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Übergabe im Dialog

Der Fall der Stickel GmbH aus dem schwäbischen Löchgau ist ein Musterbeispiel für eine langfristig geplante Nachfolge. Er zeigt, wie wichtig dabei vor allem Vertrauen und Respekt sind. 

Matthias Stickel meint, er habe das besondere Gen von seinem Großvater. Der war selbstständiger Wagner, immer sein eigener Herr. Dass das Gen auch auf ihn übergegangen war, merkte er mit 16 Jahren. Damals beschloss er, den väterlichen Betrieb einmal übernehmen zu wollen.

Doch zuvor war die Unternehmerleidenschaft auf seinen Vater Wilhelm Stickel übergegangen. Der machte in den achtziger Jahren aus einer Karosseriewerkstatt einen Prototypenzulieferer. Von vornherein gehörten Porsche und AMG zu den Kunden. Heute beliefert die Stickel GmbH die gesamte deutsche Automobilindustrie mit Blechteilen für Prototypen. Matthias Stickels Traum erfüllte sich am 1. Februar 2012: Da übergab ihm sein Vater das Unternehmen. Pünktlich zum 25-jährigen Firmenjubiläum.

Zuvor hatte Matthias Stickel seine komplette Ausbildung auf seinen Einstieg im elterlichen Betrieb ausgerichtet. Er studierte Wirtschaftsingenieurwesen, stieg danach sofort im Unternehmen ein. Als Assistent der Geschäftsleitung übernahm er operative Projekte wie die Einführung eines neuen ERP-Systems oder die Verschlankung der betriebsinternen Prozesse. Natürlich setzte er dabei das Wissen ein, das er von der Uni mitgebracht hatte. Doch gegen eine Qualität kam er nicht an: die Erfahrung des Vaters. „Im Studium lernt man die Theorie, doch das spezifische Wissen, in unserem Fall die Blechumformung, erlernt man nur in jahrelangem Handwerk“, sagt der 33-Jährige heute. Von Überheblichkeit einiger junger Nachfolger, die in einen Betrieb kommen und meinen, alles besser zu machen, hält er nichts. „Warum soll ich Fehler machen, die die Generation vor mir schon gemacht hat?“ Und so fällten Vater und Sohn von da an alle wichtigen Entscheidungen im gegenseitigen Austausch, ein Prozedere, das er auch als Geschäftsführer beibehalten will.Der Fall der Stickel GmbH aus dem schwäbischen Löchgau ist ein Musterbeispiel für eine langfristig geplante Nachfolge. Er zeigt, wie wichtig dabei vor allem Vertrauen und Respekt sind. 

Vom Ein-Mann-Betrieb zum Marktführer

Zeit, das Handwerk zu lernen, hatte sein Vater genug. Mit 25 gründete er eine Karosseriewerkstatt. Er reparierte und lackierte im Ein-Mann-Betrieb, sein eigener Herr, wie schon der eigene Vater. Die Fertigkeiten des jungen Mannes sprachen sich herum. 1987 gründete er die Stickel GmbH und bearbeitete von Hand Spezialkotflügel für Tuning-Firmen wie AMG oder Gemballa. In den neunziger Jahren kam dann der Prototypenbau für Porsche hinzu. Das war der Beginn des Aufstiegs in die komplette deutsche Autoindustrie. Porsche empfahl Stickel weiter an VW, von VW ging es weiter an Audi und so weiter. In einem derart kleinen Markt wie Prototypenbau läuft viel über Referenzen.

Jahrelange Erfahrung: In Handarbeit fertigen Mitarbeiter bei Stickel Prototypenteile für Porsche oder Audi.

Dennoch gibt es Konkurrenten, gerade im Raum Heilbronn, wo auch die Firma Stickel sitzt. „Typisch baden-württembergisch“, meint Walter Weik von der L-Bank, der Staatsbank von Baden-Württemberg. Der ohnehin starke Mittelstand hat eine starke Produktionsorientierung, und spezialisierte Cluster finden sich zuhauf. Dennoch hat es Wilhelm Stickel über die Jahre hinweg geschafft, seine Firma als Marktführer zu etablieren. Heute beschäftigt das Unternehmen 82 Mitarbeiter und erwirtschaftete 2012 gute 10 Mio. EUR Umsatz.

