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Nur wer liquide ist, bleibt am Ball

Die Spielregeln der Finanzierung ändern sich unbemerkt, aber gravierend. Die größten Auswirkungen werden sich auf Gesellschafterebene zeigen – und zwar dann, wenn das Unternehmen im Rating abfällt, nicht mehr durchfinanziert ist und dringend Fresh Money benötigt.

Fast scheint es so, dass Liquidität im Überfluss vorhanden ist, Finanzierungswünsche meist schnell und unkompliziert erfüllt werden und einfache Finanzierungsinstrumente wieder auf dem Vormarsch sind. Kreditverträge werden wieder kürzer, LMA-Klauseln und Covenants scheinen der Vergangenheit anzugehören. Trotz allem stellt sich die Frage: Wer wird in welcher Unternehmenssituation wirklich finanziert? Zu welchen Konditionen und Bedingungen gibt es Geld für Unternehmen?

Risikofinanzierung durch Fremdkapital künftig schwerer

Die Vorgaben der EZB für die Banken sowie die Öffnung der Kreditmärkte für Nichtbanken machen eines deutlich: Die EZB will wissen, in welche Bonitätsklassen die Bankenkredite wandern. Das Vordringen von Algorithmen und automatischen Risikobewertungen, die „Second Opinion“ durch einen Wirtschaftsprüfer sowie das europaweit zentrale Sammeln dieser Risikobewertungen lassen vermuten, dass es bei der EZB bald eine zentrale, automatische und ausschließlich portfoliobasierte Bewertung der Kreditrisiken über Ausfallwahrscheinlichkeiten geben wird. Die Konsequenz für den Unternehmer? Überspitzt formuliert: Es ist ganz egal, was er und sein Unternehmen tun – die Maschine bestimmt das Risiko aufgrund laufend gesammelter Daten und deren übergeordneter Auswertung. Eigentlich kein Problem, konkrete Auswirkungen auf einzelne Unternehmen ergeben sich auch erst durch die Bilanzierungsvorschriften der Banken.

Höhere Eigenkapitalquote bei schlechtem Rating

Bereits heute müssen Kredite und Unternehmen mit schlechten Ratings zunehmend mit einer höheren Eigenkapitalquote hinterlegt werden. Durch IFAS 9 findet jedes Einzelengagement zum aktuellen Marktwert (Fair Value) in die Bilanz der Bank Eingang. Konkret heißt das: Die Bank darf nur den aktuellen Marktwert des Kredits ansetzen – also den Betrag, den ein Kreditaufkäufer am Finanzmarkt aktuell dafür bezahlen würde.

Die Spielregeln der Finanzierung ändern sich unbemerkt, aber gravierend. Die größten Auswirkungen werden sich auf Gesellschafterebene zeigen – und zwar dann, wenn das Unternehmen im Rating abfällt, nicht mehr durchfinanziert ist und dringend Fresh Money benötigt.

Die Auswirkungen auf die Bilanz sind gravierend. Ist ein Kredit ursprünglich mit zehn Prozent Eigenkapital hinterlegt und ist sein aktueller Marktwert 30 Prozent unter dem Ausgabewert, so hat die Bank einen Verlust von 30 Prozent des Kredits in den Büchern. Das Eigenkapital, welches dem Kredit unterlegt wurde, ist weg, und der in der Bilanz wertberichtigte Kredit müsste zusätzlich noch mit zum Beispiel 30 Prozent Eigenkapital hinterlegt werden.Handelt es sich nun noch um einen komplizierten Sanierungsfall, müssen Konzepte gelesen und bewertet werden, daraus Vorlagen erstellt und an Bankensitzungen teilgenommen werden. Dies bindet Ressourcen in Form von Mitarbeitern und kostet Cash – zumindest hinsichtlich der Reisekosten.

Bei dem derzeitigen Zinsniveau werden also die Banken alles tun, um die Kosten zu minimieren und auch den Wertberichtigungsbedarf so klein wie möglich zu halten. Für die Finanzierung heißt das: Der Kredit wird wohl so schnell wie möglich verkauft – an jemanden der sich zutraut, den ursprünglichen Wert weitgehend zu realisieren.

Finanzierungsquellen schlechter Bonitäten

Geht das Rating nach unten, läuft die Suche nach alternativen, meist eigenkapitalnahen, Finanzierungsformen schnell auf Hochtouren. Die Schlange der Private Equities und Hedgefonds ist derzeit lang. Sie übernehmen Restrukturierungsaufwendungen und hohe Risiken, da sie sich über die Wertsteigerung des Unternehmens und seinen Verkauf kapitalisieren, gehen jedoch nur ins Eigenkapital.

Die Spielregeln der Finanzierung ändern sich unbemerkt, aber gravierend. Die größten Auswirkungen werden sich auf Gesellschafterebene zeigen – und zwar dann, wenn das Unternehmen im Rating abfällt, nicht mehr durchfinanziert ist und dringend Fresh Money benötigt.

Will der Altgesellschafter also mit an Bord bleiben, heißt es für ihn Verluste und Restrukturierungsaufwendungen zu übernehmen. Dafür muss er über Fresh Money außerhalb des Unternehmens verfügen, das er wie ein Investor einsetzt. Für ihn heißt es Abschied nehmen von guten alten Inhabertugenden: Geld im Unternehmen stehen lassen, persönliche Liquidität als Gesellschafterdarlehen zuführen, persönlich Risiken tragen – alles ehrenwerte Einstellungen, die jedoch künftig zum Verlust des Unternehmens führen könnten. Er muss sich verhalten wie ein Investor – nicht wie ein traditioneller Unternehmer. Dafür braucht er liquides Eigenkapital außerhalb des operativen Unternehmens. Was ist also zu tun? Der Gesellschafter muss heute das EBITDA auf Branchenniveau heben, das operative Geschäft sauber und mit einem tragfähigen Leverage fremdfinanzieren, sein Eigenkapital außerhalb des operativen Unternehmens zukunftsträchtig anlegen, um damit handlungsfähig und liquide zu bleiben.

Die ersten guten Hausbanken wissen das und bieten meist gemeinsam mit Beratern integrierte Konzepte an, die den Finanzbedarf des Geschäftsmodells im digitalen Zeitalter, die Bandbreite des künftigen EBITDA und eine zukunftsfähige Gesamtfinanzierung unter Berücksichtigung eines liquiden Eigenkapitals darstellen.

Fazit

Die Spielregeln der Finanzierung ändern sich gravierend. In Zeiten, in denen Liquidität scheinbar ein freies Gut ist, müssen Unternehmer und Gesellschafter umso genauer hinsehen. Denn heute geht es nicht mehr darum, die Kontokorrentlinie zu erhöhen, Exportwachstum zu finanzieren und Investitionen bezahlen zu können. Finanzierungskonzepte, die keine Sicherheiten und niedrige Zinsen gegen möglichst geringe Verschuldungsgrade tauschen, sind für schlechte Zeiten nur wenig geeignet. Vielmehr müssen Geschäfte richtig konfiguriert, kleine und überschaubare Konzernstrukturen aufgebaut und Risiken dort allokiert werden, wo sie auch in Zukunft getragen werden können. Noch mehr als heute heißt es deshalb in Zukunft: Cash is King. Nur wer liquide ist, bleibt am Ball.

Zur Person

Dr. Volkhard Emmrich ist Managing Partner der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH und verantwortet den Geschäftsbereich Restructuring & Finance. www.wieselhuber.de

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