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Paradigmenwechsel durch das StaRUG: Cash statt Assets!

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Die letzten zehn Jahre Hochkonjunktur hießen für Unternehmen nicht nur mehr Umsatz, sondern auch deutlich gestiegene Komplexität in Prozessen und Strukturen, „Parallelbetrieb“ mehrerer Geschäftsmodelle, geringere Transparenz und Reagibilität. In Verbindung mit Kreditschwemme und Nullzinspolitik entstand eine Scheinsicherheit in den Finanzierungsstrukturen, die jetzt auf den Paradigmenwechsel des StaRUG trifft. 

Alle Welt diskutiert aktuell das neue Restrukturierungsverfahren StaRUG und seinen prozessualen Ablauf. Zu kurz kommt in der Diskussion, was der Gesetzgeber damit letztendlich wollte und was durch den Angleich der europäischen Rechtsordnungen wirklich passiert.

Was bestimmt das „Vermögen“ eines Unternehmens?

Im Grunde geht es um die Frage, welcher Parameter einfach und laufend transparent macht, ob ein Unternehmen gesund beziehungsweise die Zukunftsfähigkeit des Geschäftspartners gewährleistet ist.

In der DACH-Region spielen dabei sowohl die Kapitalausstattung als auch Vermögenswerte eine zentrale Rolle. Die Gründung einer GmbH ist nur mit einer Mindestkapitalausstattung möglich und die „Überschuldung“ hat bei uns eine essenzielle Bedeutung. Im angloamerikanischen Wirtschafts- beziehungsweise Rechtsraum ist das grundsätzlich anders: Für die Gründung einer Limited reicht 1 GBP (Great Britain Pound); nicht nur die Kapitalausstattung, auch die Bilanz ist möglichst schlank. Das Vertrauen in Zukunftsfähigkeit und Seriosität des Geschäftspartners basiert auf Transparenz hinsichtlich Liquidität.

Was logisch klingt, ist hierzulande ein Paradigmenwechsel mit weitreichenden Folgen und der Notwendigkeit, grundsätzlich umzudenken.

Der Paradigmenwechsel zum „Primat des Cashflows“

Beruht das Vertrauen des „deutschen Kaufmanns“ primär auf eher statischen Werten und bereits vorgenommenen Handlungen (zum Beispiel die Kapitalausstattung des Unternehmens), so ist es im angloamerikanischen Rechtsraum die zukunftsorientierte Bewertung von Dingen und Handlungen. Der klassische Ansatz „die Hoffnung stirbt zuletzt“ hat in diesem System keinen Platz, sämtliche Risiken müssen realistisch und konservativ eingeschätzt werden.

Das erfordert ein grundsätzliches Umdenken in der Unternehmenssteuerung bis hin zur Bewertung strategischer Optionen und möglicher Veränderungen des Geschäftsmodells unter dem Primat der Financials. Konkret: Die Durchfinanzierung eines Unternehmens muss zu jedem Zeitpunkt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf Sicht von mindestens 24 Monaten sichergestellt sein.

Drei prägende Elemente der langen Konjunktur

Die letzten zehn Jahre waren durchweg geprägt von anhaltender Konjunktur und nachhaltigem Wachstum. Bestimmend dafür waren im Wesentlichen drei Elemente:

Alle drei Elemente sind nachhaltige Wachstumstreiber. Je nachdem, wie intensiv die Managementressourcen mit der Bewältigung des Wachstums beschäftigt waren, blieb die Effizienz mehr oder minder auf der Strecke.

Zentrale Effekte: mehrdimensionale Komplexität und Intransparenz

Die Folgen des langen konjunkturellen Wachstums: zunehmende Komplexität in allen Prozessen und Strukturen, insbesondere auch im Leistungsspektrum und in seiner regional- beziehungsweise kundenspezifischen Varianz. Zugenommen hat die Arbeitsteiligkeit innerhalb des Unternehmens beziehungsweise des Konzerns; abgenommen haben hingegen Transparenz und Effizienz.

Eindeutige „Symptome“ sind gestiegene Intercompany-Umsätze, komplexe interne Verrechnungen und − am schnellsten sichtbar, weil mit operativem Ärger verbunden – abnehmende Liefertermintreue und schlechtere Steuerbarkeit der Wertschöpfung: Denn in der langen Wachstumsperiode wurden Potenziale realisiert, Chancen wahrgenommen und Marktpositionen besetzt. Es wurde um- und angebaut, die Produktion an Niedriglohnstandorte verlagert, Kunden bekamen neue Leistungen angeboten. Ausreichend Zeit für eine Redimensionierung und neue Ausrichtung von Geschäftsmodell und Wertschöpfung aus übergeordneter Sicht war nie. Besonders fällt dabei der „Parallelbetrieb“ mehrerer Geschäftsmodelle mit grundsätzlich gleichen Prozessen ins Gewicht, der unter anderem die Reagibilität zunehmend verschlechtert.

In Zeiten großer Volatilität wie aktuell während der Coronapandemie zeigten sich diese Symptome deutlich. Kreditschwemme, Nullzinspolitik und damit das billige, omnipräsente Geld überdeckten diese schlicht und pauschal durch Liquidität – gefährlich, denn: Diese Scheinsicherheit in den Finanzierungsstrukturen trifft jetzt auf den Paradigmenwechsel und die klaren neuen Anforderungen des StaRUG.

StaRUG als Erfolgshebel nutzen

Und doch ist jetzt der beste Zeitpunkt, die Vorgaben des StaRUG sowie die Erfahrungen der Coronazeit zu nutzen, um Prozesse und Geschäfte zu „begradigen“. Die entsprechenden Schritte sind einfach, begrenzt arbeitsintensiv − erfordern aber Konsequenz. Im Wesentlichen geht es um:

Der richtige Ansatz fokussiert Prozesse, Daten und Systeme. Die Basis: die Daten der Systeme, also beispielsweise Zeiten, Aufwände und Verbräuche. Bei richtiger Segmentierung und Bewertung liegen damit die Ursachen auf dem Tisch, konkrete Maßnahmen können fundiert diskutiert werden. Nachhaltige Potenziale können kurzfristig gehoben werden, wenn die „gröbsten Hunde“ aussortiert und strikte Regelwerke eingeführt werden. Schnell messbare Effekte sind:

FAZIT

Der Paradigmenwechsel des StaRUG hat also das Zeug dazu, ein nachhaltiger Erfolgshebel zu werden. Mit ihm lassen sich konjunkturbedingte Komplexitätstreiber eliminieren, in Szenarien mögliche Effekte der Nachhaltigkeit auf Supply Chain, eigene Wertschöpfung oder Marktseite abschätzen sowie Strategie- und Geschäftsmodelloptionen analysieren und bewerten.

Der klare Blick auf den Cash Conversion Cycle unterschiedlicher Geschäftssegmente, die Minimierung des Finanzbedarfs, die segmentspezifische Auswahl der Finanzierungsinstrumente und der zahlengetriebene Blick nach vorne machen Entscheidungen leichter und einfacher denn je: Es muss nicht ad hoc entschieden werden, wenn es „brenzlig“ wird, sondern die Weichen können auf lange Sicht richtig gestellt werden. Die Umsetzung des gewollten Paradigmenwechsels „Cash statt Assets“ sorgt somit für Effizienz, klarere strategische Entscheidungen und eine nachhaltige Verbesserung der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.


Dieser Beitrag erscheint in der Unternehmeredition 2/2021.

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