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Streit nach der Transaktion?

Post-M&A-Rechtsstreitigkeiten beinhalten Lehren für alle, die am M&A-Markt beteiligt sind. Wer die Fallstricke kennt, kann bereits vor einer Transaktion Streitigkeiten danach vermeiden. 

Es gibt wenige Situationen, die das Management eines Unternehmens über längere Zeit so intensiv beschäftigen, vom operativen Geschäft abhalten und viel Geld kosten wie ein großer Rechtsstreit im Nachgang zu einem Unternehmenskauf oder -verkauf.

Jeder Post-M&A Rechtsstreit hat seine Eigenheiten. Lehren, die im Rahmen der Financial Due Diligence hilfreich sei können, um Streit nach einer Transaktion zu vermeiden, gibt es dennoch:

Marktvolatilität und Kaufpreisformel

Post-M&A-Rechtsstreite stehen häufig im Zusammenhang mit unerwarteten Entwicklungen oder Überraschungen zum Vollzug (Closing). Diese können durch Volatilität in Einkaufs-, Verkaufs- oder Finanzmärkten entstehen, mit denen das Unternehmen täglich zu tun hat. Folgende Faktoren liegen dabei zuweilen vor:

Volatilität kurz vor Closing findet insbesondere bei Vorliegen einer Kaufpreisanpassungsklausel Eingang in die Bestimmung des finalen Kaufpreises. Das Risiko eines Post-M&A-Rechtsstreits bei Kaufpreisanpassungsklauseln steigt dadurch im Vergleich zu Festkaufpreisen (sog. Locked Box-Mechanismus) erheblich.

Unklare Bilanzierungsregeln

Unternehmenskaufverträge enthalten in aller Regel die Bilanzierungsregeln, die für die Ermittlung der Kaufpreisanpassung zum Closing relevant sind. Fehlen diese jedoch oder sind sie nicht eindeutig definiert, führt dies häufig zu Post-M&A-Rechtsstreiten. Denn für die Aufstellung der Kaufpreisanpassung gelten nur die Bilanzierungsvorschriften, die im Kaufvertrag vereinbart oder referenziert sind. Daneben kann es zu Disputen führen, wenn das Verhältnis alternativer, nebeneinander anzuwendenden Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften nicht klar geregelt ist. Zum Beispiel kann sowohl Stetigkeit als auch ein Verweis auf die International Financial Reporting Standards (IFRS) vereinbart sein. Was ist jedoch, wenn sich herausstellt, dass in der Vergangenheit ein Bilanzierungsfehler vorlag und die Anwendung von Stetigkeit zu einem Verstoß gegen IFRS führen würde? Eine klare Hierarchie zwischen den beiden Regeln vermeidet einen Rechtsstreit.

Post-M&A-Rechtsstreitigkeiten beinhalten Lehren für alle, die am M&A-Markt beteiligt sind. Wer die Fallstricke kennt, kann bereits vor einer Transaktion Streitigkeiten danach vermeiden. 

Post-M&A-Rechtsstreite entstehen daneben häufig infolge vorsätzlicher Fälschung, Manipulation oder dem Zurückhalten wesentlicher Informationen durch den Verkäufer.

Dies kann etwa durch einen gefälschten oder unvollständigen Jahres- bzw. Zwischenabschluss geschehen, in dem die unzulässige Realisierung von Erträgen und Aufwendungen, Überbewertung von Vermögensgegenständen, Unterbewertung oder Verschweigen von Verpflichtungen vorliegen.

Anfällige Bilanzposten

Auf welche Bilanzierungssachverhalte sollten Käufer und Verkäufer ein besonderes Augenmerk in der Due Diligence legen, um Post-M&A-Rechtsstreite zu vermeiden?

Das Working Capital ergibt sich als Differenz aus dem kurzfristigen, betrieblichen Umlaufvermögen und den kurzfristigen, betrieblichen Verbindlichkeiten und ist dadurch sehr liquiditätsnah. Klassische Kaufpreisanpassungen betreffen typischerweise auch das Working Capital. Da sich beim Working Capital komplexe Bewertungsfragen stellen, bei denen Marktpreise oft eine wesentliche Rolle spielen, findet Volatilität in Einkaufs- oder Verkaufsmärkten kurz vor Closing besonders häufig Eingang in das Working Capital. Es ist daher insgesamt die häufigste Kategorie von Post-M&A-Rechtsstreiten.

Häufig entsteht zwischen den Parteien Streit über bestehende Verbindlichkeiten, die versehentlich oder vorsätzlich nicht bilanziert wurden, oder auch darüber, ob für bestimmte Verpflichtungen eine Rückstellung zu bilanzieren ist. Daneben birgt die Bemessung von Rückstellungen Streitpotenzial.

Lehren aus Rechtstreiten  

Post-Deal-Rechtsstreitigkeiten beinhalten Lehren für alle, die am M&A-Markt beteiligt sind. Die Kenntnis von besonders streitträchtigen Faktoren bereits vor einer Transaktion kann der Vermeidung von Rechtsstreiten danach dienen.

Die Vereinbarung eines festen Kaufpreises, der sich zum Closing nicht mehr ändert („Locked Box-Mechanismus“), führt zu weniger Post-Deal-Rechtsstreiten. Dennoch schützt auch eine Locked-Box-Transaktion den Erwerber nicht immer vor einem Rechtsstreit. Rechtsstreiten über unklare Definitionen und eine fehlende Hierarchie verschiedener anzuwendender Bilanzierungsregeln im Unternehmenskaufvertrag lässt sich durch eine enge und fortlaufende Kommunikation und Kooperation der Anwälte und der Financial und Tax Due Diligence-Berater in der Due-Diligence-Phase begegnen.

Liegen Anhaltspunkte für betrügerische Handlungen vor, so können in der-Due Diligence-Phase spezielle „Fraud-Examination“-Analysemethoden angewendet werden. Die Einbindung forensischer Expertise in Financial Due Diligence-Teams kann helfen, entsprechende Anhaltspunkte frühzeitig zu identifizieren.


Zu den Personen

(© Accuracy Deutschland)

Dr. Ekaterina Lohwasser (ekaterina.lohwasser@accuracy.com) ist Director und leitet den Bereich Unternehmensbewertung. Reiner Schuster (reiner.schuster@accuracy.com) ist Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und als Director auf Unternehmenstransaktionen wie Financial Due Diligences, auf Restrukturierungen sowie Forensic, Litigation und Arbitration Services spezialisiert. Heiko Ziehms (heiko.ziehms@accuracy.com) ist Partner und auf Forensic, Litigation und Arbitration Services sowie auf Unternehmenstransaktionen wie Financial Due Diligences spezialisiert. Die Autoren sind bei Accuracy beschäftigt. www.accuracy.com

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