Website-Icon Unternehmeredition.de

TTIP für die deutsche Wirtschaft?

Seit Juli 2013 verhandeln Vertreter der US-Regierung und der Europäischen Kommission über das Freihandelsabkommen TTIP. Ob alles gut wird, ist noch umstritten: Bei den Themen Verbraucher- und Investorenschutz prallen Welten aufeinander.

In der öffentlichen Diskussion hat das „Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP)“ einen heftigen Streit zwischen Befürworten und Gegnern ausgelöst. Eine große Wachstumschance für die Wirtschaft und vor allem für den exportorientierten Mittelstand sehen die einen in dem Freihandelsbündnis zwischen der EU und den USA. Vor unübersehbaren Risiken für Verbraucher, Umwelt und Steuerzahler warnen Kritiker.

Stichwort Handelshemmnisse

Noch wogt der Streit um ein Abkommen, dessen Details erst spätestens Ende 2015 festgezurrt sein sollen. Die Ziele aber sind schon klar definiert. Für einen noch besseren Marktzugang, noch mehr Wettbewerbsgleichheit und mehr Sicherheit von Investoren soll der Pakt sorgen, der die Vertragspartner zudem zu Trendsettern für den Rest der Welt machen würde. „Nur wenn sich Europa und die USA zu einem großen Wirtschaftsraum zusammenschließen, können wir unsere Führungsrolle in der Welt erhalten und ein Gegengewicht zu China bilden“, sagt Stephan Gais vom Fertigungsmesstechniker Mahr GmbH. Dabei geht es nicht nur um den Abbau von Zöllen, die sich zwischen den USA und Europa bereits auf einem niedrigen Niveau bewegen. Als noch wichtiger gilt das Beseitigen nicht-tarifärer Handelshemmnisse, wie sie etwa unterschiedliche Normen und technische Anforderungen an die Beschaffenheit von Produkten darstellen. So muss ein europäischer Autohersteller bislang noch den Crash-Test für ein neues Fahrzeug doppelt absolvieren, wenn er es auch in den USA verkaufen will. Auch im Chemie-und Pharmasektor oder in der Medizintechnik sorgen Regulierungen häufig für doppelte Kosten oder gar Marktausschluss.Seit Juli 2013 verhandeln Vertreter der US-Regierung und der Europäischen Kommission über das Freihandelsabkommen TTIP. Ob alles gut wird, ist noch umstritten: Bei den Themen Verbraucher- und Investorenschutz prallen Welten aufeinander.

Wachstumspotenziale nutzen

Der Maschinenbauverband VDMA hat errechnet, dass eine für den US-Markt produzierte Maschine zwischen fünf und 20 Prozent mehr als die vergleichbare Maschine für die EU kostet. Der Verband will die laufenden TTIP-Verhandlungen nicht nur mit Blick auf den Abbau von solchen Handelshemmnissen aktiv begleiten. Er setzt sich auch dafür ein, dass die Märkte für öffentliche Aufträge geöffnet werden. Denn wegen der unterschiedlichen Handhabung auf den verschiedenen Ebenen der US-Administration und den „Buy-American“-Klauseln sei es für Unternehmen ohne lokale Produktion derzeit fast unmöglich, sich an öffentlichen Aufträgen in den USA zu beteiligen. Durch eine Marktöffnung allein in diesem Bereich könnte sich für den deutschen Maschinenbau ein mehrere Milliarden Euro großer zusätzlicher Markt ergeben. Skeptiker allerdings sehen auch Probleme. Eine regionale Wirtschaftsförderung durch Aufträge von Bundesländern oder Gemeinden etwa drohe ins Leere zu laufen, wenn auch entfernte Anbieter zu berücksichtigen seien. Pläne, denen zufolge öffentliche Dienstleistungen als Märkte zu definieren seien, könnten zudem ein Einfallstor für Privatisierungen bis hin zur Wasserversorgung sein.

