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Über die Börse in den Mittelstand

Börsennotierte Beteiligungsgesellschaften bieten vermögenden Privatpersonen die Möglichkeit, sich am deutschen Mittelstand zu beteiligen. Für langfristig denkende Aktionäre kann sich ein Investment lohnen. Allerdings sollte man mit der Volatilität umzugehen wissen.

Heliad, Aurelius, Blue Cap, MBB Industries, Mutares: Vielen Anlegern an deutschen Börsen und erst recht einer breiteren Öffentlichkeit sind diese Namen weitgehend unbekannt. Das mag zum einen daran liegen, dass sie in keinem der gängigen Aktienindizes notiert sind. Zum anderen hat das mit ihrem Geschäftsmodell zu tun. Es sind alles Beteiligungsgesellschaften. Sie kaufen andere Unternehmen ganz oder in Teilen und verwalten sie in ihren Portfolios. Die meisten sind auf Beteiligungen im privaten Mittelstand fokussiert, ein seit Jahrzehnten lukratives Segment, zu dem ein Anleger üblicherweise aber keinen Zugang hat.

Der deutsche Mittelstand ist weit über Deutschlands Grenzen hinaus ein Begriff. Oft seit Generationen in Familienhand, traditionsbewusst, dennoch hochinnovativ, technologisch anspruchsvoll und stark exportorientiert besetzen viele deutsche Mittelständler Spitzenpositionen in ihren jeweiligen Märkten. Nur wenige von ihnen zieht es an die Börse. Die meisten verbinden mit einem solchen Schritt einen Verlust an Eigenständigkeit, der sich nicht mit ihrem Selbstverständnis deckt. Dabei spielt die Größe kaum eine Rolle. Ob Unternehmen mit Milliardenumsätzen und Tausenden von Mitarbeitern oder Nischenanbieter mit nur zweistelligen Umsatzmillionen – sie scheuen die mit einer Notiz verbundene Öffentlichkeit. Lieber langsamer aus eigener Kraft wachsen als mit dem Geld anderer Leute, denken sich viele.

Nachfolge und Restrukturierung im Fokus

Anlegern bleibt die Teilhabe an den Erfolgen mittelständischer Unternehmen verwehrt. Es sei denn, ein solches Unternehmen braucht fremde Hilfe. Das kommt vor, wenn ein Unternehmer keinen Nachfolger aus der Familie hat oder wenn er für einen notwendigen Wachstumsschritt nicht genügend Mittel aufbringen kann oder will. Ein Beispiel: Ein Autokonzern plant neue Standorte im Ausland und verlangt von seinem kleinen, mittelständischen Zulieferer, dass er ihm überallhin ebenfalls mit seiner Produktion folgt. Es kommt auch vor, dass ein Unternehmen in Schieflage kommt, weil Märkte wegbrechen oder man von einer Konjunkturdelle überrascht wird. In solchen Fällen bieten sich Beteiligungsgesellschaften als Partner an. Sie kaufen das Unternehmen meistens komplett und stellen die nötigen finanziellen und oft auch operativen Ressourcen zur Verfügung, um den Betrieb wieder auf Kurs zu bringen.

Börsennotierte Beteiligungsgesellschaften bieten vermögenden Privatpersonen die Möglichkeit, sich am deutschen Mittelstand zu beteiligen. Für langfristig denkende Aktionäre kann sich ein Investment lohnen. Allerdings sollte man mit der Volatilität umzugehen wissen.

Viele dieser Adressen sind Private Equity-Gesellschaften, die ihre Finanzmittel aus geschlossenen Fonds beziehen, in denen meist institutionelle Investoren große Beträge, oft in Millionenhöhe, zur Verfügung stellen. Daneben gibt es aber auch börsennotierte Beteiligungsgesellschaften, die mit dem Kapital ihrer Aktionäre Firmen übernehmen und weiterentwickeln. „In Private Equity-Fonds ist die Eingangsschwelle einfach für viele zu hoch, es ist daher meist nur sehr vermögenden und institutionellen Investoren vorbehalten“, sagt Frank Tepper-Sawicki von der Rechtsanwaltsgesellschaft PwC Legal. „Bei den börsennotierten Beteiligungsgesellschaften ist es allen möglich, an der Rendite zu partizipieren.“

Über das Beteiligungsunternehmen kann sich der Privatanleger einen breiten Zugang zum Mittelstand verschaffen. Es ist auch möglich, innerhalb dieses Segments entweder strategisch zu diversifizieren oder gezielt eine ganze Branche abzudecken. Denn wo die eine Beteiligungsgesellschaft Wert darauf legt, in möglichst vielen Bereichen präsent zu sein, fokussieren sich andere auf ganz spezielle Branchen.

