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Quo vadis, Unternehmensnachfolge?

Foto ©: AdobeStock_ASDF

Mit der Coronapandemie und dem Krieg in der Ukraine gehen weitreichende negative Folgen für die Wirtschaft einher, deren Ausmaße noch nicht vollständig absehbar sind. Wenngleich viele Experten auch 2023 eher mit einem Rückgang von M&A-Transaktionen rechnen, dürfte das Thema Unternehmensnachfolge für einige Unternehmensinhaber trotz der krisenbedingten Herausforderungen wieder stärker in den Fokus rücken. Im Vergleich zur familieninternen Nachfolge sind die kommerziellen Hindernisse im Rahmen eines Verkaufs an einen Dritten oftmals ausgeprägter. 

Viele mittelständische Unternehmen haben während der Coronapandemie ihre Liquidität zur Verlustfinanzierung aufgebraucht beziehungsweise teilweise rückzahlbare Finanzierungen in Anspruch genommen. Dringend erforderliche Modernisierungs- und Investitionsmaßnahmen wurden hingegen aufgeschoben oder nur in geringerem Umfang vorgenommen.

Der Krieg in der Ukraine belastet Unternehmen durch stark gestiegene Energie- und Rohstoffpreise (ob der aktuell zu verzeichnende Rückgang der Energiepreise nicht nur temporär ist, bleibt abzuwarten), ad hoc zusammengebrochene Lieferketten sowie branchenübergreifenden Rohstoffmangel. Daneben kämpfen Unternehmen mit erhöhten Kosten aufgrund der hohen Inflationsrate. Nicht allen gelingt es dabei, die Kostensteigerungen an die Kunden weiterzugeben; dies dürfte insbesondere von der Branche und der Marktmacht des betroffenen Unternehmens abhängen. Schließlich hat sich das Finanzierungsumfeld aufgrund gestiegener Zinsen zulasten der Unternehmen verändert und führt zur Belastung der GuV und damit des Jahresergebnisses.

In dieser Gemengelage sind die Geschäftsaussichten in vielen Wirtschaftsbereichen unsicher. Die Konsequenz: Die Investorensuche und damit der Verkaufsprozess werden erschwert.

Auswirkungen auf Unternehmensbewertungen im Rahmen der Kaufpreisfindung

Die genannten Krisenfaktoren wirken sich auf die Kaufpreisfindung und -verhandlung im Rahmen des M&A-Prozesses aus. Hierbei steht insbesondere das EBITDA des zu verkaufenden Unternehmens im Mittelpunkt. Der Verkäufer wird versuchen, das EBITDA um krisenbedingte Effekte zu bereinigen. Beispielhaft zu nennen sind die Bereinigung von COVID-19-bedingten temporären Umsatzausfällen, (temporären) Preissteigerungen für Rohstoffe sowie Inflationseffekten. Häufig scheitern solche Bereinigungsversuche allerdings an deren Komplexität und dem Zusammenspiel mit Gegeneffekten (etwa Einsparungen) beziehungsweise der Frage, ob bestimmte Effekte vorübergehend sind oder das Unternehmen nachhaltig belasten.

Daneben haben die Kriseneffekte auch Auswirkungen auf das für die Fortführung des Unternehmens erforderliche Working Capital (Target Working Capital). Das Target Working Capital ist das Ergebnis von Verhandlungen und wird in der Regel auf Basis eines historischen Durchschnitts ermittelt. Es ist sowohl bei der Vereinbarung von Closing Accounts als auch beim sogenannten Locked-Box-Mechanismus für die Bestimmung des Kaufpreises von Relevanz. Aufgrund der gestiegenen Rohstoffpreise und des zur Kompensation von ausfallenden Lieferanten erhöhten Vorratsvermögens wird ein Käufer grundsätzlich von einem im Vergleich zum Vorkrisenniveau erhöhten Target Working Capital ausgehen, was letztlich zu einem Kaufpreisabzug zulasten des Verkäufers führt. Hier ergeben sich weite Verhandlungsspielräume, je nachdem, ob man das Target Working Capital auf Grundlage des Krisenniveaus oder des (älteren) Vorkrisenniveaus fixiert und damit eine nachhaltige Erholung der Beschaffungsmärkte unterstellt.

Ebenfalls für die Kaufpreisfindung relevant sind die Auswirkungen krisenbedingter Maßnahmen auf die Höhe der Nettofinanzverbindlichkeiten (Net Debt) des Unternehmens. So führen die Aufnahme von Fremdkapital oder die Verwendung von unternehmenseigenen Cashbeständen zwecks Verlustfinanzierung oder vorübergehender Finanzierung von Working Capital zur Erhöhung der Nettofinanzverbindlichkeiten; sie verringern damit den Equity Value, also den Kaufpreis.

Kaufpreisfinanzierung

Haben sich die Parteien auf einen Unternehmenswert geeinigt, stellt sich die Frage nach der Finanzierung des Kaufpreises. Wird der Kaufpreis vom Käufer – wie häufig – unter Verwendung von Fremdkapital finanziert, wirken sich die derzeit steigenden Zinsen negativ auf die Rentabilität des Investments aus, was insbesondere für Finanzinvestoren die Kaufentscheidung erschweren kann.

Denkbar ist auch, dass der Käufer von Dritten (insbesondere Banken oder Debt-Fonds) keine ausreichenden Fremdmittel für die Finanzierung der Transaktion erhält. Um dem Käufer die Finanzierung zu erleichtern oder gar zu ermöglichen und damit die Durchführung der Transaktion sicherzustellen, kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht. So kann der Verkäufer dem Käufer den Kaufpreis beziehungsweise einen Teil des Kaufpreises verzinslich stunden (Vendor Loan). Bestehen wie in der aktuellen Krise Unsicherheiten über die Marktentwicklung und damit auch die Entwicklung des Zielunternehmens, so bieten sich Kaufpreisbestandteile an, die sich an der zukünftigen Ertragskraft des Unternehmens orientieren (Earn-out).

Daneben können die Veräußerung von weniger als 100% der Geschäftsanteile oder eine Rückbeteiligung des Veräußerers in Betracht kommen. In diesen Fällen kann der Veräußerer zum Beispiel für eine Übergangszeit im Unternehmen tätig bleiben, die Geschicke des Unternehmens weiter mitlenken und sich so gegebenenfalls einen weiteren Teil des Kaufpreises in einem späteren Exit-Szenario oder über einen Earn-out „verdienen“.

FAZIT

Auch in krisenbehafteten Zeiten ist die Unternehmensnachfolge durch M&A häufig angezeigt und nicht unmöglich. Dabei kommt es darauf an, dass sich die an dem M&A-Prozess beteiligten Parteien bei der Findung des angemessenen Kaufpreises aufeinander zubewegen und einen für beide Parteien akzeptablen, an den Ertragsaussichten des Unternehmens ausgerichteten Kaufpreis vereinbaren, der auch bereits erbrachten Leistungen des Verkäufers hinreichend honoriert. Insbesondere dann, wenn der Kaufpreis wie etwa im Rahmen von Leveraged Buy-outs stark fremdfinanziert wird, kommt der Kaufpreisfinanzierung in einem Marktumfeld mit steigenden Zinsen eine besondere Bedeutung zu. Hier können Mechanismen wie Verkäuferdarlehen oder am zukünftigen Erfolg des Unternehmens orientierte Kaufpreisbestandteile dem Käufer die Finanzierung erleichtern.

Dieser Beitrag erscheint in der nächsten Magazinausgabe der Unternehmeredition 1/2023 mit Schwerpunkt “Unternehmensnachfolge”.

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