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Planen, abgeben, loslassen

Führungsposition: Im Unternehmen sollte der Nachfolger schon frühzeitig feststehen.

Führungsposition: Im Unternehmen sollte der Nachfolger schon frühzeitig feststehen.

Manche Unternehmer verschieben aus emotionalen Gründen eine Übergabe nach hinten – andere setzen zu lange auf die eigene Familie. Unter Umständen muss dann unter Zeitdruck ein externer Nachfolger gefunden werden oder – im schlimmsten Fall – das Unternehmen schließen.

In den vergangenen Monaten sorgte das Ansinnen des Hamburger Kaffeerösters Albert Darboven für Schlagzeilen, den Sohn seines Mitbewerbers Andreas Jacobs zu adoptieren, um die eigene Nachfolge sicherzustellen, für Schlagzeilen. Laut Gesellschaftsvertrag der Darboven Rösterei darf die Unternehmensleitung nur von einem nahen Familienangehörigen übernommen werden. Mit dem eigenen Sohn hatte sich der Familienunternehmer Albert Darboven jedoch überworfen.

Dies ist zweifellos ein besonderer Fall – meist zeigt sich der Sachverhalt andersherum: So beobachten wir seit geraumer Zeit, dass Familienangehörige häufig nicht gewillt oder fähig sind, die Verantwortung für das Unternehmen von ihren Eltern oder Verwandten zu übernehmen. Schließlich erleben sie tagein tagaus, wie das Unternehmen das Familienleben dominiert.

Dennoch gibt es immer noch viele Unternehmer, die auf eine familieninterne Lösung setzen nach dem Motto Der Vater/die Mutter hat´s gegründet, die Kinder übernehmen es, ohne über Alternativen nachzudenken. Die Folge: Je länger Inhaber am Wunsch der familieninternen Nachfolge festhalten, desto kürzer wird die Zeit, um einen Mitarbeiter als Nachfolger aufzubauen oder einen externen Nachfolger zu finden. Man darf schließlich nicht vergessen: Kein Unternehmer ist davor gefeit, unverhofft schwer zu erkranken oder zu versterben. Und tritt tatsächlich eine solche Situation ein, muss die Übergabe überstürzt vorgenommen werden. In Extremfällen muss das Unternehmen sogar schließen, weil sich auf die Schnelle kein geeigneter Nachfolger finden lässt.

 Stets rational bleiben

Es ist durchaus verständlich, dass es vielen Unternehmern nicht gerade leicht fällt, über das eigene Ausscheiden nachzudenken. Schließlich haben viele ihr Unternehmen mit viel Herzblut aufgebaut und erfolgreich durch so manche Höhe und Tiefe geführt. Gleichwohl stehen aktuell nach unserer Schätzung jährlich rund 30.000 Familienunternehmer vor genau dieser Aufgabe. Seit Mitte der 1990er-Jahre ermittelt das IfM Bonn die Anzahl der Unternehmensnachfolgen mithilfe eines speziell hierfür entwickelten Schätzverfahrens, weil es bis heute keine verlässliche amtliche Statistik über das Nachfolgegeschehen in Deutschland gibt.


“Streng wissenschaftlich gesehen erfüllen vier von fünf Unternehmen die Anforderung nicht. Daher stufen wir sie als nicht nachfolgefähig ein.”


Grundlage für unsere Schätzung ist, dass die Übernahme eines Unternehmens ökonomisch sinnvoll ist. Wir unterstellen, dass dies erst ab einem Mindestgewinn von 58.442 Euro – zuzüglich der Verzinsung des jeweils eingesetzten Eigenkapitals – der Fall ist. Streng wissenschaftlich gesehen erfüllen vier von fünf Unternehmen diese Anforderung nicht. Daher stufen wir sie als „nicht nachfolgefähig“ ein. Wir kalkulieren dabei aber auch ein, dass Unternehmen, die weniger erwirtschaften, bereits weit vor der Nachfolgefrage aus dem Markt ausscheiden. Nichtsdestotrotz dürfte es auch eine Reihe an Familienunternehmen geben, die diesen Mindestertragswert nicht erreichen – und dennoch nach einem Nachfolger suchen. Unter Umständen sind sie dabei auch erfolgreich: beispielsweise, weil der Nachfolger andere als rein ökonomische Ziele verfolgt oder über konkrete Ideen verfügt, wie er das Unternehmen zu einem zukunftsfähigen entwickeln kann.

Manche Unternehmer verschieben aus emotionalen Gründen eine Übergabe nach hinten – andere setzen zu lange auf die eigene Familie. Unter Umständen muss dann unter Zeitdruck ein externer Nachfolger gefunden werden oder – im schlimmsten Fall – das Unternehmen schließen.

