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Die Krux bei der Stakeholder-Kommunikation

Der Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden der Thyssen-Krupp AG, Dr. Heinrich Hiesinger, sowie ihm nachfolgend des Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Ulrich Lehner haben jüngst gezeigt, welche Bedeutung Kommunikation im M&A-Prozess beziehungsweise im Investorengeschäft haben kann. Insbesondere die öffentlichkeitswirksamen Stellungnahmen einzelner US-amerikanischer Investoren werfen Fragen auf – nach ihrer Unternehmenswohlorientierung und der rechtlichen Zulässigkeit.

Zu den Sorgfaltspflichten eines Vorstands beziehungsweise des Geschäftsführers einer GmbH gehört es, vertrauliche Angaben und Geheimnisse des Unternehmens diskret zu behandeln und Dritten gegenüber nicht zu offenbaren. Diese Pflicht obliegt den Mitgliedern der Geschäftsleitung: gegenüber dem Unternehmen nicht zugehörigen Personen, Organen der betrieblichen Mitbestimmung wie Betriebsrat oder Wirtschaftsausschuss sowie im Grundsatz gegenüber Aktionären und anderen Gesellschaftern. Dem gleichen Pflichtenrahmen unterliegt jedes Mitglied des Aufsichtsrates des Unternehmens, sei es, dass der Aufsichtsrat nach Gesetz zu bilden ist, sei es, dass es sich um ein freiwilliges Organ des Unternehmens handelt. Bei einem beabsichtigten Unternehmenskauf oder -verkauf muss die Geschäftsleitung diese Verschwiegenheitspflicht gegen die Maxime abwägen, die Interessen des Unternehmens zu wahren. Denn ein solches Interesse kann auch darin liegen, ein Geschäftsfeld zu veräußern und damit einen Teilbereich des Unternehmens zu verkaufen. In diesem Fall ist der rechtliche Rahmen der Verschwiegenheitspflicht mit dem weiteren rechtlichen Pol des Unternehmensinteresses auszubalancieren. Auch wenn im Einzelfall immer rechtliche Graubereiche verbleiben, kann dieses Szenario mit juristischen Instrumenten – auch haftungsfrei für die Unternehmensleitung – gut abgebildet werden.

Eine Frage der richtigen Dosierung

Deshalb kann und muss eine Kommunikation über den laufenden M&A-Prozess auch mit einzelnen Stakeholder-Gruppen stattfinden. Je nach dem zeitlichen und inhaltlichen Verlauf der Gespräche beziehungsweise des konkreten Verkaufsprozesses sind neben externen Beratern auch Finanzinvestoren, die Organe der betrieblichen Mitbestimmung, Gewerkschaften sowie Anker-Aktionäre beziehungsweise -gesellschafter in das Vorhaben einzubinden.

Die Information dieser Stakeholder-Gruppen ist in einzelnen Verfahrensstadien rechtlich geboten. Im jeweiligen Stadium müssen Vorentscheidungen getroffen werden, die für den Erfolg des M&A-Vorhabens maßgeblich sind. Dazu gehören zum Beispiel Art und Umfang von Personalmaßnahmen oder die Notwendigkeit und Strukturierung von Finanzierungs-instrumenten. In vielen Situationen ist die Kommunikation mit Stakeholdern aber auch erforderlich, um die notwendige unternehmenspolitische Unterstützung für das M&A-Vorhaben zu erlangen. Denn die Unternehmensleitung hat zu beachten, dass sie alle rechtlich zulässigen Maßnahmen ergreifen muss, die notwendig sind, um das anstehende M&A-Vorhaben zu realisieren. Kommunikation ist damit eine Frage der notwendigen Dosierung.

Der Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden der Thyssen-Krupp AG, Dr. Heinrich Hiesinger, sowie ihm nachfolgend des Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Ulrich Lehner haben jüngst gezeigt, welche Bedeutung Kommunikation im M&A-Prozess beziehungsweise im Investorengeschäft haben kann. Insbesondere die öffentlichkeitswirksamen Stellungnahmen einzelner US-amerikanischer Investoren werfen Fragen auf – nach ihrer Unternehmenswohlorientierung und der rechtlichen Zulässigkeit.

Rechtliche Koordinaten gelten für alle

Soweit diese wesentlichen Stakeholder in den M&A-Prozess eingebunden wurden und Informationen über das Vorhaben erlangt haben, unterliegen sie – solange und soweit keine öffentliche Meldung über das Vorhaben erfolgt ist – ebenso gesetzlichen Verschwiegen-heitspflichten wie die Unternehmensleitung. Auch ihnen ist es dann verwehrt, öffentlich zu dem Vorhaben Stellung zu nehmen, solange dies nicht von der Unternehmensleitung erfolgt ist. In diesem Sinn bestimmt die Unternehmensleitung nicht nur die Geschäftspolitik, sondern auch die Kommunikation im Zusammenhang mit der Geschäftspolitik.

Sobald und soweit das M&A-Vorhaben öffentlich ist, mag eine öffentlichkeitswirksame Kommunikation durch die Stakeholder zwar möglich sein – juristische Spielregeln verbleiben dennoch. Für diese Spielregeln haben die Gerichte eine klare Grenze gezogen bei unwahren Tatsachenbehauptungen, geschäftsschädigenden Äußerungen über das Unternehmen sowie ehrverletzenden Äußerungen gegenüber Personen der Geschäftsleitungsorgane. Damit ist es auch Stakeholdern wie etwa aktivistischen Investoren verwehrt, öffentlichkeitswirksame Stellungnahmen abzugeben, die diese Grenzziehung missachten.

Fazit: Konsequenzen ziehen

Das Ergebnis dieses juristischen Koordinatensystems für die Kommunikation im M&A-Prozess ist offensichtlich: Entscheidend ist eine gute und von Beginn an strategisch aufgesetzte Kommunikation innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Letztlich sollten Unternehmensleitung und -aufsicht darüber nachdenken, den Versuchen einzelner Stakeholder, die aufgezeigten Spielregeln der Kommunikation zu missachten, Grenzen zu setzen, mitunter auch auf juristischem Weg.


Zur Person

Dr. Stefan Simon ist Rechtsanwalt und Partner der SPITZWEG Partnerschaft mbB. SPITZWEG ist eine interdisziplinäre Sozietät mit Sitz in München, die ihre Mandanten in allen Bereichen des Gesellschafts- und Steuerrechts national und grenzüberschreitend berät. Herr Dr. Simon ist als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht unter anderem auf die Gestaltung von M&A-Projekten sowie die Strukturierungsberatung mittelständischer Unternehmen spezialisiert.

www.spitzweg.com

 

 

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