Eine aktuelle Studie von Roland Berger zu den Erfahrungen mit dem Insolvenzrecht ESUG zeigt, dass zwei Jahre nach Inkrafttreten der Reformen die Erwartungen von rund 90% der Befragten erfüllt sind. Dennoch besteht zum Teil Änderungsbedarf.
Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen am 1. März 2012 hat der Gesetzgeber den ersten Schritt gemacht, das Insolvenzrecht in Deutschland zu reformieren und eine „neue Insolvenzkultur“ einzuführen.
Wichtige Bausteine sind eine Stärkung des Gläubigereinflusses und die Erleichterung und Stärkung der Eigenverwaltung. Damit ist der Versuch verbunden, eine frühere Antragstellung bereits vor der existenzgefährdenden akuten Liquiditätskrise zu ermöglichen und damit vermeidbare Unternehmensliquidationen zu verhindern.
2.100 Entscheider befragt
Dabei ist im zweiten Jahr seit Inkrafttreten des Gesetzes die Erfahrung mit den Instrumenten des ESUG deutlich gestiegen. Zahlreiche prominente Verfahren wurden eingeleitet und teilweise bereits abgeschlossen. Dies führt dazu, dass über 80% der Umfrageteilnehmer das ESUG bereits in bis zu fünf Verfahren angewendet haben, zumeist als Gläubiger, aber auch als Insolvenzverwalter/Sachwalter.
Erkenntnisse aus 2012 verhärten sich
Die gestiegene Erfahrung lässt die wahrgenommene Schwierigkeit beim Antrag und bei der Verfahrenseröffnung in Eigenverwaltung durchgehend sinken. Die größte Herausforderung bleibt weiterhin ein vollständiges und erfolgreiches Sanierungskonzept. Die erfolgreiche Geschäftsfortführung auf Basis dieses Konzeptes und die kontinuierliche Abstimmung mit allen Beteiligten gewährleisten, dass ein Verfahren auch in Eigenverwaltung eröffnet wird.Der wichtigste Erfolgsfaktor beim Antrag und für die Eröffnung in Eigenverwaltung bleibt auch im zweiten Jahr der Studie die umfangreiche Einbindung der Stakeholder. Insbesondere aufgrund der steigenden Komplexität der ESUG-Verfahren ist der Abstimmungsbedarf mit den verschiedenen Interessengruppen deutlich gestiegen. Vor allem die Abstimmung mit nicht im Gläubigerausschuss vertretenen Gläubigern hat dabei an Bedeutung gewonnen.
Gläubiger sehen die ESUG Reformen kritischer
Dabei werden jedoch die Reformen insbesondere durch die Gruppe der Gläubiger kritischer gesehen. So stieg der Anteil der Ablehnung durch die Gläubiger im Vergleich zu der durch die Insolvenzrichter um 11 Prozentpunkte an. Insgesamt werden Anträge auf Eigenverwaltung weniger stattgegeben als noch 2012. Der Anteil sank von 68% auf 55%.
Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Sachverwalter und das eigenverwaltende Management. Dabei stellen die Unabhängigkeit vom Management und umfangreiche Erfahrung die wichtigsten Anforderungen dar. Im Vergleich zu den Erkenntnissen 2012 wird dabei die Rolle eines Chief Restructuring Officer (CRO) wichtiger gesehen. Sie kann gezielt zur Gewährleistung der Unabhängigkeit vom Management dienen.
Standardisierung und Vereinfachung
Der Gesetzgeber ist jedoch weiterhin gefragt. Insbesondere wird die mangelnde Standardisierung der für die Einleitung des Schutzschirmverfahrens benötigten Bescheinigung gemäß § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO bemängelt. Umstritten bleibt diesbezüglich die Maßgeblichkeit des IDW ES 9, dessen Bedeutung 2013 sogar leicht zurückging. Der Gesetzgeber ist hier aufgefordert, für Klarheit und Verfahrenssicherheit zu sorgen.
Fazit
Das ESUG ist im Hinblick auf die vom Gesetzgeber gesetzten Ziele überwiegend ein Erfolg. Inzwischen sind alle Instrumente vollständig in der Praxis angekommen und werden von den Beteiligten erfolgreich angewendet. Lediglich der gewünschte Mentalitätswechsel hin zu einer neuen Insolvenzkultur ist noch nicht geschafft. Allerdings werden sich auch hier in den nächsten Jahren Veränderungen ergeben. Insgesamt sind die Erwartungen der Befragten zu über 90% zumindest teilweise erfüllt, ein Zuwachs um 6% gegenüber 2012.
Der Gesetzgeber ist jedoch weiterhin gefragt, die formalen Anforderungen an den Antrag auf das Schutzschirmverfahren zu standardisieren und die gestiegene Komplexität zu korrigieren. Des Weiteren wird die Notwendigkeit eines vor- bzw. außerinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens höher eingeschätzt als im Vorjahr, sodass auch hier weiterhin Reformbedarf ist.
Es bleibt weiterhin spannend, die Entwicklung der ESUG-Instrumente in der Praxis zu beobachten, vor allem, ob die Eigenverwaltung und der Debt-Equity-Swap künftig weiter an Bedeutung gewinnen werden und wie die Beteiligten mit den hohen Anforderungen an das Management der Eigenverwaltung umgehen. Auch die Frage, inwieweit Richter und Gläubiger ihre geänderten Rollen im Verfahren ausfüllen werden, wird sich auch künftig weiter stellen.
Zu den Personen