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Stolperstein der Internationalisierung

Reine Vertriebsgesellschaften im Ausland reichen nicht mehr – auch Mittelständler müssen heute Produktionsstrukturen im Ausland aufbauen. Dies ist nicht nur ein „technisches“ Problem, sondern macht auch eine entsprechende Weiterentwicklung der Finanzierungsstruktur unerlässlich.

Der klassische Mittelständler ist historisch mit seinen regionalen Banken gewachsen und hat mit zunehmender Internationalisierung meist eine der großen Privatbanken hinzugenommen. Die regionalen Finanzierer freuen sich über ihren „hidden champion“ und unterstützen das Wachstum nach Kräften. Nicht selten übersehen sie dabei aber die eigenen Restriktionen durch Eigenkapital und Bilanzsumme. Zur Risikobegrenzung werden sogenannte Metaengagements, d.h. Konsortialkredite, mit der entsprechenden Landesbank oder den genossenschaftlichen Spitzeninstituten arrangiert.

Trotzdem steigt das Klumpungsrisiko, die Möglichkeiten, das Wachstum weiter zu begleiten, nehmen rapide ab. Meist merkt das betroffene Unternehmen jedoch nichts davon und glaubt, die liebgewonnene Partnerschaft mit den bekannten Finanzierern trage wie bisher auch in die Zukunft.

Kleine Störungen bringen das Fass zum Überlaufen

Kommt es im Zuge der Internationalisierung bzw. des weiteren Wachstums zu Problemen, etwa infolge von Projektverzögerungen, verspätetem Standortanlauf oder anderen unerwarteten Ereignissen, treten schnell einmal Verluste auf – die dann zusätzlich zum geplanten Wachstum finanziert werden müssen.

Ist die Finanzierung bei den bestehenden Finanzierungspartnern jetzt bereits „am Anschlag“, droht dem Unternehmer Ungemach: Die bisherigen Finanzierungspartner können nicht mehr mitgehen und schon gar nicht eine anteilige Verlustfinanzierung übernehmen. Urplötzlich ist die Liquidität nicht mehr gesichert. Nicht von der leistungswirtschaftlichen Seite, sondern durch fehlende Finanzierung kommt das Unternehmen in die Krise, die schnell zur Existenzbedrohung in Folge von Zahlungsunfähigkeit werden kann.

Reine Vertriebsgesellschaften im Ausland reichen nicht mehr – auch Mittelständler müssen heute Produktionsstrukturen im Ausland aufbauen. Dies ist nicht nur ein „technisches“ Problem, sondern macht auch eine entsprechende Weiterentwicklung der Finanzierungsstruktur unerlässlich.

Konzernfinanzierung erfordert Weitsicht

Ein zweiter zu berücksichtigender Aspekt ist unabhängig von der Finanziererstruktur. „Klassisch“ ist die Finanzierung auf das Stammhaus, d.h. die deutsche Gesellschaft ausgelegt: Sie ist Kreditnehmer, ihre Assets und ihr Cashflow dienen als Sicherheit bzw. als Basis der Kapitaldienstfähigkeit.

Mit der Verlagerung der Wertschöpfung ins Ausland verändert sich aber nicht nur die Struktur des „back ends“ des Unternehmens, sondern auch die Marktbearbeitung und damit Auftragseingangs- sowie Umsatzstruktur. In aller Regel geht der Umsatz des Stammhauses zurück, was auch einen rückläufigen EBITDA nach sich zieht. Wird jetzt noch die Finanzierung der deutschen Gesellschaft aufgestockt, geraten die bisher guten Bilanzkennzahlen ins Wanken, der Verschuldungsgrad steigt und das Risiko einer ungenügenden Kapitaldienstfähigkeit wächst unbemerkt.

Hat sich das Unternehmen darauf verlassen, dass Cashflows aus dem Ausland rasch ins Inland transferiert werden können, folgt oft das böse Erwachen. Die Kongruenz der Finanzierung stimmt nicht: Dort wo der Cashflow generiert wird, wurde nichts finanziert. Dafür fehlt das Geld jetzt an anderer Stelle.

Frühzeitig an eine Konzernfinanzierung denken

Das Dilemma kann nur dadurch vermieden werden, dass frühzeitig nicht nur über eine Konzernfinanzierung, sondern über die regionale Notwendigkeit des künftigen Mitteleinsatzes sowie die dadurch künftig generierten Cashflows nachgedacht wird.

Werden in die Überlegungen frühzeitig international erfahrene Banken eingebunden, so können für den Mittelständler vielleicht noch unbekannte Produkte zum Tragen kommen: angefangen bei speziellen Leasingmöglichkeiten von Maschinen und Anlagen im Ausland über Konzernlinien, die auch von Auslandstöchtern in Anspruch genommen werden können, bis hin zu speziellen Programmen der KFW, wie z.B. für Umweltschutz oder Energieeffizienz, die auch außerhalb Deutschlands genutzt werden können.

Fazit

Überlegene Produkte und Leistungen sowie der klassische Pioniergeist sind beim Aufbau von Standorten zwar die traditionellen Stärken des deutschen Mittelstands. Für die Zukunft jedoch reichen sie nicht aus, sondern müssen durch Finanzierungs-Know-how ergänzt werden. Auch die Bereitschaft, sich von bestehenden Strukturen zu lösen und neue (Finanzierungs-)Ansätze aktiv anzunehmen, wird zum zukunftsweisenden Erfolgskriterium.


Zur Person

Dr. Volkhard Emmrich ist Managing Partner der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH und verantwortet den Geschäftsbereich Restructuring & Finance. Das Beratungsunternehmen ist auf die Gestaltungsfelder Strategie und Innovation, Führung und Organisation, Marketing und Vertrieb, Produktentstehung und Supply Chain sowie auf die nachhaltige Beseitigung von Unternehmenskrisen durch Restrukturierung und Corporate Finance spezialisiert. www.wieselhuber.de

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