Vorteil Spezialisierung

Doch eben weil das Segment des Prototypenbaus so speziell ist, sind die Wachstumsmöglichkeiten begrenzt. Den kompletten deutschen Automobilmarkt hat Stickel bereits aufgerollt, Auslandsgeschäft spielt so gut wie keine Rolle. Umso wichtiger ist das Aufdecken neuer Geschäftsfelder. Bei Stickel ist das seit 2006 das Fertigen von Ersatzteilen für Oldtimer. Auch in diesem Segment hatte sich das Know-how des Hidden Champions herumgesprochen. Nach mehreren gezielten Anfragen entschieden sich Vater und Sohn, einen eigenen Geschäftsbereich aufzubauen. Dafür wurde 2013 eine neue Produktionshalle gebaut, bei der Finanzierung half ein Darlehen der L-Bank. Da die Halle besonders energieeffizient realisiert wurde, war das Darlehen zinsverbilligt. Mit diesem Programm möchte die L-Bank die Energiewende aktiv unterstützen. Die Nachfrage danach ist groß, neben Wachstumsfinanzierungen wird die „Energieeffizienzfinanzierung“ am häufigsten ausgereicht. „Wer in eine neue Halle oder Produktionsanlage investiert, versucht dabei meistens auch, seinen Energieverbrauch und seine Umweltbilanz zu verbessern“, so Walter Weik. Sehr baden-württembergisch, sehr pragmatisch.Der Fall der Stickel GmbH aus dem schwäbischen Löchgau ist ein Musterbeispiel für eine langfristig geplante Nachfolge. Er zeigt, wie wichtig dabei vor allem Vertrauen und Respekt sind. 

Wilhelm Stickel ist zum Jahresende 2013 endgültig aus der Geschäftsführung ausgeschieden. Angst, nun auf sich allein gestellt zu sein, hat sein Sohn nicht. Einerseits hat er mittlerweile eigene Feuerproben bestanden und ein hochqualifiziertes Führungsteam um sich. Andererseits steht ihm sein Vater weiterhin beratend zur Seite. Bei einem Familienbetrieb wie Stickel wäre alles andere auch schwer vorstellbar. „Es wäre sehr unwahrscheinlich, dass er aus dem Betrieb ausscheidet und von heute auf morgen nicht mehr an ihn denkt“, so der Junior. Es tue gut zu wissen, dass man jemanden hat, mit dem man sich weiterhin auf Augenhöhe unterhalten kann.

Einfach mal machen lassen

Know-how und Qualität: Über Referenzen sicherte sich Stickel die gesamte deutsche Automobilbranche.

Wenn man Matthias Stickel fragt, warum die Nachfolge bei Ihm so harmonisch abgelaufen ist, meint er, dass es vor allem am gegenseitigen Respekt zwischen ihm und seinem Vater gelegen habe. „Wichtig ist, dass die jüngere Generation die Erfahrung der Älteren schätzt und beherzigt.“ Doch auch die, die das Unternehmen übergeben wollen, müssen irgendwann los- und die Jungen einfach mal machen lassen. „Dann funktioniert eine Nachfolge am besten“, ist er überzeugt. Hilfreich in seinem Fall war auch, dass die Eigentumsverhältnisse stets geklärt waren. „Als das Unternehmen noch vollständig meinem Vater gehörte, hatte er das letzte Wort. Nun habe ich es.“

Zeit, sich auf dem Lebenswerk des Vaters auszuruhen, hat Matthias Stickel nicht. „Wenn man etwas Funktionierendes einfach weiterlaufen lässt, besteht die Gefahr, dass man eingeholt wird“, so der Geschäftsführer. Stillstand sei Rückschritt, das gelte für ein von Innovationen geprägtes Geschäftsfeld wie die Automobilindustrie erst recht. Deshalb müssen Technologien und Anlagen immer auf dem neuesten Stand sein. Man darf nie den Draht zum Markt verlieren und muss immer fühlen, was er braucht. Das ist die Herausforderung, vor der auch schon sein Vater stand und die er nun übernimmt. So gesehen ändert sich nicht viel.

 

Kurzprofil Stickel GmbH
Gründungsjahr: 1987
Branche: Automobilindustrie
Unternehmenssitz: Löchgau (Baden-Württemberg)
Umsatz 2013: ca. 10 Mio. EUR

www.stickel.de

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