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Nullzinspolitik verfehlt ihr Ziel

Experten sind sich einig: Die Nullzinspolitik der EZB schürt die Hoffnung auf Investitionen der Unternehmen. Bislang ist davon allerdings wenig zu sehen. Viele Entscheider bleiben vorsichtig.

Welche Auswirkung hat die Nullzinspolitik der EZB auf die Unternehmensfinanzierung?

Dr. Marc Feiler, Mitglied der Geschäftsleitung der Bayerischen Börse AG

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Neben ihrem eigentlichen Auftrag der Gewährleistung einer angemessenen Inflationsquote verfolgt die Geldpolitik der EZB unter anderem das Ziel, die Kreditfinanzierung der Realwirtschaft zu erleichtern und so Investitionsbereitschaft und Wachstum zu stärken. Kurzfristig hatte und hat dies für die Unternehmensfinanzierung sicher positive Effekte. Mittel- und langfristig wird dafür jedoch ein hoher Preis zu zahlen sein, wenn die unumgängliche Zinswende harte Einschnitte bei Banken, Staaten und Unternehmen erforderlich macht. Deswegen bleibt es dabei: Eigenkapital ist Trumpf!


Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt, Commerzbank

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Dass die Kreditzinsen heute so niedrig sind, liegt vor allem an der lockeren Geldpolitik der EZB. Aber die EZB benachteiligt die kleinen und mittleren Unternehmen – vor allem im Süden der Währungsunion. Schließlich hat die EZB beschlossen, Euro-Unternehmensanleihen zu kaufen, sofern die Unternehmen ihren Sitz im Euroraum haben und ein Investment-Grade-Rating aufweisen


Joachim Secker, CEO, GE Capital Germany

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Tatsächlich befürchte ich, dass die Wirkung der erneuten Zinssenkung überschaubar bleibt. Die Strategie des günstigen Geldes ist bislang den Beweis schuldig geblieben, dass sie zwangsläufig Anreize für Investitionen schafft. Vielmehr bekommt Geld leider immer mehr den Charakter einer Ware „to go“, die nur abgerufen werden muss oder die jeder Unternehmer nebenbei ordern kann.


Dr. Jan Holthusen, Leiter Zins- und Anleihenresearch, DZ BANK

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Die Nullzinspolitik der EZB trägt grundsätzlich dazu bei, die Konditionen für die Unternehmensfinanzierung niedrig zu halten. Je günstiger sich die Banken bei der Zentralbank Geld beschaffen können, desto günstiger können sie es auch weiter verleihen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch andere Restriktionen, denen die Banken unterliegen. Gerade in Südeuropa ist es die Knappheit an Eigenkapital, die die Banken bei der Kreditvergabe zurückhaltend sein lässt.Experten sind sich einig: Die Nullzinspolitik der EZB schürt die Hoffnung auf Investitionen der Unternehmen. Bislang ist davon allerdings wenig zu sehen. Viele Entscheider bleiben vorsichtig.

Erwarten Sie wegen der neuerlichen Senkung des Leitzinses einen Investitionsboom?

Dr. Marc Feiler

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Das wäre zu hoffen, vor allem in den südlichen Euro-Staaten. Wirklich erwarten tue ich es aber nicht, zumindest nicht in Deutschland. Ich gehe davon aus, dass Unternehmen ihre Investitionsentscheidungen eher an ihren – derzeit gar nicht so schlechten – konjunkturellen Erwartungen und den daraus abgeleiteten Planungen orientieren. Der letzte Zinsschritt dürfte da von untergeordneter Bedeutung sein, zumal der Leitzins bereits seit Jahren historisch tief ist.


Dr. Jörg Krämer

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Nein. Schließlich schwächt die Politik des billigen Geldes die Rahmenbedingungen für die Unternehmen. So steigt das Risiko von gefährlichen Blasen am Immobilienmarkt, und wegen der fehlenden Lenkungsfunktion des Zinses dürfte das Produktivitätswachstum nachlassen. Außerdem nehmen die niedrigen Zinsen Reformdruck von den hoch verschuldeten Ländern im Süden, was die Existenz der Währungsunion gefährdet. Das Grundvertrauen vieler Unternehmen ist erschüttert. Darauf reagieren sie bereits heute mit Zurückhaltung. Auch deshalb haben die Unternehmen im Euroraum ihre Investitionen seit dem Abklingen der Finanzmarktkrise nur wenig erhöht.


