Website-Icon Unternehmeredition.de

Sehr günstiges Finanzierungsumfeld

Die Finanzierungsbedingungen für deutsche Unternehmen sind trotz Konjunkturunsicherheit und Spannungen innerhalb der Eurozone sehr gut. Ein anhaltend niedriges Zinsumfeld und der scharfe Wettbewerb unter den Kreditinstituten tragen dazu bei. Die Kreditnachfrage ist angesichts der Investitionszurückhaltung zurzeit aber eher niedrig.

Niedrige Kredithürde

Während große Teile der Eurozone von Rezession geplagt sind und Unternehmen dort nur schwer an Bankkredite kommen, können sich deutsche Mittelständler guter Bonität den Finanzierungspartner praktisch aussuchen. Die Bedingungen waren selten so gut wie heute. Die vom Münchner Ifo-Institut ermittelte Kredithürde für die gewerbliche Wirtschaft liegt mit 20,2% nahe ihrem Rekordtief von April 2012 – somit berichtet nur ein Fünftel der befragten Unternehmen von einem restriktiven Kreditzugang. Ende 2009 waren dies noch 42,4%. Die Unternehmen haben selbst dazu beigetragen, indem sie in den vergangenen Jahren ihre Eigenkapitalquoten und ihre Bonität teils deutlich erhöht und sich zunehmend auch bankenunabhängig finanziert haben. Lagen die EK-Quoten 2010 im kleinen Mittelstand (unter 50 Mio. EUR Jahresumsatz) durchschnittlich bei 16,9%, so waren es 2011 schon 19,8%, so der Sparkassen- und Giroverband in seiner „Diagnose Mittelstand 2013“. Tendenz weiter steigend.

Schwache Kreditnachfrage

Allerdings schlagen Konjunktur- und Investitionsschwäche auf die Kreditnachfrage durch. Nach Zahlen der KfW ist das Kreditneugeschäft mit Unternehmen und Selbstständigen im Schlussquartal 2012 im Vergleich zum Vorjahr um 2,3% und im 1. Quartal 2013 sogar um 6% geschrumpft. Während Sparkassen (4,8% mehr Kreditvolumen 2012) und Genossenschaftsbanken in diesem Umfeld Marktanteile gewinnen, schwächeln insbesondere Großbanken, Landesbanken und Auslandsbanken. Aber viele haben den Mittelstand wiederentdeckt und buhlen um gute Kunden. So will die Deutsche Bank ihre „Mittelstandskompetenz bündeln und stärken“ – 180 zusätzliche Beratungszentren für Firmenkunden in den inländischen Filialen sollen für größere Kundennähe und mehr regionale Verankerung sorgen.

Ziel: Mehr Neugeschäft

Wachsen will auch die Commerzbank Mittelstandsbank. „Wir wollen unsere Beratungskompetenz steigern und den strategischen Dialog mit unseren Firmenkunden intensivieren“, sagt Marc Steinkat, bei der Commerzbank Vorsitzender der Geschäftsleitung Mittelstandsbank in Bayern Süd. Die Kreditwünsche der Unternehmen seien seit einiger Zeit weniger investitions-, sondern großteils auftragsbezogen. „Um Markteinteile zu gewinnen, bieten wir auch dem kleineren Mittelstand ab 2,5 Mio. EUR Jahresumsatz maßgeschneiderte und schnelle Lösungen bei der Kreditvergabe an.“ Hierbei werden insbesondere auch Förderkredite in die Finanzierung mit einbezogen, wie z.B. von der LfA in Bayern und anderen Förderinstituten.

Bessere Finanzkommunikation

Bei der Kreditvergabe sei natürlich das Rating ein wichtiges Kriterium, aber noch wichtiger sei das Geschäftsmodell des Unternehmens, sein Ausblick und Wachstumspotenzial z.B. durch innovative Produkte. „Wir schauen bei unserer Bewertung der Firmen vor allem mit dem Scheinwerfer nach vorne und nicht nur nach hinten in den Rückspiegel. Es geht um die Zukunftsfähigkeit und nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens“, so Steinkat. Die Mittelständler hätten ihre Finanzkommunikation in den letzten Jahren weiter verbessert; diese Entwicklung habe schon mit der Einführung von Basel II begonnen. Mit hoher Berichtsqualität und mehr Transparenz steigere ein Unternehmen seine Chancen auf günstige Konditionen.
Steinkat rechnet damit, dass es durch die höheren Eigenkapitalanforderungen gemäß Basel III in den nächsten Jahren zu Verteuerungen insbesondere bei Langfristkrediten kommen wird. Deshalb empfiehlt er Unternehmen, perspektivisch bei den zurzeit extrem niedrigen Zinsen Kredite aufzunehmen, auch wenn die Finanzmittel nicht sofort gebraucht würden. „Ein Zinsanstieg wird sich nicht ankündigen, sondern er wird plötzlich kommen, beispielsweise durch exogene Faktoren im Rahmen der Euroschuldenkrise“, erklärt Steinkat.

