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Nachfolge gesucht

Selbstbewusster als früher gehen Kinder ihren eigenen Weg. Vor allem kleinere Unternehmen können ihre Nachfolge oft nicht mehr in der Familie besetzen. Vier Experten und ihre Meinungen.

Woran liegt es, dass viele Unternehmer keinen Nachfolger finden?

Christian Biebl, Geschäftsführer, Planat GmbH

(© Privat)

Nachfolger scheuen das Risiko und die Verantwortung sowie den Zeitaufwand.
In Familienunternehmen bestimmt meist der Seniorchef als Patriarch, der auch in Prozessen noch seinen Einfluss beansprucht, was zu Konflikten führen kann. Oft muss vor einer möglichen Nachfolge erst eine umfassende Umstrukturierung und Sanierung durchgeführt werden, um die Firma fit für eine Zukunft ohne Patriarchen zu machen. Das ist ein interner Abnabelungsprozess und gilt bei fremden Unternehmensnachfolgern ebenso wie auch bei Familiennachfolge.


Raoul Nacke, Geschäftsführender Gesellschafter, Eric Salmon & Partners

(© Privat)

Dies liegt branchenübergreifend primär an einer persönlichen Facette des Themas „Übergabe“. Häufig führt die emotionale Bindung des Unternehmers zu Schwierigkeiten bei der Nachfolgeregelung, egal ob die Nachfolge innerhalb der Familie stattfindet oder ein Fremdmanager rekrutiert wird. Kommt der Nachfolger etwa aus einem Konzern, bedeutet dies sowohl für den abgebenden mittelständischen Unternehmer als auch für den Nachfolger eine große Umstellung. Denn gute Manager sind nicht automatisch gute Unternehmer – sie haben meist eine andere Ausbildung und Sozialisierung genossen und schlichtweg ein anderes Wertesystem. Dies gilt es einerseits zu akzeptieren, andererseits hat der Nachfolger zu lernen, im Sinne des Mehrheitsanteilseigners zu agieren und dessen Zufriedenheit sicherzustellen.


Christoph Borges, Leiter Akquisitionen, GESCO AG

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Selbstbestimmung ist Trumpf: Die nächste Generation muss nicht mehr zwangsläufig das Ruder übernehmen. Wenn die Kinder das Unternehmer-Gen und die Eignung haben: prima! Wenn nicht, ist eine außerfamiliäre Lösung besser, für die beteiligten Personen wie auch für das Unternehmen. Auch die Work-Life-Balance mag eine zunehmend stärkere Rolle spielen: Manches Unternehmerkind hätte sich den Vater öfter zu Hause gewünscht. Und möchte nicht, dass es seinen eigenen Kindern ebenso ergeht.


Beatrice Rodenstock, Geschäftsführende Gesellschafterin der Rodenstock – Gesellschaft für Familienunternehmen mbH

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60 Prozent der Familienunternehmen hierzulande haben ihre Nachfolge noch nicht geregelt. Einer Studie von Professor Dr. Anna Nagl (Herausgeberin des Buches „Wie regele ich meine Nachfolge) von 2014 zufolge haben 71 Prozent der Unternehmer im Alter von 55 bis 59 Jahren und die Hälfte der Unternehmer im Alter von 60 bis 65 Jahren ihre Nachfolge noch nicht geregelt. Die Bereitschaft wirklich loszulassen ist bei den Unternehmern nur sehr gering ausgeprägt. Das Desinteresse der nachfolgenden Generation an der Übernahme ist ein weiteres Hindernis. Sie sehen sich in ihren langfristigen Karrieremöglichkeiten eingeschränkt und betrachten gleichzeitig ihr fachliches Know-how als zu mangelhaft.

Selbstbewusster als früher gehen Kinder ihren eigenen Weg. Vor allem kleinere Unternehmen können ihre Nachfolge oft nicht mehr in der Familie besetzen. Vier Experten und ihre Meinungen.

War das schon immer so oder hat sich das in jüngster Vergangenheit verändert?

Christian Biebl

(© Privat)

Heute sind die Risiken viel schwerer einzuschätzen. Die wirtschaftliche Lage auf den Absatzmärkten, politische Krisen, Wettbewerber: Die wirtschaftlichen Gegebenheiten können sich sehr schnell ändern, was vor allem bei fremdfinanzierten Nachfolgen kritisch werden kann. Auch klassische Branchen sind im Zuge der digitalen Transformation nicht mehr sicher. Das persönliche finanzielle Risiko des Nachfolgers steigt deutlich im Vergleich zur Vergangenheit.