Unterm Strich positive Ergebnisse sieht das ifo Institut. TTIP werde zu einem höheren Internationalisierungsgrad kleiner und mittlerer Unternehmen führen. Die verstärkten Aktivitäten von US-Firmen am deutschen Markt wiederum seien zu verschmerzen, weil das durch den stärkeren Wettbewerb bedingte niedrigere Preisniveau zu Wohlstandsgewinnen bei den Konsumenten führt. In Deutschland könne die Liberalisierung deshalb langfristig zu einem Anstieg der realen Einkommen um 4,7 Prozent führen. Kritiker wie die Globalisierungsgegner ATTAC oder das internationale Bündnis „Stop TTIP“ sehen diese Prognosen skeptisch. Sie verweisen darauf, dass sich die Wachstumsziele bei anderen Freihandelsverträgen wie etwa dem Nafta-Abkommen nicht erfüllt hätten. Gleichzeitig beklagen sie die mangelnde Transparenz der Verhandlungen. Tenor der Kritik: Die Positionen der Wirtschaft finden Berücksichtigung, während etwa Umwelt- und Verbraucherschützer weitgehend außen vor bleiben. Und die Parlamente können am Ende nur noch ja oder nein zu den Verträgen als Ganzes sagen.

Seit Juli 2013 verhandeln Vertreter der US-Regierung und der Europäischen Kommission über das Freihandelsabkommen TTIP. Ob alles gut wird, ist noch umstritten: Bei den Themen Verbraucher- und Investorenschutz prallen Welten aufeinander.

Gentechnik und Chlorhühnchen

Eine besondere Sorge hegen Skeptiker, dass gemeinsame Regeln sich am jeweils niedrigsten Standard orientieren könnten. Viel zitiertes Beispiel ist die Hühnerzucht, bei der das Federvieh in den USA zur Abtötung von Keimen mit Chlor behandelt wird. Das ist in Europa ebenso verboten wie die Massenaufzucht von Rindern mit hormonhaltigen Nahrungsmitteln. Die EU versichert allerdings, sie werde ihre hohen Standards weder bei Chlorhühnchen noch bei Fracking oder Genfood zur Verhandlung stellen. Doch Skeptiker wittern schon Ungemach, wenn TTIP amerikanische Unternehmen von der Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Produkte auch am europäischen Markt ausnehmen würde. Denn deutsche Unternehmen, die zur Kennzeichnung verpflichtet sind, hätten dann einen Wettbewerbsnachteil und die Verbraucher keine Orientierung mehr darüber, welche Produkte denn nun gentechnikfrei sind. Ebenso wächst die Sorge, dass Gentechnik-Konzerne vom deutschen Staat künftig Schadensersatz dafür fordern könnten, weil sie ihr Saatgut hier nicht anbauen dürfen. Nicole Stocker, Geschäftsführerin der mit ihren Bauernbroten aus ökologischer Herstellung erfolgreichen Hofpfisterei in München, fürchtet das Schlimmste. „Deutsche Politiker kommen den Lobbyisten global agierender Agrarkonzerne immer weiter entgegen, obwohl 80 Prozent der Deutschen Gentechnik in der Landwirtschaft strikt ablehnen“, sagt die Unternehmerin.

Schiedsgerichte für den Investorenschutz

Umstritten ist auch die Ausgestaltung der in TTIP angestrebten Investorenschutzklausel. Sie soll Unternehmen, die sich durch den Staat um Erträge ihrer Investitionen gebracht sehen, die Klage vor unabhängigen Schiedsgerichten ermöglichen. Gute Gründe kann es dafür allemal geben. Der schwedische Energiekonzern Vattenfall etwa hatte kurz vor der Atomenergiewende der Bundesregierung noch ein AKW erneuert und klagt nun aufgrund einer Investitionsschutzklausel in der Energiecharta vor einem Schiedsgericht mehrere Milliarden Euro ein. Was viele jedoch stört, ist die mangelnde Transparenz solcher Schiedsverfahren. Als Richter nämlich sind beim TTIP private Anwälte vorgesehen, auf die sich beide Seiten einigen. Dass die nationale Gerichtsbarkeit außen vor bleibt, muss aus Sicht der Unternehmen jedoch nicht von Nachteil sein. „Im Ausland wäre uns als Deutschen ein Schiedsgericht oft lieber“, sagt Bernd Supe-Dienes vom Werkzeughersteller Dienes Werke für Maschinenteile. Er verweist zudem darauf, dass TTIP eine Art Blaupause für künftige Handelsabkommen werden könnte. „Bei Ländern, die zum Beispiel kein Rechtsstaat sind, wird man auf Schiedsgerichte zurückgreifen wollen“, sagt der Unternehmer.

Die mobile Version verlassen