Wenige Kredite „auf Vorrat“

Kontinuität spielt eine große Rolle. „Unternehmen möchten nicht ständig damit rechnen müssen, dass die Bank ihre Geschäftspolitik ändert; sie wollen Stabilität und Nachhaltigkeit in der Bankbeziehung“, sagt Claus Herrmann, Geschäftsführer der Merkur Bank (München), einer familiengeführten Privatbank mit Fokus im Mittelstandsgeschäft auf Bayern, Thüringen und Sachsen. Aus seiner Sicht sind es nur wenige Firmen, die sich Kreditlinien „auf Vorrat“ beschaffen; eher werde von kurz- in langfristige Finanzierungen gewechselt, z.B. durch die Reduzierung bzw. Umschichtung von Kontokorrentkrediten. Finanzierungen ab fünf Jahren und länger würden meist mit zinsgünstigen Krediten der Landes-Förderbanken sowie der KfW gestaltet.



Größere Zinsspreizung

Dabei zeigten die Kreditkonditionen eine größere Spreizung je nach Bonität, Sicherheiten und der Qualität der eingereichten Unterlagen. „Schon in den Jahren 2008 bis 2010 sind unsere Ansprüche an die Kommunikation und das Reporting der Unternehmen gestiegen“, erklärt Herrmann. „Viele Unternehmen haben das beherzigt und damit die Vertrauensbasis gestärkt, manche aber müssen sich da noch verbessern.“ Bei der insgesamt verhaltenen Investitionskreditnachfrage kommen laut Herrmann am ehesten Finanzierungsanfragen zur Verbesserung der Wertschöpfungskette. Hinzu kämen Wachstumsfinanzierungen, um steigende Auftragseingänge abzudecken. Ausnahmen vom insgesamt guten Kreditzugang des Mittelstands sieht er am ehesten in der Solar- und in der Druckbranche – letztere wegen ihres großen Umstellungsdrucks auf die neue (Digital-)Technik.

Starker Preisdruck

Für die österreichische Bank für Tirol und Vorarlberg (BTV Bank), die seit 2006 auch in Bayern und Baden-Württemberg aktiv ist, zählen inhabergeführte, mittelständische Unternehmen zu ihrem Kernmarkt. „Wir sind mit unserem Firmenkreditgeschäft in Süddeutschland in den letzten Jahren um 10 bis 20% p.a. gewachsen“, sagt Dr. Hansjörg Müller, Vertriebsleiter Firmenkunden in Deutschland. Müller sieht einen starken Preisdruck im Kreditgeschäft, da inzwischen fast alle Wettbewerber den Mittelstand wiederentdeckt und ihre Vertriebsmannschaften verstärkt hätten. „Das heißt, mittelständische Unternehmen mit guter Bonität können es sich momentan aussuchen, mit wem sie finanzieren“, sagt Müller. „Für uns ist bei der Kreditvergabe wichtig, wie das Unternehmen in seinem Markt positioniert ist und wo die strategische Ausrichtung hingeht.“ Müller erwartet, dass wegen des harten Wettbewerbs die Kreditmargen unter Druck bleiben; die Auswirkungen von Basel III würden sich erst langsam auf den Markt auswirken. Aus seiner Sicht hat die Spreizung der Margen zwischen Unternehmen mit guten und schlechten Bonitäten zugenommen. „Ich denke, sie wird auch noch weiter zunehmen, das heißt die Risikoaufschläge für Unternehmen schlechter Bonität steigen.“ Ein genereller Zinsanstieg bei Firmenkrediten sei momentan nicht zu erwarten – allerdings sei eine Prognose angesichts der vielen Einflussfaktoren schwierig.

