Website-Icon Unternehmeredition.de

Pionier aus der Provinz

Wer nach Buchbach in Oberbayern will, hat einen steinigen Weg vor sich. Kaum zu glauben, dass hier ein Vorreiter der elektrischen Stromversorgung zuhause war. Heute gehört die Firma Bauer zu den zehn größten deutschen mittelständischen Unternehmen im Elektrobereich.

Wenn die A 94 hinter Pastetten aufhört, geht es weiter auf Landstraßen, die nicht mal einen Mittelstreifen haben. Der Weg führt durch verwinkelte Bauerndörfer – will man ins oberbayrische Buchbach, ist man ohne Navigationssystem aufgeschmissen. Kaum zu glauben, dass es den findigen Schwaben Kaspar Graf 1911 genau hierhin verschlug: In einem Gebäude am Marktplatz eröffnete er damals einen Schlosserei- und Reparaturbetrieb für Landwirtschaftsmaschinen. Doch das war dem Unternehmer schnell nicht mehr genug. 1914 konzipierte er die Stromversorgung für das kleine Städtchen, in

Familie Bauer: Franz und Franziska (vorne), Alexandra Unterholzer und Franz III. (© Bauer Elektrounternehmen GmbH & Co. KG)

den zwanziger Jahren kamen die umliegenden Dörfer hinzu. Nach dem Krieg sorgte seine Firma dafür, dass Strom- und Wasserleitungen wieder aufgebaut wurden. Als Kaspar Graf 1952 starb, war er Betreiber eines eigenen Elektrizitätswerkes mit angeschlossenem Versorgungsgebiet, hatte seinen Betrieb durch zwei Weltkriege gebracht und dem Landkreis Mühlberg am Inn ein gutes Stück weit in Richtung Moderne verholfen.

Diese Geschichte erzählen Franz und Franziska Bauer mit Stolz. Die ganze Familie Bauer ist zusammengekommen, um Einblick in ihre Geschichte und die ihrer Firma zu geben. Es gibt Weißwürste und Brezen, und man bemerkt die Ruhe und das Selbstbewusstsein, die durch ein traditionsreiches Familienunternehmen wehen. Die Bauers sind fest verwurzelt. Wie sehr, das bemerkten sie zuletzt bei einem Schritt ins Ausland.

Ungebrochener Pioniergeist

Dass die Bauers den Graf‘schen Betrieb einmal fortführen würden, war keineswegs sicher. Kaspar Graf selbst war kinderlos, hatte aber durchaus Verwandtschaft, an die er hätte herantreten können. „Irgendwie schien ich ihm aber zu imponieren“, sagt Franz Bauer, Sohn des ersten Lehrlings von Kaspar Graf. Wie damals üblich, wohnten sie alle unter einem Dach. Die Mutter von Franz Bauer, Rosina, kochte für alle. Da der kleine Franz beim Ableben Kaspar Grafs erst acht Jahre alt war, übernahm sein Vater bis zu dessen Eintritt ins Unternehmen die Geschäftsführung. Mittlerweile haben diese die Kinder von Franz und Franziska Bauer, Franz III. und Alexandra, inne. Elektro Bauer ist also ein erweiterter Familienbetrieb in vierter Generation. Wer nach Buchbach in Oberbayern will, hat einen steinigen Weg vor sich. Kaum zu glauben, dass hier ein Vorreiter der elektrischen Stromversorgung zuhause war. Heute gehört die Firma Bauer zu den zehn größten deutschen mittelständischen Unternehmen im Elektrobereich.

„Im Prinzip habt ihr den Unternehmergeist von Kaspar Graf weitergetragen“, sagt Alexandra Unterholzer zu ihren Eltern. Mit deren Übernahme wandelte sich der Stromversorger zum Installationsunternehmen. Im Ladengeschäft am Buchbacher Marktplatz gab es nun Waschmaschinen und Geschirrspüler, auch Einbauküchen wurden geplant. Doch auch der regionale

Lichttechnik von Bauer: Das Unternehmen hat sich zum Installationsspezialisten gewandelt. (© Bauer Elektrounternehmen GmbH & Co. KG)

Elektrizitätsausbau schritt voran, die Aufträge wurden größer. Ein Autohaus, Turnhallen, Wohnungsbauten stattete die Firma Bauer mit elektrischen Leitungen aus. Die Mitarbeiterzahl vergrößerte sich ständig, 1982 waren es 35. Um alle unterzubringen, war zwei Mal ein Neubau notwendig. Seit 1984 ist der Stammsitz der Firma Bauer in der Kaspar-Graf-Straße 2.