Insgesamt rechnen wir damit, dass es bis 2022 weiterhin genügend Nachfolger geben wird. Lediglich in ländlichen Regionen dürften Familienunternehmen tendenziell größere Schwierigkeiten bei der Suche haben als Unternehmen in Ballungsräumen. Insbesondere im Handwerk muss damit gerechnet werden, dass Unternehmer in einzelnen Gewerken nicht mehr genügend Nachfolgeinteressenten finden, weil das jeweilige Berufsfeld insgesamt sehr stark an Attraktivität verloren hat. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Arbeitsplätze, die mit einer Unternehmensschließung wegfallen, in anderen Unternehmen anschließend neu entsteht. Voraussetzung ist jedoch, dass die Nachfrage nach den jeweiligen Produkten und Dienstleistungen weiter gegeben ist.

 Frühzeitig Vorsorge treffen

Unabhängig von der Nachfolgersuche ist es für jeden Unternehmer zunächst einmal wichtig, dass er frühzeitig für den Fall eines ungeplanten Ausscheidens vorsorgt – sowohl für das Unternehmen mittels Vollmachten, Unterschriftsberechtigungen und Stellvertretungen als auch für die eigene Familie, etwa durch eine Altersvorsorge und Lebensversicherungen.


“Für die Nachfolgersuche und den Übergabeprozess gibt es hingegen kein Patentrezept – außer dass man gut fünf bis zehn Jahre vor dem gewünschten Ausscheiden damit beginnen sollte.”


Für die Nachfolgersuche und den Übergabeprozess gibt es hingegen kein Patentrezept – außer dass man gut fünf bis zehn Jahre vor dem gewünschten Ausscheiden damit beginnen sollte. Denn gerade wenn sich kein familieninterner Nachfolger findet, lässt sich diese Aufgabe nicht mal so eben neben dem Alltagsgeschäft erledigen: Meist gestaltet sich die Suche nach und Auswahl von geeigneten Nachfolgekandidaten schwierig. Häufig ist sie sogar mehr vom Zufall bestimmt als von einer gezielten Strategie. Auch muss man mit Rückschlägen rechnen: So scheitern Unternehmensübergaben nicht selten daran, dass der potenzielle Nachfolger – insbesondere wenn es sich hierbei um Mitarbeiter oder externe Privatpersonen handelt – den Kapitalbedarf unterschätzt und erst während der Verhandlung beziehungsweise bei der Beantragung der Kredite merkt, dass das finanzielle Risiko für ihn zu groß ist.

Unbedingt realistisch denken

Zu Zeitverzögerungen tragen zudem Unstimmigkeiten über den Wert des Unternehmens bei: So mancher Alteigentümer schätzt diesen höher ein als die Kaufinteressenten. Tatsächlich kommt es jedoch oft vor, dass der bisherige Inhaber aufgrund seiner Übergabepläne schon seit Längerem notwendige Investitionen unterlässt, sodass beispielsweise die technischen Anlagen nicht mehr dem aktuellen Stand entsprechen. Ich betone in diesem Zusammenhang allerdings gerne das Wort notwendig. Denn prinzipiell ist es nicht automatisch negativ, wenn Unternehmer vor einem geplanten Verkauf beispielsweise betriebliche Reorganisationsmaßnahmen unterlassen oder F&E-Aktivitäten zurückfahren. Schließlich müssen die Alteigentümer damit rechnen, dass ihre Investitionen gar nicht vom Nachfolger honoriert werden, weil dieser ganz andere strategische Vorstellungen hat. Generell gilt jedoch: Damit ein Unternehmen nicht an Kaufattraktivität verliert, müssen der Investitionsstau überwindbar sein und die technischen Anlagen dem aktuellen Stand entsprechen. Unabhängig davon prüfen aber auch die Banken vor einer Finanzierung, ob die Unternehmensbewertung angemessen ist. Schließlich sind auch sie nicht bereit, überhöhte Kaufpreise zu finanzieren.

Sich bereitwillig zurückziehen

Ist schließlich die Nachfolge geregelt, gilt es für den Alteigentümer, auch loszulassen – unabhängig davon, ob es sich um eine familieninterne oder -externe Nachfolge handelt. Jegliches Einmischen führt zu Konflikten mit dem Nachfolger, wodurch im Extremfall die Unternehmensexistenz gefährdet werden kann. Besonders hoch ist diese Gefahr, wenn der bisherige Inhaber bislang nur für sein Unternehmen lebte und es versäumt hat, parallel dazu persönliche Interessen und Hobbys zu entwickeln, denen er sich im wohlverdienten Ruhestand widmen kann. Diese Unternehmer fallen oftmals nach dem Berufsende in ein persönliches Loch. Entsprechend stark kann der Wunsch sein, dem Nachfolger Tipps zu geben  – insbesondere wenn der Alteigentümer meint, Fehler bei der Geschäftsführung zu erkennen.


Zur Person

Prof. Dr. Friederike Welter ist hauptamtlich als Präsidentin des IfM Bonn tätig, Lehrstuhlinhaberin an der Universität Siegen sowie gefragte Wissenschaftlerin bei internationalen Forschungsprojekten. Für ihre Forschungstätigkeit über kleine und mittlere Unternehmen ist die Ökonomin bereits mehrfach international ausgezeichnet worden.

www.ifm-bonn.org

 

 

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