Raoul Nacke

(© Privat)

Im Prinzip war dies schon immer so, da es sich um ein zwischenmenschliches Thema handelt – dies hat sich in den letzten Jahren nicht verändert. Das heißt, die Nachfolgethematik ist weiterhin komplex; allerdings sehe ich in meinem Umfeld, dass durch die Möglichkeit der Unternehmensbeteiligung sowohl für den Nachfolger als auch für den abgebenden Unternehmer Rahmenbedingungen geschaffen werden können, die eine Unternehmernachfolge nachhaltig erfolgreich gestalten lassen.


Christoph Borges

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Weder noch – es ist wohl eher ein evolutionärer Prozess, der mit einem gesellschaftlichen Wertewandel und den heutigen Möglichkeiten zur immer individuelleren Lebensgestaltung einhergeht. Früher stand oftmals die Pflichterfüllung im Vordergrund: Es galt, den Erwartungen der Eltern zu entsprechen. Heute dominiert der Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben. Warum sollte jemand gegen Neigung oder Fähigkeit ein Unternehmen leiten? Zumal es auf der anderen Seite genug motivierte, „hungrige“ Unternehmer in spe gibt.


Beatrice Rodenstock

(© Privat)

Die geringe Bereitschaft ist in den letzten Jahren wesentlich gestiegen. Die Erbengeneration fühlt sich weniger verpflichtet, die Familientradition fortzuführen. Die Attraktivität, mit den Eltern oder anderen Familienmitgliedern im Unternehmen zusammenzuarbeiten, ist mit den Jahren gesunken. Etwa gleich geblieben ist in den letzten fünf Jahren mit das größte Hindernis bei der Übergabe der Unternehmer, die Fähigkeit, emotional loslassen zu können.

Selbstbewusster als früher gehen Kinder ihren eigenen Weg. Vor allem kleinere Unternehmen können ihre Nachfolge oft nicht mehr in der Familie besetzen. Vier Experten und ihre Meinungen.

Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang finanzielle Aspekte, wie etwa die Erbschaftsteuer?

Christian Biebl

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Die Erbschaftsteuer spielt auf jeden Fall eine Rolle. Bei Nachfolge innerhalb der Familie müssen die Arbeitsplätze erhalten bleiben – das kann in manchen Fällen eher ein Hemmnis sein. Das finanzielle Risiko ist generell sehr schwer einschätzbar. Für einen Unternehmer ist es heute trotz Niedrigzinsphase ungleich schwerer, an das nötige Kapital für strukturelle Reformen zu kommen.


Raoul Nacke

(© Privat)

Finanzielle Aspekte spielen bei der Nachfolgethematik natürlich eine entscheidende Rolle und sind bei jedem Unternehmer sehr individuell. Anzumerken ist auch, dass die breit gefächerte Stiftungsthematik eine wichtige Rolle spielen kann.


Christoph Borges

(© Privat)

Ob vererben, verschenken oder verkaufen: der Senior braucht eine sichere Altersversorgung, und die Junioren wollen eine finanzielle Situation, die sie „gut schlafen lässt“. Wie immer gilt: Wenn alle Beteiligten frühzeitig ihre Lebensentwürfe, Wünsche und Sorgen offen diskutieren, dann stehen die Chancen gut, dass man eine Lösung findet. Andernfalls droht die Transaktion zu scheitern. Und der Familienfrieden ist in Gefahr.


Beatrice Rodenstock

(© Privat)

Knapp ein Drittel der Unternehmer mit ungeklärter Nachfolge geben als Grund gescheiterter Nachfolgegespräche die Finanzierbarkeit an. 20 Prozent der Nachfolger wiederum sehen die zu hohen Erbschaftsteuerbelastungen der Übergabe als Hauptargument, die Nachfolge nicht antreten zu wollen. Selbst bei der noch heute geltenden Erbschaftsteuerregelung und der damit verbundenen Möglichkeit, auf steuerliche Verschonung zu optimieren, werden die Bedingungen, die daran geknüpft sind, als zu riskant eingestuft.

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