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„Restrukturierung ist immer Teamarbeit“

Es waren nicht immer ruhige Zeiten für die Treofan aus dem hessischen Raunheim: Veränderte Marktbedingungen und Konkurrenzdruck ließen den Folienhersteller in die Verlustzone rutschen. Dr. Walter Bickel, zugleich CEO und CFO, erklärt, wie er den Turnaround schaffte. 

Herr Dr. Bickel, die heutige Gesellschafterstruktur von Treofan ging 2009 aus einem Debt-to-Equity-Swap der Investoren Management Capitali und EBF, heute Merced Capital, hervor. Ebenfalls zum Shareholder-Kreis zählt Goldman Sachs. Weswegen kam Treofan damals in Schieflage?

Dr. Bickel: Vor 2009 konnte man mit Standardfolien sehr viel Geld verdienen, es war ein Verkäufermarkt. Das hat sich gewandelt hin zu einem Käufermarkt, der im Standardbereich hochmoderne Anlagen erfordert. Die hohen Margen, die man einst erzielen konnte, sind im Standardbereich nicht mehr möglich, deshalb musste man das Geschäftsmodell unter den Möglichkeiten der vorhandenen Anlagenstruktur innovieren, sodass Marktstrategie und Assetstrategie in Gleichklang gebracht werden.

Sie sind Februar letzten Jahres als CRO eingestiegen. Wie haben Sie dieses Dilemma gelöst?

Wir mussten den bereits eingeschlagenen Weg, weg vom Standardfolienhersteller zum Spezialfolienanbieter, beschleunigen. Mittlerweile haben wir unsere Marktstellung in allen vier Geschäftsfeldern weiter ausbauen können: Verpackung, Etiketten, Technische Folien und Folien für die Tabakindustrie. Wir haben auch Innovationen stark vorangetrieben: Wir werden in diesem Jahr eine Separatorenfolie für den Bereich Lithium-Ionen-Batterien am Markt einführen, die nachhaltige technische Vorteile gegenüber den bisher am Markt erhältlichen Lösungen bringen wird. Wir gehen von einem starken Wachstum in diesem Bereich aus.

Also eine starke Diversifizierung des Geschäftsmodells. Wie ist Ihre Marktstellung international?

In Europa sind wir aktuell Marktführer. Weltweit sind wir mit unserem Ausstoß an zwischen dritter und vierter Stelle. Wir produzieren jährlich 8,5 Mrd. qm Folie.

Was waren weitere Meilensteine der Restrukturierung?

Als erstes haben wir Kosten runtergebrochen, die Liquidität gesichert und die Handlungsfähigkeit der Organisation wiederhergestellt. Die Fixkosten wurden nachhaltig abgesenkt über alle Werke und Funktionen. Auch die variablen Kosten wurden nachjustiert und alle Leistungen konsequent auf ihren Wertbeitrag überprüft. Alles in allem kommen wir auf eine Kostenentlastung im zweistelligen Millionenbereich. Zeitgleich wurde ein Working-Capital-Programm gestartet sowie das Ausgabeverhalten systematisch verändert. Es waren nicht immer ruhige Zeiten für die Treofan aus dem hessischen Raunheim: Veränderte Marktbedingungen und Konkurrenzdruck ließen den Folienhersteller in die Verlustzone rutschen. Dr. Walter Bickel, zugleich CEO und CFO, erklärt, wie er den Turnaround schaffte. 

Wir verfügen heute über eine im zweistelligen Millionenbereich höhere Liquidität. Die Organisation wurde deutlich gestrafft und der Vertrieb analog unserer Geschäftsfelder und entsprechend der dahinterliegenden Geschäftslogik ausgerichtet. Im kaufmännischen Bereich wurden neue Steuerungssysteme installiert. Der Umbauprozess wird über sechs Workstreams mit mehr als 200 Maßnahmen getrieben. Als nächstes haben wir die Assetstruktur ertüchtigt und uns auf Wachstum ausgerichtet.

Wenn Sie so viel investieren, scheint es ja wieder rund zu laufen bei Treofan. Ist die Restrukturierung abgeschlossen?  

Wir haben ein umfassendes Investitionsprogramm zur Modernisierung unserer Anlagen gestartet. Es gipfelt in der Errichtung einer der leistungsfähigsten Linien zur Herstellung von Spezialfolien weltweit. Unser gesamtes Investitionsprogramm beläuft sich auf mehr als 60 Mio. Euro und sichert unsere Strategie von der Anlagenseite ab. Ende des Jahres nehmen wir einen neuen Metalizer in unserem mexikanischen Werk in Betrieb, um für den steigenden Bedarf nach metallisierten Folien im US-Markt gerüstet zu sein.

Sind Sie wieder in der Gewinnzone?

Ja, wir machen etwa 500 Mio. Euro Umsatz und werden dieses Jahr zum ersten Mal wieder operativ positiv sein.

Wie beziehen Sie die Mitarbeiter in den Restrukturierungsprozess ein?

Restrukturierung ist immer Teamarbeit auf mehreren Schultern. Wir haben ein leistungsfähiges und veränderungswilliges Führungsteam rekrutiert und bei der Restrukturierung eine komplette Zwischenebene abgebaut. Darüber hinaus haben wir Rollen und Verantwortlichkeiten definiert und einen klaren Bezug zum operativen Geschäft hergestellt.

Was sind Ihre nächsten Ziele?

Kurzfristig hat der erfolgreiche Start unserer neuen Linie in Neunkirchen höchste Priorität. Darüber hinaus wollen wir bis Ende des Jahres unsere neue Separatorenfolie Treopore erfolgreich im Markt platzieren. Parallel werden wir konsequent weiter daran arbeiten, unsere Organisation auf die marktlichen Herausforderungen zu trainieren und entsprechende Expertise entweder intern oder durch weitere Rekrutierungen von außen aufzubauen.


Zur Person

(© Privat)

Dr. Walter Bickel ist Gründer und Gesellschafter der Bickel Jung & Company, einer auf die Umsetzung von ganzheitlichen Restrukturierungsprogrammen in Organ- oder Aufsichtsratsfunktion ausgerichteten Unternehmensberatung. Er verfügt über 30 Jahre Expertise im Turnaround-Segment und arbeitete für namhafte Firmen in diesem Bereich. www.bj-co.de

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