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Zwischen Konzern und Tradition

Stihl hat sich vom Stuttgarter Ingenieursbüro zur weltweit bekanntesten Motorsägenmarke entwickelt. Im internationalen Vergleich kann das Unternehmen mit zweierlei punkten: Mit den Werten eines Familienunternehmens und der Macht eines Großen.

Wer mit Dr. Bertram Kandziora spricht, kommt mit sentimentalen Fragen zu Familienunternehmen nicht weit. Schnell kommen die Antworten des Managers, auf den Punkt und ohne Schnörkel. Nein, es habe nicht lange gedauert, bis er den Nimbus der Tradition beim Familienunternehmen Stihl verinnerlicht hat. Und nein, eine größere Bedeutung verspüre er deswegen nicht. Er sei eben der Vorstandsvorsitzende, das müsse reichen, sagt er und lächelt. „Der Mythos um ein Familienunternehmen ist wahrscheinlich größer, als es dann in der Wirklichkeit ist.“ Hier sitzt ein Konzernlenker, der bei aller Tradition Kosten und Qualität stets im Blick hat.

Leitet Stihl seit 2005: Dr. Bertram Kandziora. (© Stihl Holding AG & Co. KG)

Dass Stihl dabei weiterhin vom Geist eines Familienunternehmens geprägt ist, zeigt sich in Details. Etwa daran, dass Kandziora selbst seit elf Jahren Vorstandsvorsitzender beim Sägeprofi Stihl ist. Oder wenn er sagt, dass bei allen strategischen Entscheidungen immer die Langfristigkeit zähle. Man sieht es aber auch daran, dass die Familie Stihl jeden Tag in der Werkskantine isst und sich mit den Mitarbeitern anstellt. Oder wenn das Unternehmen verkündet, dass zwischen 2015 und 2018 300 Mio. Euro in das deutsche Stammhaus fließen. Die Mitarbeiter erhalten eine Beschäftigungsgarantie bis 2020. So viel Bekenntnis zum Standort wäre – bei Weitem – nicht nötig.

Unternehmerische Weitsicht

Denn längst ist Stihl ein multinationales Unternehmen. In sieben Ländern entstehen die berühmten Sägen, Trennschleifer, Motorsensen oder Sprühgeräte. Stihl hat Produktionsstätten in Deutschland, den USA, Brasilien, der Schweiz, Österreich, China und auf den Philippinen. Auch vertrieben werden sie weltweit, über ein Netzwerk von 40.000 Fachhändlern. 2,98 Mrd. Euro betrug der Umsatz 2014, 2015 wurde erstmals die Schwelle von drei Mrd. Euro überschritten – und das, obwohl das wichtige Russlandgeschäft um 70 Prozent eingebrochen ist. Wichtigste Märkte sind jetzt die USA und Europa.

Doch die Produktionsstätten im Ausland entstanden nicht nur aus Kostengründen. Vielmehr sind sie Dreh- und Angelpunkt einer ausgeklügelten Expansionsstrategie. Ersonnen hatten sie Eva Mayr-Stihl und ihr Bruder Hans Peter Stihl, langjährige Familiengeschäftsführer und Kinder des Gründers, Andreas Stihl. Der Plan: Bei aller Internationalisierung sollten Vertrieb und Produktion weiterhin aus einer Hand erfolgen. Denn schon damals setzte das Geschwisterpaar alles daran, dass es Stihl-Produkte nur im Fachhandel gibt, gemäß der Maxime des Gründers: „Jede Motorsäge ist nur so gut wie ihr Service.“ Und das Konzept ging auf: Seit 1971 ist Stihl die meistverkaufte Motorsägenmarke der Welt.Stihl hat sich vom Stuttgarter Ingenieursbüro zur weltweit bekanntesten Motorsägenmarke entwickelt. Im internationalen Vergleich kann das Unternehmen mit zweierlei punkten: Mit den Werten eines Familienunternehmens und der Macht eines Konzerns.

