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Schuldschein als Finanzierungsbaustein

Immer mehr Mittelständler entdecken den Schuldschein als Finanzierungsinstrument. Zurecht: Er ist flexibel und vielseitig einsetzbar. Außerdem bietet er ersten Kontakt zum Kapitalmarkt.

Der Schuldschein ist ein attraktives und deshalb häufig genutztes Instrument in der Unternehmensfinanzierung. Das Emissionsvolumen erreichte im Jahr 2015 knapp 19 Mrd. Euro. Die Zahl der Transaktionen stieg auf 104. Damit war das Jahr 2015 das emissionsstärkste nach der Finanzkrise 2008, als Schuldscheine im Wert von über 24 Mrd. Euro am Markt platziert wurden. Aktuell ist mit rund 70 Mrd. Euro das höchste jemals am Markt ausstehende Schuldscheinvolumen erreicht.

Vorteil der individuellen Gestaltbarkeit

Volumen, Laufzeiten und Tranchen können auf die Bedürfnisse von Emittenten und Investoren zugeschnitten werden. Im Jahr 2015 begaben zum Beispiel drei Unternehmen Schuldscheine mit Einzelvolumina von mehr als einer Milliarde Euro, weitere elf Gesellschaften Schuldscheine mit mehr als 300 Mio. Euro. Der kleinste Schuldschein hatte ein Volumen von nur 15,5 Mio. Euro. Bevorzugte Laufzeiten sind fünf, sieben und zehn Jahre. Auf sie entfielen etwa 40 beziehungsweise 30 und 15 Prozent des gezeichneten Volumens. Bonitätsstarke Kapitalnehmer können Endfälligkeiten von deutlich über zehn Jahren am Markt unterbringen.

Schuldschein als Vorstufe zum Kapitalmarkt

Zwar ist der Schuldschein eine bilaterale Kreditvereinbarung, doch weist er wegen seiner stärkeren Formalisierung und der Platzierungsweise bereits Merkmale einer Anleihefinanzierung auf. Der Schuldschein ist einfacher und kostengünstiger, als die Anleihe zu platzieren. Die Dokumentation für den Schuldschein und die administrative Abwicklung sind unkompliziert. Dabei erlaubt er beides: Eine erste „Kapitalmarktpräsenz“ oder eine nur eingeschränkte Publizität der Transaktion. Dies bietet sich gerade für Familienunternehmen an. Zum Beispiel hat der Landmaschinenhersteller Claas wiederholt einen Schuldschein begeben, zuletzt im Frühjahr 2015 in Höhe von 300 Mio. Euro. So arrangiert Claas mit einer seit Langem innovativen Finanzierungsstrategie auch in anspruchsvolleren Marktsituationen problemlos jedes Volumen.Immer mehr Mittelständler entdecken den Schuldschein als Finanzierungsinstrument. Zurecht: Er ist flexibel und vielseitig einsetzbar. Außerdem bietet er ersten Kontakt zum Kapitalmarkt.

Sehr unterschiedliche Emittenten

Der Schuldschein ist ein Instrument sowohl für den gehobenen Mittelstand als auch für große Unternehmen. Die Emittenten kommen aus allen Wirtschaftssektoren. Das verarbeitende Gewerbe stellt allerdings die mit Abstand größte Gruppe: Rund zwei Drittel. Zweitstärkste Gruppe sind Dienstleistungsunternehmen mit etwa 20 Prozent. Deutlich zurückgegangen sind Begebungen von Versorgungs- und Energieunternehmen. Adressen aus ganz Europa nutzen den deutschen Schuldschein, auch wenn heimische Unternehmen mit etwa 80 Prozent Anteil dominieren. Die Unternehmensgrößen sind breit gefächert: Von 100 Mio. Euro Jahresumsatz bis zu mehr als 25 Mrd. Euro. Zwei Drittel der ­begebenden Unternehmen besaßen im Jahr 2015 eine Qualität vergleichbar mit „Investment Grade“, etwa ein Viertel der Emittenten kam nahe an diese Einstufung heran. Immerhin hatten etwa acht Prozent nur eine schwächere Bonität.

Keine hohen Hürden bei der Emission

Der Schuldschein wird üblicherweise nicht besonders besichert, deshalb ist eine ausreichende „Kapitalmarktreife“ des Emittenten erforderlich: Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells, grundsätzliche Ausgewogenheit der Unternehmensfinanzen, Stetigkeit des Einnahmestromes, positive Unternehmenshistorie und Qualität der Dokumentation. Externe Ratings von Agenturen besitzen im Schuldscheinmarkt kaum Bedeutung, da Investoren eigene Ratings erstellen. Mit der richtigen Vorbereitung beträgt die Platzierungszeit eines Schuldscheines – von der ersten Bankenansprache bis zum Erhalt des Kapitals – rund zwölf Wochen. Investoren im Schuldschein sind Banken und institutionelle Investoren. Privatanleger können hier nicht investieren.

Fazit

Die Unternehmensfinanzierung entwickelt sich auch im Mittelstand über den traditionellen Bankkredit hinaus. Dabei bietet sich der Schuldschein als ideale Alternative an: Er ist relativ einfach in der Strukturierung und kostengünstig. Überdies wird der Kapitalgeberkreis erweitert und eine erste Wahrnehmung durch die relevanten Akteure erreicht. Somit ist die Begebung eines Schuldscheins auch eine sehr gute Vorbereitung für eine spätere „echte“ Kapitalmarktfinanzierung.


Zur Person

(© Capmarcon GmbH)

Dr. Hans-Werner Grunow ist Partner der auf Unternehmensfinanzierung spezialisierten Beratungsgesellschaft CAPMARCON. Nach beruflichen Stationen bei renommierten Adressen in Frankfurt, London und New York verfügt er über langjährige Erfahrung im Bank- und Finanzierungsgeschäft. www.capmarcon.de

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