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Studie zu zwei Jahren ESUG

Eine aktuelle Studie von Roland Berger zu den Erfahrungen mit dem Insolvenzrecht ESUG zeigt, dass zwei Jahre nach Inkrafttreten der Reformen die Erwartungen von rund 90% der Befragten erfüllt sind. Dennoch besteht zum Teil Änderungsbedarf. 

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen am 1. März 2012 hat der Gesetzgeber den ersten Schritt gemacht, das Insolvenzrecht in Deutschland zu reformieren und eine „neue Insolvenzkultur“ einzuführen.

Wichtige Bausteine sind eine Stärkung des Gläubigereinflusses und die Erleichterung und Stärkung der Eigenverwaltung. Damit ist der Versuch verbunden, eine frühere Antragstellung bereits vor der existenzgefährdenden akuten Liquiditätskrise zu ermöglichen und damit vermeidbare Unternehmensliquidationen zu verhindern.

2.100 Entscheider befragt

Roland Berger Strategy Consultants und die internationale Wirtschaftskanzlei Noerr haben zum zweiten Mal die Umsetzung dieser Ziele des ESUG im Rahmen einer Studie untersucht. Die Umfrage richtete sich 2013 an 2.100 Entscheider, die als Richter, Investoren, Rechtsanwälte/Insolvenzverwalter, Gläubiger oder Berater umfangreiche Praxiserfahrungen mit dem neuen Gesetz sammeln konnten.

Dabei ist im zweiten Jahr seit Inkrafttreten des Gesetzes die Erfahrung mit den Instrumenten des ESUG deutlich gestiegen. Zahlreiche prominente Verfahren wurden eingeleitet und teilweise bereits abgeschlossen. Dies führt dazu, dass über 80% der Umfrageteilnehmer das ESUG bereits in bis zu fünf Verfahren angewendet haben, zumeist als Gläubiger, aber auch als Insolvenzverwalter/Sachwalter.

Erkenntnisse aus 2012 verhärten sich

Die gestiegene Erfahrung lässt die wahrgenommene Schwierigkeit beim Antrag und bei der Verfahrenseröffnung in Eigenverwaltung durchgehend sinken. Die größte Herausforderung bleibt weiterhin ein vollständiges und erfolgreiches Sanierungskonzept. Die erfolgreiche Geschäftsfortführung auf Basis dieses Konzeptes und die kontinuierliche Abstimmung mit allen Beteiligten gewährleisten, dass ein Verfahren auch in Eigenverwaltung eröffnet wird.Der wichtigste Erfolgsfaktor beim Antrag und für die Eröffnung in Eigenverwaltung bleibt auch im zweiten Jahr der Studie die umfangreiche Einbindung der Stakeholder. Insbesondere aufgrund der steigenden Komplexität der ESUG-Verfahren ist der Abstimmungsbedarf mit den verschiedenen Interessengruppen deutlich gestiegen. Vor allem die Abstimmung mit nicht im Gläubigerausschuss vertretenen Gläubigern hat dabei an Bedeutung gewonnen.

Gläubiger sehen die ESUG Reformen kritischer

Dabei werden jedoch die Reformen insbesondere durch die Gruppe der Gläubiger kritischer gesehen. So stieg der Anteil der Ablehnung durch die Gläubiger im Vergleich zu der durch die Insolvenzrichter um 11 Prozentpunkte an. Insgesamt werden Anträge auf Eigenverwaltung weniger stattgegeben als noch 2012. Der Anteil sank von 68% auf 55%.

Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Sachverwalter und das eigenverwaltende Management. Dabei stellen die Unabhängigkeit vom Management und umfangreiche Erfahrung die wichtigsten Anforderungen dar. Im Vergleich zu den Erkenntnissen 2012 wird dabei die Rolle eines Chief Restructuring Officer (CRO) wichtiger gesehen. Sie kann gezielt zur Gewährleistung der Unabhängigkeit vom Management dienen.

Standardisierung und Vereinfachung

Der Gesetzgeber ist jedoch weiterhin gefragt. Insbesondere wird die mangelnde Standardisierung der für die Einleitung des Schutzschirmverfahrens benötigten Bescheinigung gemäß § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO bemängelt. Umstritten bleibt diesbezüglich die Maßgeblichkeit des IDW ES 9, dessen Bedeutung 2013 sogar leicht zurückging. Der Gesetzgeber ist hier aufgefordert, für Klarheit und Verfahrenssicherheit zu sorgen.

Des Weiteren ist von bis zu 90% der Befragten eine teilweise oder deutlich gestiegene Komplexität festgestellt worden. Diese wird wesentlich durch die strikteren Dokumentationspflichten und die teilweise noch unzureichende Rechtssicherheit getrieben. Letztere wird sich in den kommenden Jahren mit der Schaffung höchstrichterlicher Rechtsprechung verbessern. Ebenfalls ist zu erwarten, dass Richter und Gläubiger mit zunehmender Erfahrung ihre neuen Rollen besser wahrnehmen werden.

Fazit

Das ESUG ist im Hinblick auf die vom Gesetzgeber gesetzten Ziele überwiegend ein Erfolg. Inzwischen sind alle Instrumente vollständig in der Praxis angekommen und werden von den Beteiligten erfolgreich angewendet. Lediglich der gewünschte Mentalitätswechsel hin zu einer neuen Insolvenzkultur ist noch nicht geschafft. Allerdings werden sich auch hier in den nächsten Jahren Veränderungen ergeben. Insgesamt sind die Erwartungen der Befragten zu über 90% zumindest teilweise erfüllt, ein Zuwachs um 6% gegenüber 2012.

Der Gesetzgeber ist jedoch weiterhin gefragt, die formalen Anforderungen an den Antrag auf das Schutzschirmverfahren zu standardisieren und die gestiegene Komplexität zu korrigieren. Des Weiteren wird die Notwendigkeit eines vor- bzw. außerinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens höher eingeschätzt als im Vorjahr, sodass auch hier weiterhin Reformbedarf ist.

Es bleibt weiterhin spannend, die Entwicklung der ESUG-Instrumente in der Praxis zu beobachten, vor allem, ob die Eigenverwaltung und der Debt-Equity-Swap künftig weiter an Bedeutung gewinnen werden und wie die Beteiligten mit den hohen Anforderungen an das Management der Eigenverwaltung umgehen. Auch die Frage, inwieweit Richter und Gläubiger ihre geänderten Rollen im Verfahren ausfüllen werden, wird sich auch künftig weiter stellen.


Zu den Personen

Oliver Räuscher (links) und Dr. Rainer Bizenberger sind Partner im globalen Competence Center Restructuring & Corporate Finance von Roland Berger Strategy Consultants. Räuscher ist Rechtsanwalt und Steuerberater. Er berät Kunden im Bereich Restrukturierung und ist auf komplexe M&A-Transaktionen spezialisiert. Bizenberger ist promovierter Kaufmann und berät Unternehmen und Private-Equity-Investoren in Fragen der Restrukturierung, Unternehmensfinanzierung und Transformation. Die Strategieberatung ist eine unabhängige Partnerschaft im ausschließlichen Eigentum von rund 200 Partnern. www.rolandberger.com

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