Unterschiedliche Investitionsstrategien

Die Deutsche Beteiligungs AG (DBAG) ist einer der alten Hasen auf dem Börsenparkett. Sie ist seit 1985 gelistet und inzwischen sogar im SDAX etabliert. Im Portfolio des Frankfurter Unternehmens sind aktuell 27 Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Branchen des Mittelstands vertreten. Das Spektrum reicht vom Maschinenbau über Immobilienmakler bis hin zu Lebensmittelbetrieben. Die DBAG steigt gerne bei Nachfolgelösungen oder strategischen Neuausrichtungen ein. „Wer mit einer DBAG-Aktie in ein breites Portfolio investiert, der profitiert auch von den Wertsteigerungen, die wir mit diesen Portfoliounternehmen erreichen“, sagt CFO Susanne Zeidler. Ist das Ziel der tragfähigen Fortführung eines Unternehmens oder eine Neuausrichtung erreicht, sucht die DBAG den Verkauf ihrer Beteiligung. Neben diesem Hauptgeschäft legt sie aber auch Fonds auf, an denen sich andere Investoren beteiligen können und die auch in die Portfoliounternehmen investieren. Damit möchte die Finanzvorständin die Investition der Aktionäre zusätzlich absichern. „Die Fondsberatung ist ein stabiler und gut planbarer Einkommensstrom, der nicht zuletzt auch in Jahren, in denen es keinen Exit gibt, die Dividende sicherstellt“, erklärt Zeidler.

Die ebenfalls im SDAX gelistete Indus Holding aus Bergisch-Gladbach verfolgt einen anderen strategischen Ansatz. „Wir investieren in prosperierende Unternehmen mit guter Marktstellung und einer hohen Rentabilität, die wir meist dann als Nachfolgeregelung fortführen. Einen Exit planen wir zum Kaufzeitpunkt nicht“, erklärt Vorstandschef Dr. Johannes Schmidt. Die Indus-Unternehmensfamilie ist auf diese Weise mittlerweile auf 45 Tochterunternehmen gewachsen. In einem ersten Schritt übernimmt Indus meist nur die Mehrheit an einem Unternehmen, der Unternehmer bleibt noch für eine Weile beteiligt und auch operativ an Bord. Erst wenn er sich zur Ruhe setzt, übernimmt Indus seine Anteile und besitzt das Unternehmen damit ganz. Indus konzentriert sich auf Mittelständler aus den Branchen Bau, Fahrzeugtechnik, Maschinen- und Anlagenbau, Metalltechnik und Medizintechnik.

Börsennotierte Beteiligungsgesellschaften bieten vermögenden Privatpersonen die Möglichkeit, sich am deutschen Mittelstand zu beteiligen. Für langfristig denkende Aktionäre kann sich ein Investment lohnen. Allerdings sollte man mit der Volatilität umzugehen wissen.

Einen ähnlichen Ansatz, wenn auch eine Nummer kleiner, verfolgt die Wuppertaler Gesco. 18 Unternehmen hat sie derzeit im Portfolio. Kleinere zumeist mit einem Umsatz zwischen 10 Mio. und 50 Mio. Euro. Gemeinsam sind ihnen die B2B-Ausrichtung und eine starke Technologieorientierung. „Die Gesco AG selbst ist eine reine Holding und erwirbt regelmäßig Unternehmen, deshalb sind wir eine Beteiligungsgesellschaft. Allerdings handeln wir nicht mit den Gesellschaften, sondern trennen uns höchstens einmal aus strategischen Gründen von einer Tochter“, skizziert der für Investor Relations zuständige Oliver Vollbrecht das Geschäftsmodell.

Auch die Münchner Blue Cap zielt vor allem auf die Wertsteigerung ihrer aktuell elf Beteiligungen. Dennoch sind Verkäufe nicht ausgeschlossen. „Wir stellen die Firmen nicht zum Verkauf. Aber es kommt vor, dass ein Stratege anfragt. Wenn wir glauben, dass eine Tochter besser zu ihm passt, dann verkaufen wir“, sagt Vorstandschef Dr. Hannspeter Schubert. Für die Aktien, die in den Handelssegmenten m:access in München und Scale in Frankfurt gelistet sind, gab es für 2017 erstmals in der zwölfjährigen Unternehmensgeschichte eine Dividende. Die zuvor fehlende Ausschüttung hat die Investoren bislang nicht verstimmt. „Die Anleger profitieren von der guten Entwicklung unseres Aktienkurses“, erklärt Schubert die Strategie. Blue Cap hatte sich anfangs auf mittelständische Unternehmen in Bayern konzentriert. Inzwischen schaut man auch über die Grenzen von Bayern hinaus nach guten Kaufgelegenheiten.