Forschung und Entwicklung in Waiblingen: Sie will Stihl auf jeden Fall in Deutschland behalten. (© Stihl Holding AG & Co. KG)

Exportiert hatte Stihl bereits in den 30er-Jahren, in die USA und nach Kanada. Die groß angelegte Internationalisierung startete mit Brasilien, die dortige Produktions- und Vertriebsgesellschaft entstand 1973. Gemeinsam mit den anderen Produktionsstätten bildet sie heute den firmeneigenen Fertigungsbund: Diese liefern entweder die Endprodukte für eine bestimmte Region oder sind auf ein besonderes Segment oder eine Produktgruppe fokussiert. In Deutschland ist etwa das Werk für den Profibereich, aus den USA kamen lange Zeit die Großmengen sowie Produkte für Privatkunden und das Einstiegssegment. Letzteres kommt heute aus China, ebenso wie die Vergaser für die Stihl-Produkte. Die einzelnen Werke beliefern sich so gegenseitig und stehen in Wettbewerb zueinander.

Qualität kennt keine Grenzen

Eines aber bleibt fest im Schwabenland: Forschung und Entwicklung. Erst kürzlich wurde ein 12.600 m² großer Neubau für das Entwicklungszentrum in Waiblingen eingeweiht. Angela Merkel war per Videobotschaft mit dabei. Kosten: über 30 Mio. Euro. Und Innovationen sind bei Stihl alles. 1929 fing alles mit der weltweit ersten Benzinmotorsäge an. Nach dem Krieg zog sich das Unternehmen mit der „Contra-Säge“ aus dem Schlamassel. Das Neue: Sie war getriebelos und wog nur zwölf kg. 1964 kam das erste Antivibrationssystem, 1972 eine Stopp-Automatik – heute alles weltweit Standard. Aktuell forschen die Stihler vor allem an innovativen Antriebstechnologien, etwa mit Akkus. Dank einer Lithium-Ionen-Einheit, die als Rucksack getragen wird, können Kunden heute schon einen ganz Tag lang akkubetrieben arbeiten. 2014 gab es eine weitere Weltneuheit: Stihl brachte den ersten akkubetriebenen Trennschleifer auf den Markt. „Wir sind immer auf der Suche, was noch nützlich sein könnte und dem Menschen hilft, dieselbe Arbeit in einem Fünftel der Zeit zu erledigen“, so Kandziora.

Mit Motorsägen fing alles an: Noch heute ist Stihl weltweit die meistverkaufte Marke in diesem Segment. (© Stihl Holding AG & Co. KG)

Der Qualität tue die internationale Produktion keinen Abbruch, so Kandziora. „Qualität kann man weltweit herstellen, ansonsten macht man irgendetwas falsch“, ist er überzeugt. Bei allen Produktionen gibt es Stichproben und Qualitätsprüfungen, jedes Gerät wird auf dem Prüfstand getestet, bevor es in den Vertrieb geht. Ist die Produktion für manche Teile auf Zulieferer angewiesen, werden diese qualifiziert und streng geprüft. „Nur das, was wirklich die Spezifikation erfüllt, wird verbaut.“ Sind die Lieferanten noch nicht auf dem entsprechenden Qualitätsniveau, werden sie von Stihl weiterentwickelt. „Davon profitiert zwar auch der Wettbewerb, doch das Risiko müssen wir eingehen“, so Kandziora. Solange keine Schutzrechte verletzt werden, sei das ganz normal. Doch selbst in solchen Fällen funktioniere die Zusammenarbeit mit den Behörden mittlerweile recht gut. Sogar in Problemländern wie China seien Razzien möglich, Haft- und Geldstrafen werden vollstreckt.

Stihl hat sich vom Stuttgarter Ingenieursbüro zur weltweit bekanntesten Motorsägenmarke entwickelt. Im internationalen Vergleich kann das Unternehmen mit zweierlei punkten: Mit den Werten eines Familienunternehmens und der Macht eines Konzerns.