Joachim Secker

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Dieser Effekt wäre wünschenswert. Doch die Erfahrung zeigt mittlerweile, dass niedrige Zinsen allein Unternehmen nicht zum Investieren motivieren. Im Gegenteil: Aus meiner Sicht trägt der Nullzinsansatz aktuell eher noch dazu bei, Verunsicherung bei Unternehmen auszulösen. Dabei suchen und brauchen diese vor allem – als Grundvoraussetzung für Investitionen – stabile Verhältnisse.


Dr. Jan Holthusen

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Ein Investitionsboom ist nicht zu erwarten, da die Höhe der Investitionen nicht nur vom Niveau der Kreditzinsen abhängig ist. Wichtiger sind lukrative Investitionsmöglichkeiten sowie der Wille der Unternehmen, diese auch durchzuführen. Hierfür ist ein investitionsfreundliches Klima entscheidend, und das wird wesentlich von der Politik bestimmt. Zentralbank und Geschäftsbanken können Kredite nur anbieten, die Unternehmen müssen diese dann auch abnehmen. Oder wie Karl Schiller einmal gesagt hat: „Man kann die Pferde zwar zur Tränke führen. Man kann sie aber nicht zwingen, das Wasser zu saufen.“Experten sind sich einig: Die Nullzinspolitik der EZB schürt die Hoffnung auf Investitionen der Unternehmen. Bislang ist davon allerdings wenig zu sehen. Viele Entscheider bleiben vorsichtig.

Macht die Geldpolitik der EZB Sinn?

Dr. Marc Feiler

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Auf diese Frage wird es völlig unterschiedliche Antworten geben, welche die vielfältigen Interessenlagen der Beteiligten widerspiegeln. Selbst innerhalb der EZB scheint es ja sehr konträre Bewertungen zu geben. Tatsache ist, dass die Geldpolitik der EZB nicht von der breiten Akzeptanz getragen wird, die für eine echte Legitimierung ihrer außergewöhnlichen Schritte wünschenswert wäre. Spannend ist, wie wir von der derzeitigen Liquiditätsschwemme wieder zum Normalzustand gelangen, oder um es mit den Worten des ehemaligen Finanzministers Steinbrück zu sagen: „Wie kommt die Zahnpasta zurück in die Tube?“


Dr. Jörg Krämer

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Die vielen Milliarden der EZB kommen kaum in der Realwirtschaft an. Das Wirtschaftswachstum und die Inflationsraten sind weiter niedrig. Stattdessen treibt die lockere Geldpolitik vor allem die Preise von Staatsanleihen, Aktien und Häusern. Insofern erfüllt die Geldpolitik nicht die Zwecke, die EZB-Vertreter in ihren Reden stets betonen.


Joachim Secker

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Günstige Kredite sind nicht das Allheilmittel. Interessant wird sein, wie Mittelständler mit Wettbewerbsdruck, steigenden Kosten sowie stagnierenden Preisen zukünftig umgehen werden. Die Unternehmen tun weiter gut daran, einen breiten Finanzierungsmix anzustreben, indem etwa alternative Finanzierungsinstrumente Berücksichtigung finden. Factoring kann etwa in kürzester Zeit Liquiditätsengpässe schließen und Freiräume für mehr Flexibilität schaffen.


Dr. Jan Holthusen

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Die positiven Wirkungen auf Preisniveau und Unternehmen dürften äußerst begrenzt sein. Andererseits verhindert diese Politik, dass dringend notwendige Strukturreformen in einzelnen Ländern wirklich angegangen werden. Mit der expansiven Geldpolitik werden die aktuellen Probleme übertüncht. Langfristig schafft die Niedrigzinspolitik Probleme bei der privaten Altersvorsorge, und kurzfristig führt sie zu Übertreibungen an einzelnen Assetmärkten, wie beispielsweise dem Immobilienmarkt.

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