Mittelstandsverband zufrieden

Auch der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) beurteilt den Kreditzugang für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie die Kreditrichtlinien der Banken positiv. Das bestätigt auch die BVMW-Umfrage vom Februar 2013: 55,2% der befragten KMU bewerteten den Kreditzugang mit gut oder sehr gut, 26,2 mit befriedigend und nur 18,6% mit ausreichend oder mangelhaft. Als Gründe für die trotzdem eher verhaltene Kreditnachfrage verweist BVMW-Präsident Mario Ohoven auf die hohe Innenfinanzierungskraft der Unternehmen und die trotz der Finanzkrise gestiegene durchschnittliche Eigenkapitalquote der KMU, die seit 2008 mehr als verdoppelt wurde. „2006 wurden 43% der Investitionsausgaben mit Eigenmitteln bestritten, 2011 waren es 54% – Tendenz weiter steigend“, sagt Ohoven. „Zudem ist die Exportstärke der mittelständischen Wirtschaft in Regionen außerhalb Europas mit ein Grund dafür, dass sich viele Unternehmen in Deutschland einer komfortablen Finanzierungssituation gegenübersehen.“

Keine Kreditklemme in Sicht

Auch für die nahe Zukunft sieht Ohoven ausreichende Liquidität und keine Kreditklemme.
Allerdings bergen nach seiner Ansicht die Eurokrise und drohende Steuererhöhungen nach der Bundestagswahl Unsicherheiten. Dagegen sei von Basel III momentan keine Gefahr zu sehen, allenfalls ein leichter Anstieg der Kreditkosten um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte. „Die risikogewichteten Eigenkapitalanforderungen für Mittelstandskredite sollen nach Aussage der Regierung gleich bleiben“, so Ohoven. Dass sich Unternehmen nun zu den extrem günstigen Bedingungen „Kredite auf Vorrat“ beschaffen, sieht er nur vereinzelt – das sei kein breiter Trend. „Diese Entscheidung muss jedes Unternehmen im Einzelfall für sich abwägen.“

Flache Zinsstrukturkurve

Den nochmaligen leichten Rückgang der Kreditzinsen in den letzten zwölf Monaten – „von günstig auf sehr günstig“ – sieht Dr. Holger Schulz, Mittelstandsexperte beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV), auf längere Sicht etwas skeptisch, das könne nicht immer so weitergehen. Aufgrund der verhaltenen Kreditnachfrage und der lockeren Geldpolitik sei aber kein schneller Anstieg zu erwarten. „Das Mittelstandsgeschäft ist außerdem hart umkämpft, nachdem viele Wettbewerber eingesehen haben, dass es ein wichtiges und – wegen der breiten Streuung über Unternehmensgrößen und viele Branchen hinweg – relativ risikoarmes Geschäft ist“, sagt Schulz. Viele Unternehmen sichern sich die günstigen Konditionen langfristig, da auch die Zinsstrukturkurve sehr flach ist. Nach der konjunkturellen Stimmungsbesserung im ersten Quartal 2013 – nach dem schwachen Schlussquartal 2012 – hat Schulz die Hoffnung, dass die Investitionen im Laufe dieses Jahres wieder anziehen. Allerdings werde das nicht eins zu eins auf die Kreditnachfrage durchschlagen, denn: „Die Unternehmen verfügen zum Teil über komfortable Kapital- und Liquiditätspolster, wir sehen das an den Einlagebeständen.“ Dass es in bestimmten Branchen trotz allem schwer sei, an Kredite zu kommen, könne man so nicht sagen, erklärt Schulz. „Wir jedenfalls fällen keine grundsätzlichen Branchenurteile, sondern prüfen immer den Einzelfall.“

Ausblick:
Die Kreditzinsen sind zurzeit sehr günstig, insbesondere bei Laufzeiten ab fünf Jahren – je nach Bonität, Sicherheiten und Einbeziehung von Förderdarlehen meist zwischen knapp 3 und knapp 6%. Mittelständler sollten die Gunst der Stunde nutzen. Mit einer deutlichen Verschlechterung ist momentan zwar nicht zu rechnen, aber die extrem guten Bedingungen sollte man nicht einfach in die Zukunft fortschreiben.

Bernd Frank
redaktion@unternehmeredition.de

Die mobile Version verlassen