Doch als deutsches Familienunternehmen hat Stihl einen besonderen, einen ideellen Qualitätsanspruch. „Spitzenqualität, Kundenorientierung und Innovation“ lautet das Markenversprechen. Um sicherzustellen, dass es auch im Ausland bei jedem Mitarbeiter ankommt, greift das Unternehmen zu unterschiedlichen Strategien. „Wir haben an jedem Standort eine Firmenkultur entwickelt, um unsere Strategien, Ziele und Werte zu verwirklichen“, sagt Kandziora. In China etwa sei die Personalfluktuation sehr hoch. Nach Chinese New Year könne schon mal ein Fünftel der Belegschaft fehlen. Die müssen neu eingestellt und geschult werden. Damit die Qualität nicht leidet, haben die Schwaben verlässliche Systeme hinterlegt, ähnlich wie bei den Lieferanten.

Firmenkultur bei Stihl ist entscheidend

Und sie stärken die Firmenzugehörigkeit der Mitarbeiter. Mitarbeiterzeitschriften spielen eine wichtige Rolle, auch an den Auslandsstandorten China, Brasilien und USA. Dort kommen nicht nur Unternehmensneuigkeiten zur Sprache, sondern auch Persönliches wie Hochzeiten, der Nachwuchs der Mitarbeiter und die alljährlichen Betriebsfeiern. Auch Ausbildung nach deutschem System komme an allen Standorten sehr gut an. Und die Jubiläen der Mitarbeiter spielen eine wichtige Rolle. Jedes 25-, 40- und 50-jährige Jubiläum wird gefeiert, auch wenn es sich nur um einen einzelnen Mitarbeiter handelt. Vor Kurzem gab es eine Feier für eine Jubilarin aus der Fabrik für Vergaser bei Hongkong. Die fand auf einer Motoryacht statt, die gesamte Belegschaft umrundete die Hong Kong Bay – Kandziora eingeschlossen. Bei den Mitarbeitern in Brasilien steht die Dauer der Betriebszugehörigkeit auf den Firmenausweisen.

Starke Familie: Der Gründer Andreas Stihl mit seinen Kindern Eva Mayr-Stihl und Hans Peter Stihl. Sie leiteten das Unternehmen bis 2002 und wechselten dann in den Beirat. (© Stihl Holding AG & Co. KG)

Auch die Fachhändler müssen Philosophie und Anspruch des schwäbischen Unternehmens verinnerlichen. „Sie bilden den ersten Kontakt zum Kunden. Da darf nichts schieflaufen“, so Kandziora. Damit das nicht passiert, suchen die Stihler ihre Fachhändler genau aus. Und sie sparen nicht an Schulungen. Klassisch sind Service und Reparatur, doch es können auch betriebswirtschaftliche Themen oder Verkaufsgespräche sein. Kontrolliert wird per Stichprobe – ein aufwendiges und teures System. „Wir hatten auch schon Fachhändler, die wieder ausgestiegen sind, weil ihnen die Anforderungen zu hoch waren“, erzählt Kandziora. Und es gibt auch diejenigen, die sie einfach missachten. Stihl-Geräte sind vereinzelt über Amazon zu erhalten – ein No-Go in der Welt des traditionsbewussten Qualitätsherstellers. Und explizit in den Fachhandelsverträgen ausgeschlossen. Stihl kauft die so verbreiteten Produkte dann selbst auf und überprüft per Seriennummer, welcher Fachhändler an den Internetriesen verkauft hat.

Der Vertrieb über die Fachhändler ist bestimmt der längere und teurere Weg. Aber es ist auch der nachhaltigere. In Brasilien hatte Stihl lange Jahre hohe Wachstumsraten, jeden Tag kam ein neuer Fachhändler dazu. Zwar hat sich die Rate jetzt abgeschwächt, aber von einer Rezession spürt das Unternehmen nichts. „Die Krise, die Brasilien momentan hat, haben wir mit unseren Verkäufen dort nicht.“

Kurzprofil Stihl Holding AG & Co. KG

 Gründungsjahr 1926
 Branche Elektrogeräte zur Garten- und Landschaftspflege
 Unternehmenssitz  Waiblingen (b. Stuttgart)
Umsatz 2015 3,25 Mrd. Euro
 Mitarbeiterzahl ca. 14.200 (weltweit)

www.stihl.de

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