Studie: Eine neue VC-Agenda für Deutschland und Europa

Foto: © Egor_AdobeStock

Europas Venture-Capital-Markt steht vor einer großen Bewährungsprobe: Zinswende und wirtschaftliche Unsicherheiten machen es Start-ups und Wachstumsunternehmen deutlich schwerer, Kapital einzusammeln.

Eine neue Studie der Internet Economy Foundation (IE.F), des Bundesverbands Beteiligungskapital (BVK), Lakestar und Schalast Law | Tax analysiert die Bedeutung von Wagniskapital als Motor des digitalen und ökonomischen Wandels sowie die größten Hürden für Venture-Capital-Investments in Deutschland und Europa. Darüber hinaus bietet die Studie fünf konkrete politische Handlungsempfehlungen, um mehr Wagniskapital zu mobilisieren.

Europa noch nicht auf Augenhöhe mit den USA und China

Die gute Nachricht zuerst: Der europäische Venture-Capital-Markt und damit die Finanzierungsmöglichkeiten für deutsche Start-ups haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Allerdings beobachtet Dr. Friedbert Pflüger, Vorsitzender der IE.F auch: “Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Europa im Wettbewerb um Wagniskapital noch nicht auf Augenhöhe mit den USA und China ist.” Um diese Lücke zu schließen, müssen wir die Rahmenbedingungen für VC-Investments verbessern und gezielt in die Zukunft investieren.

“Das hiesige Ökosystem hat Fortschritte gemacht, ist aber sehr stark von internationalen VC-Gebern abhängig. Es bedarf weiterer gemeinsamer Anstrengungen, um nicht den Anschluss zu verlieren und deutschen Startups und Wachstumsunternehmen im Standortwettbewerb den entscheidenden Push zu geben”, ergänzt Ulrike Hinrichs, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied beim BVK.

Viel mehr VC-Investitionen – aber immer noch zu wenig

In Deutschland wurden im Jahr 2022 insgesamt rund 9,4 Mrd. EUR Wagniskapital von Beteiligungsgesellschaften und anderen Investoren in Start-ups investiert – zwar weniger als im Ausnahmejahr 2021 (15,0 Mrd. EUR), aber mehr als doppelt so viel wie 2020.

Aber: Um bei den Venture Capital-Investitionen zum Bruttoinlandsprodukt bis 2030 zum aktuellen Niveau der USA aufzuschließen, beträgt der zusätzliche Kapitalbedarf von 2023 bis 2030 in Deutschland insgesamt rund 91 Mrd. EUR bzw. durchschnittlich 11,4 Mrd. EUR zusätzlich pro Jahr.

Die Studie zeigt weiterhin große Hürden, die den Zugang zu Wagniskapital behindern, darunter einen Mangel an privatem Kapital von institutionellen Investoren, international nicht wettbewerbsfähige rechtliche Rahmenbedingungen und mangelnde Teilhabemöglichkeiten für Start-up-Mitarbeiter/innen und Bürger/innen an der Wertschöpfung von Start-ups und jungen Unternehmen.

„Wir haben in Deutschland und Europa immenses Potenzial, um auf Augenhöhe mit den internationalen Wettbewerbern zu agieren. Gerade um die öffentlichen Initiativen und Programme der letzten Jahre nicht ins Leere laufen zu lassen, müssen wir einige steuerliche und aufsichtsrechtliche Themen endlich anpacken“, ergänzt Markus Solibieda, BVK-Vorstandsmitglied.

„Es geht darum, die strukturellen Weichen zu stellen, um Kapital zu mobilisieren, mit dem wir Innovation fördern. Innovation muss in Europa und Deutschland ein Zuhause haben. Es wäre doch dramatisch, wenn der nächste Biontech-Gründer es erst gar nicht in Erwägung zieht, in Europa zu gründen. Europas digitale Souveränität und Wohlstand sichern wir letztlich nur durch eine selbstbewusste Regulierung und einen massiven Zufluss an europäischem Kapital,“ kommentiert Dr. Klaus Hommels, Gründer und Vorsitzender von Lakestar.

Großer Handlungsdruck seitens der Politik – Was ist zu tun?

Die Start-up-Strategie der Bundesregierung zeigt das politische Interesse an der Unterstützung der Venture-Capital-Landschaft in Deutschland. Sie hat erkannt, dass Wagniskapital die wirtschaftliche und technologische Position unseres Landes sowie die damit verbundene wirtschaftliche Souveränität stärkt. Durch gezielte Maßnahmen können Innovationspotenziale gefördert und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gestärkt werden.

Doch die politische Umsetzung muss jetzt schnell erfolgen. Hierfür hat die Studie fünf konkrete politische Handlungsempfehlungen identifiziert:

  1. Mobilisierung von Vermögen – Privates Kapital stimulieren und es in die richtigen Bahnen lenken
  2. Abbau von Hürden – den Rechtsrahmen international wettbewerbsfähig gestalten
  3. Mehr Diversität – Frauen unterstützen, in Startups und Venture Capital-Fonds zu arbeiten
  4. Bessere Unterstützung von Ausgründungen – Die Potenziale bei der Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen nutzen
  5. Wissenstransfer – Die Vorzüge von Investitionen in Wachstumskapital in den Köpfen von Bevölkerung und Entscheidungsträger/innen verankern

Führende Venture Capital-Investor/innen nennen in der Studie anknüpfend an die vorgenannten Handlungsempfehlungen eine Reihe von Ansatzpunkten und machen konkrete Umsetzungsvorschläge, wie Europa und Deutschland im globalen Wettbewerb gestärkt werden können.

Hier finden Sie die gesamte Studie zum Download.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

Vorheriger Artikel„M&A ist gerade in Krisenzeiten ein unverzichtbares Werkzeug“
Nächster ArtikelTom Alzin ist Sprecher des Vorstands der DBAG