Der Schritt in die große Welt

Heute zählt Bauer 820 Mitarbeiter und ist an neun Standorten vertreten. Zum Leistungsspektrum hinzugekommen sind Energietechnik, Sicherheitstechnik, auch für die Marine, Gebäudeautomation, Datentechnik und Photovoltaik. Bauer realisiert elektrotechnische Großaufträge in ganz Deutschland: Das städtische Krankenhaus in Kiel etwa wurde von Grund auf elektrisch ausgestattet, inklusive Starkstrom, IT-Netz und Telefonanlage. Der Umsatz des Unternehmens lag 2014 bei rund 130 Mio. Euro. Dass es so stark wachsen konnte, ist einer weiteren wichtigen Entscheidung von Franz und Franziska Bauer zu verdanken. „Beim Bau des Münchner Flughafens 1987 wurden auch ausdrücklich mittelständische Unternehmen ermutigt, an der Ausschreibung teilzunehmen“, erzählt Franz Bauer. Eine Empfehlung, die er sich nicht zweimal geben ließ. Um das Auftragsvolumen zu stemmen, suchte er Partnerunternehmen und bildete eine Arbeitsgemeinschaft. Unter seiner Federführung schafften sie es, Konzerne wie Siemens und Rheinelektra aus dem Rennen zu bugsieren und den Auftrag an Land zu ziehen. Für Bauer der erste Großauftrag. Die Flughafenleitung verlangte später zwar eine Einbeziehung der Konzerne in die Gemeinschaft – ein Schritt, der im Nachhinein aber nicht schlecht war. Mit den Konzernen im Rücken war es deutlich leichter, an öffentliche Gelder zu kommen – für den Mittelständler eine neue Erfahrung. Auch wenn der den Konzernen ein Dorn im Auge war und die Bauers eine 60-Stunden-Woche hatten – ihre Firma war nun im Gespräch.Wer nach Buchbach in Oberbayern will, hat einen steinigen Weg vor sich. Kaum zu glauben, dass hier ein Vorreiter der elektrischen Stromversorgung zuhause war. Heute gehört die Firma Bauer zu den zehn größten deutschen mittelständischen Unternehmen im Elektrobereich.

Aufbruch Ost

Aus dem Flughafenauftrag ergab sich ein weiterer wichtiger Schritt für das Unternehmen. Über eines der Partnerunternehmen entstand der Kontakt zum VEB Elektro-Anlagenbau Halle. Die Zusammenarbeit wurde intensiviert. Zwei Jahre lang statteten die Hallenser unter Bauer‘scher Federführung die Parkgaragen des Terminals aus. Als nach der

Mitarbeiter von Bauer: Mittlerweile sind es über 800. (© Bauer Elektrounternehmen GmbH & Co. KG)

Wende Unternehmen aus ganz Europa in Ostdeutschland investieren wollten, hatten die Bauers einen entscheidenden Vorteil: Sie kannten Menschen und Mentalität. Wohl auch deshalb trat die Geschäftsleitung nach der Wende an sie heran und bat sie, den Betrieb zu übernehmen.

Von Halle aus akquirierte Bauer dann erstmals Großaufträge in ganz Deutschland: Den Bendler-Block in Berlin, die Messe Köln, das Max-Planck-Institut in Jena. Auch der Standort Berlin wurde 1998 als Niederlassung von Halle eröffnet. Die Expansion schritt nun stetig voran: Als BMW 2001 ein neues Werk in Leipzig errichtete, gründeten sie dort eine Niederlassung, um vor Ort zu sein. 2005 kam Hamburg, 2008 Frankfurt und 2012 Düsseldorf hinzu. Die Niederlassung in Landshut wurde schon 1989 gegründet, 2001 folgte München. 2001 zog man in einen Neubau auf dem Messegelände. Aufträge waren nun die Riem-Arcaden in München, das Upper Eastside in Berlin, Oracle Deutschland oder das Phönix Center in Hamburg-Harburg.