Vorwissen ist gefragt

Ob die börsennotierten Beteiligungsgesellschaften nun Mittelständler mit oder ohne Exit-Horizont kaufen, ob sie sich auf Restrukturierungen oder Weiterentwicklungen spezialisieren – sie konkurrieren gleichermaßen mit den klassischen Private Equity-Fonds um Unternehmen, die einen Finanzinvestor ins Haus lassen. Der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften BVK beklagt seit Langem den Mangel an sogenannten Targets. Die Public Equity-Investoren zeigen sich aber noch optimistisch, auch in Zukunft genügend Einstiegschancen zu bekommen. Anleger nutzen die Chance jedenfalls gerne, über sie in den Mittelstand investieren zu können. „Börsennotierte Beteiligungsfirmen sind ein großes Thema, weil es dort zu bestimmten Zeitpunkten sehr attraktive Anlageideen gibt“, sagt Dr. Max Schott, Geschäftsführer des unabhängigen Vermögensverwalters Sand Schott, und zählt gleich mehrere Vorteile gegenüber Private Equity-Beteiligungen auf: „Man hat bei dieser Anlagemöglichkeit keine hohen Fondsstrukturkosten, dafür aber eine hohe Liquidität, eine hohe Transparenz und Fungibilität.“

Börsennotierte Beteiligungsgesellschaften bieten vermögenden Privatpersonen die Möglichkeit, sich am deutschen Mittelstand zu beteiligen. Für langfristig denkende Aktionäre kann sich ein Investment lohnen. Allerdings sollte man mit der Volatilität umzugehen wissen.

Allerdings ist in der Regel auch das Risiko höher als bei Standardwerten an der Börse. Für den unerfahrenen Kleinanleger sind diese Papiere also nicht die erste Wahl. „Unsere Anleger kennen sich mit Aktien aus und können auch mit den damit verbundenen Risiken umgehen. Viele sind selbst Unternehmer, die sich für die Geschäftsmodelle der börsennotierten Beteiligungsgesellschaften interessieren“, betont Schott.

Ein Risiko besteht zum Beispiel darin, dass die Unternehmen in einem Portfolio unterschiedlich konjunkturanfällig sind, es also immer sein kann, dass es an einer Stelle brennt. Auch Komplettausfälle sind möglich. Wenn man etwa in einen Restrukturierungsfall investiert und anschließend eine konjunkturelle Aufschwungphase erlebt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, aus dem Tief wieder herauszukommen. Folgt auf den Einstieg aber ein allgemeiner Markteinbruch, kann es zu einem Ausfall kommen. Angesichts der höheren Volatilität sind also ein längerer Atem und ein gutes Gespür für den richtigen Zeitpunkt gefragt. Für Anlageexperten wie Schott sind Aktien von Beteiligungsgesellschaften vor allem zu Beginn eines allgemeinen Aufschwungs interessant, weil sie im Abschwung am meisten verlieren: „Je reifer ein Börsenzyklus ist, desto mehr gewichten wir zugunsten niedrigvolatiler Standardwerte unter.“

Unternehmer investieren in ihresgleichen

Man sollte sich also auskennen. Für kleine Privatanleger ist das nicht ganz einfach. Kein Wunder daher, dass bei vielen Beteiligungsgesellschaften neben institutionellen Investoren vor allem Vermögende investieren, die selber Unternehmer sind. Family Offices sind fast überall mit von der Partie, und – angesichts des Niedrigzinsumfeldes – auch zunehmend Stiftungen. Sie brauchen Anlageerträge, um damit ihre Wohltaten zu finanzieren. Ist kein Zins mehr zu bekommen, steigt man auf Aktien um. „Stiftungen verfolgen ähnliche Interessen wie Privatanleger. Viele sind langfristig orientiert. Ihnen ist der Wunsch nach Ausschüttung gemeinsam. Wir sehen vermehrt Stiftungen in unserem Aktionärskreis“, beobachtet Oliver Vollbrecht von Gesco.

Die Anzeichen für eine Zinswende hierzulande sind schon da. Ob steigende Zinsen die Anleger auch diesmal verstärkt aus Aktien raus und hin zu den dann wieder attraktiveren Anleihen treiben, bleibt erst einmal abzuwarten. Viel drängender ist dagegen die Sorge vor einem konjunkturellen Abschwung, ausgelöst durch makroökonomische und politische Gefahren. Vermögensverwalter Schott nennt gleich eine ganze Reihe von Risikofaktoren: die Irankrise, schwelende Handelskriege, einen steigenden Ölpreis, einen zu hohen Leitzins in den USA. Eine neue Krise könnte die Unternehmen im Portfolio der Beteiligungsgesellschaften hart treffen. Nicht alle haben schließlich über Jahrzehnte eine so glückliche Hand wie die Investorenlegende Warren Buffett. Dessen börsennotierte Firma Berkshire Hathaway hat zwar noch nie eine Dividende gezahlt – aber ihre Anleger langfristig bislang noch nie enttäuscht.

Börsennotierte Beteiligungsgesellschaften bieten vermögenden Privatpersonen die Möglichkeit, sich am deutschen Mittelstand zu beteiligen. Für langfristig denkende Aktionäre kann sich ein Investment lohnen. Allerdings sollte man mit der Volatilität umzugehen wissen.

Tabelle: Marktkapitalisierung ausgewählter Private Equity-Gesellschaften

PE-Gesellschaft Marktkapitalisierung in Mio. Euro Kurs-Gewinn-Verhältnis
DBAG 509 7,3
Indus 1150 17,6
Gesco 307 19,1
Blue Cap 73 1,7

Stand: Oktober 2018

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