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Qualitätsaktien und Nullzins

Jetzt helfen nur noch Qualitätsaktien: Zum ersten Mal seit dem Bestehen der Währungsunion und der Bundesrepublik Deutschland liegt der wichtigste Leitzins bei null. Eine Rendite über Anleihen ist so nicht mehr möglich.

Die jüngste Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) ist der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung immer weiter erodierender Zinssätze, deren Ende noch nicht abzusehen ist. Unabhängig von der eher wirtschaftstheoretischen Frage, ob und inwieweit die Nullzinspolitik, die in der Realität der Märkte an vielen Stellen bereits negative Renditen mit sich bringt, marktwirtschaftliche Prinzipien aushebelt, hat sie in der Praxis bereits gravierende Auswirkungen. Und zwar für all jene, die ihr Vermögen langfristig auf möglichst risikofreie Art zumindest erhalten möchten, inflationsbereinigt und nach Steuern, versteht sich. Staatsanleihen, von jeher ein sicherer Hafen für Anleger zur Absicherung des eigenen Vermögens, aber auch klassische Anlageformen wie Tages- und Festgeld werden auf unabsehbare Zeit diesen realen Vermögenserhalt nicht mehr garantieren können, da sie nur noch Zinsen im Zehntelprozentbereich oder sogar negative Renditen erwirtschaften. Diese Situation dürfte sich noch verschärfen, denn nach Aussagen der EZB wird sich an der aktuellen Situation auch mittel- bis langfristig nichts ändern. Das bedeutet: Ein „Aussitzen“, also Abwarten, bis das Zinsniveau für Anleger wieder attraktiver wird, ist unter diesen Umständen keine Option.

Die meistgestellten Fragen, mit denen Vermögensverwalter in diesen Tagen konfrontiert werden, lauten folgerichtig: Wie kann man den aktuellen Anlagenotstand sinnvoll überwinden bzw. überbrücken? Wo gibt es, abseits der üblichen Anlageformen, noch risikoarme Alternativen mit positiven Renditen?

Eine der besten Antworten ist und bleibt ein Evergreen der Vermögensverwaltung: die Qualitätsaktie. Der Grundgedanke dabei ist seit jeher derselbe: Einzelwerte aus bewährten Industrien kaufen und halten, Markt und Zeit für sich arbeiten lassen und jährlich eine stattliche Dividende einfahren.Jetzt helfen nur noch Qualitätsaktien: Zum ersten Mal seit dem Bestehen der Währungsunion und der Bundesrepublik Deutschland liegt der wichtigste Leitzins bei null. Eine Rendite über Anleihen ist so nicht mehr möglich.

Die Identifikation von Qualitätsaktien ist anspruchsvoll

 Doch schon bei der Frage, was Qualitätsaktien eigentlich sind, beginnen die Schwierigkeiten. Denn nur auf den ersten Blick sind Qualitätsaktien Unternehmen, die unter anderem einen niedrigen Verschuldungsgrad, eine hohe Profitabilität und eine geringe Volatilität der Gewinne aufweisen. Hinzu kommt in den meisten Fällen eine attraktive Dividendenrendite – möglichst kombiniert mit der Aussicht auf kontinuierlich steigende Ausschüttungen. Neben den sehr guten Fundamentaldaten müssen Unternehmen, die sich für die Kategorie „Qualitätsaktie“ qualifizieren, über ein nachvollziehbares und vor allem ein tragfähiges Geschäftsmodell verfügen. Sie sollten idealerweise Waren und Dienstleistungen anbieten, die auch in Krisenzeiten abgesetzt werden können. Klassische Qualitätsaktien wären nach dieser Definition zum Beispiel Anteilsscheine von Nahrungsmittelkonzernen, soliden Industrieunternehmen, Versorgern oder Mineralölunternehmen.

