternehmeredition: Herr Meindl, vielen Dank für das Gespräch.

Dieses Interview führte Markus Hofelich.
markus.hofelich@unternehmeredition.de


Zur Person: Lukas Meindl
Lukas Meindl ist geschäftsführender Gesellschafter der Lukas Meindl GmbH & Co. KG. Der diplomierte Schuhtechniker leitet seit dem Tod des Vaters im Jahr 2006 gemeinsam mit seinem Bruder Lars das 1930 gegründete Familienunternehmen. Bei aller Verbundenheit mit dem Produktionsstandort in Deutschland hat Meindl die Herausforderungen der Globalisierung angenommen. Die Schuhe aus dem oberbayerischen Kirchanschöring werden weltweit zum Bergwandern und Nordic Walken ebenso wie zum Trekking und bei Expeditionen genutzt. www.meindl.de

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