Der Mensch im Mittelpunkt

Auch ins ferne Ausland wagten sich die Unternehmer aus Buchbach. Das war aber weniger erfolgreich. 2004 witterte Franz Bauer die Chance für einen Markteintritt in Dubai. Bereits zwei Jahre später zählte das Joint Venture 350 Mitarbeiter. Doch die Bauprojekte mit ihren vielen Kulturen und Sprachen glichen einem Hexenkessel, unmöglich, den Einzelnen mitzunehmen. Zusätzlich haben Vorfinanzierungen und Bürgschaften den deutschen Standort zu sehr belastet. Gerade noch rechtzeitig vor der Wirtschafts- und Finanzkrise konnten die Buchbacher ihre Anteile an den 2007 ins Boot genommenen Partner verkaufen.Wer nach Buchbach in Oberbayern will, hat einen steinigen Weg vor sich. Kaum zu glauben, dass hier ein Vorreiter der elektrischen Stromversorgung zuhause war. Heute gehört die Firma Bauer zu den zehn größten deutschen mittelständischen Unternehmen im Elektrobereich.

Gebäude von Bauer in Berlin: Heute ist das Unternehmen an neun Standorten vertreten. (© Bauer Elektrounternehmen GmbH & Co. KG)

Denn bei all dem Erfolg, den die Firma Bauer ausmacht: Im Mittelpunkt steht immer der Mensch. „Man muss jeden Mitarbeiter kennen und verstehen, um ihn an genau die Stelle zu setzen, wo er sein maximales Potenzial entfalten kann“, meint Alexandra Unterholzer. Es geht auch um Verlässlichkeit und Vertrauen, gerade auf einer Großbaustelle. Dort kann man unmöglich jeden Mitarbeiter kontrollieren. Es ist die Verantwortung des Einzelnen, auf die es ankommt. Die schärft die Firma Bauer, indem sie jeden Mitarbeiter ernst nimmt. In einer Charta hat sie die Grundsätze ihres Unternehmertums zusammengefasst: „Ausgehend von der Führungsspitze hat man sich dem Menschen im Unternehmen zuzuwenden, diesen zu fordern und zu fördern“, steht da. Oder: „Führungskräfte stellen sich allen Mitarbeitern gleich.“ Doch auch unabhängig davon war Mitarbeiterbindung schon immer ein Grundsatz des Familienunternehmens. „Wenn ein Mitarbeiter krank ist, sind die Führungskräfte dazu angehalten, ihn und seine Familie zu unterstützen“, meint Franziska Bauer. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie war noch nie Problem, sondern wurde schon immer gelebt.

Am Ende zählt Qualität

Wie stark sich die Mitarbeiterführung auf die Arbeitsweise niederschlägt, merkten die Bauers beim Bau des Flughafens. Zwischen dem Engagement ihrer Mitarbeiter und dem der Konzerne lagen Welten. „Unsere Mitarbeiter waren auch viel besser darin geschult, Einsparpotenziale zu erkennen und aufs Detail zu achten“, meint Franziska Bauer. Diese Akribie freut natürlich auch die Kunden. „Die merken zwar, dass wir etwas teurer sind, wissen dafür aber, dass alles tip-top ist“, ist Franz Bauer III. überzeugt. Doch natürlich zählt bei öffentlichen Ausschreibungen letztendlich der Preis. Die Bauers wachsen deshalb lieber organisch, Gewinne werden ins Unternehmen gesteckt und in Arbeitsplätze investiert. Wenn sie merken, sie können ein Projekt nicht stemmen, lassen sie es lieber sein. Auch größere Schritte ins Ausland sind nicht geplant. Angst, dass er dadurch Aufträge verpasst, hat Franz Bauer III. keine. „Letztendlich geht es um die Qualität, und die kommt beim Kunden an“, ist er überzeugt.

 Kurzprofil Bauer Elektrounternehmen GmbH & Co. KG

Gründungsjahr 1911
 Branche Elektrotechnik
 Unternehmenssitz  Buchbach (Oberbayern)
 Umsatz 2014  130 Mio. Euro
 Mitarbeiterzahl  820

www.bauer-netz.de

Die mobile Version verlassen