Ein genauerer Blick auf Letztere aber offenbart: Die Annahme, „einmal Qualitätsaktie, immer Qualitätsaktie“, ist ein Trugschluss. Wer zum Beispiel in den beiden großen deutschen Energieversorgern investiert ist, die nach der Energiewende binnen vergleichsweise kurzer Zeit massiv an Wert verloren haben, der weiß warum. Und gerade das Beispiel der Mineralölkonzerne verdeutlicht, dass Geschäftsmodelle, die lange Zeit als weitestgehend krisenfest galten, erstaunlich schnell unter Druck geraten können. Disruptive Technologien, wie das Fracking, haben zu einem Überangebot an Rohöl und einem drastischen Verfall des Ölpreises geführt, der sich nur ganz allmählich wieder zu erholen scheint. In vielen traditionellen Industriesektoren schließlich hat die Digitalisierung das Potenzial, bis dato solide Geschäftsmodelle ins Wanken zu bringen und damit einstigen „Qualitätsaktien“ innerhalb kurzer Zeit ihren Nimbus als verlässliche Anlage zu rauben. Wer dank eines innovativen Technologieanbieters wie Uber, Ebay oder Amazon in seiner Industrie zum „Dinosaurier“ geworden ist, disqualifiziert sich für eine langfristige, werterhaltende Investmentstrategie von selbst.Jetzt helfen nur noch Qualitätsaktien: Zum ersten Mal seit dem Bestehen der Währungsunion und der Bundesrepublik Deutschland liegt der wichtigste Leitzins bei null. Eine Rendite über Anleihen ist so nicht mehr möglich.

Selektion mit Weitsicht und Kontrolle

Wie aber kann man Qualitätsaktien, die dies auch über längere Zeit zu bleiben versprechen, verlässlich identifizieren? Und mindestens genauso wichtig: Wie kann man früh genug feststellen, wann das Geschäftsmodell eines Unternehmens oder einer Branche im Begriff ist, das Prädikat „Qualitätsinvestment“ zu verlieren? Es gilt, die Sprengkraft auf bestehende Geschäftsmodelle, die von disruptiven Technologien, Veränderungen von regulatorischen Rahmenbedingungen oder Marktverschiebungen ausgeht, frühzeitig zu erkennen und richtig einzuordnen – um dann mit Konsequenz die entsprechenden Umschichtungen im Portfolio nachzuziehen. Dafür bedarf es eines fundamentalen Verständnisses der unterschiedlichen Industrien und Märkte, und mehr noch: der Fähigkeit, Geschäftsmodelle zu verstehen und sie immer wieder auf ihre Zukunftsfähigkeit hin überprüfen zu können.

Qualitätsaktien für den Vermögenserhalt

Die eigentliche Arbeit des Vermögensverwalters beginnt, wenn die Analyse über die Kennzahlen hinausgeht. Denn erst wenn das Geschäftsmodell durchleuchtet und verstanden wurde, in einem persönlichen Dialog mit dem Unternehmen das Management seine Qualitäten unter Beweis gestellt hat und die Tragfähigkeit und Krisenfestigkeit des Unternehmens sich auch unter widrigen Umständen erwiesen hat, ist das Prädikat Qualitätsaktie angebracht. Aber auch nur so lange, wie die fortlaufende Analyse nicht zu anderen, die künftige Solidität infrage stellenden Ergebnissen kommt.

Fazit

Ein Portfolio aus wahren Qualitätsaktien im oben definierten Sinn hat das Potenzial, im aktuellen Nullzinsumfeld einen zuverlässigen Vermögenserhalt zu bieten – und durch eine attraktive Dividendenrendite in der Regel auch mehr als das. In einer Welt ohne Zinsen ist das die gute Nachricht: Beachtet man die genannten Grundregeln, dann kann ein Aktienportfolio auch in Krisenzeiten zum sicheren Vermögenserhalt beitragen und klassische Anlageformen wie Anleihen oder Festgeld ersetzen.


Zu den Personen

(© Rothschild)

Dr. Reinhard Krafft ist seit 2011 Geschäftsführer der Rothschild Vermögensverwaltungs-GmbH in Frankfurt am Main. Johannes Day ist seit 2003 Leiter des Portfoliomanagements in Deutschland sowie Mitglied der Geschäftsleitung und Mitglied im Global Investment Committee der Rothschild Gruppe. www.wealthmanagementandtrust.rothschild.com

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