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Mit regionaler Marke aus der Krise

Im Jahr 2000 sah es für die Eberswalder Fleisch- und Wurstwarenfabrik gar nicht gut aus: Das Unternehmen ging in die Insolvenz. Aus der Insolvenzverwaltung heraus und im Zuge einer Restrukturierung wurde es dann im Jahr 2002 durch Dr. Eckhard Krone übernommen. Durch die nachfolgende Einbindung von Sohn Mario und Schwiegersohn Sebastian Kühn in die Geschäftsführung wurde es zum Familienunternehmen. Seitdem ist die Fabrik trotz harten Wettbewerbs deutlich gewachsen.

Versorger für Ostberlin
Es gibt nicht sehr viele Produkte aus der früheren DDR, die damals schon dort einen bekannten Namen hatten und die sich nach dem Mauerfall bis heute am Markt gehalten haben. Eine Spezialität aus Brandenburg, genauer gesagt aus der Gegend nordöstlich von Berlin, hat dies geschafft: Eberswalder Wurst- und Fleischwaren. Das Unternehmen war ursprünglich in der zweiten Hälfte der 70er Jahre als Kombinat errichtet worden. Das heißt, es war ein autarkes Gebilde auf einem riesigen Gelände mit eigener Konservendosenfertigung, eigener ärztlicher Versorgung, eigener Berufsschule und Lehrlingswohnheim. Aufgabe des Kombinats war, Ostberlin mit Wurst- und Fleischwaren zu versorgen und in Ostblockstaaten zu exportieren.

1989: rund 3.000 Mitarbeiter
„Trotzdem war es eine Ware, die man wegen der Mangelwirtschaft oft nur unter dem Ladentisch bekommen konnte“, erzählt Sebastian Kühn, der für Vertrieb und Marketing zuständige Geschäftsführer der EWG Eberswalder Wurst GmbH. „Es war eine Art Exquisitartikel mit relativ hohem Preis – auch als Tauschware gegen andere regionale Waren geeignet.“ Das einzige andere Wurstsortiment mit einem starken regionalen Markennamen waren die „Halberstädter“. So entwickelte sich das Eberswalder Kombinat in den 80er Jahren gut – zu seiner Blütezeit kurz vor der Wende hatte es rund 3.000 Mitarbeiter und produzierte auf einem 450.000 qm großen Firmengelände, davon allein 60.000 qm reine Produktionshallen.

Verkauf und Insolvenz
Nach der Wende kam das Thema auf, wer das Firmenkonstrukt übernehmen solle. Einige westdeutsche Unternehmen, die wegen der Marke „Eberswalder“ gegenüber der Treuhand Interesse bekundeten, zogen sich letztendlich wegen Standortfaktoren und der Anzahl der zu übernehmenden Mitarbeiter wieder zurück. „Das Unternehmen ging dann noch Anfang der 90er Jahre an den dänischen Nahrungsmittelkonzern Plumrose“, so Kühn. Die Dänen überschätzten aber offenbar den Absatzmarkt und verkauften an die Thien-Gruppe aus Bayern. Ein aus Modernisierungsinvestitionen resultierender Kapitaldienst überforderte Ende der 90er Jahre das Unternehmen und führte im Jahr 2000 zur Insolvenz. Mitverantwortlich waren der harte Preiswettbewerb bei Fleisch- und Wurstwaren und die daraus resultierende Margenschwäche der Branche.

Übernahme im Jahr 2002

Insolvenzverwalter wurde Axel Raap, als Geschäftsführer vor Ort fungierte auf Vorschlag der Gläubigerbanken Dr. Eckhard Krone. „Ich war als Geschäftsführer für die operative Leitung des Unternehmens und dessen Sanierung unter der Ägide des Insolvenzverwalters verantwortlich“, so Krone. Nachdem die Ausschreibung des Unternehmens zum Verkauf ohne Erfolg blieb, übernahm Krone 2002 das Anlage- und Umlaufvermögen auf Basis eines Mietkauf- und Pachtvertrages. Trägergesellschaft wurde die eigens gegründete MBU Märkische Beteiligungs- und Unternehmensverwaltungs GmbH. „In den Folgejahren konnte das Sanierungskonzept erfolgreich fortgesetzt werden, bis 2006 waren alle Forderungen beglichen und der gesamte Firmenbesitz konnte auf die MBU-Gruppe übergehen“, sagt Krone.

Konzentration auf Kernprodukte
Im Jahr 2000 hatte sich der Umsatz mit Fleisch und Wurst auf ca. 43 Mio. EUR belaufen, 2012 waren es rund 100 Mio. Die Entwicklung geschah allerdings unter schwierigen Bedingungen. In dem anhaltend starken Preiskampf war laut Kühn ausschlaggebend, dass man sich auf die wesentlichen Kernprodukte und die Marke „Eberswalder“ konzentrierte und die Qualität hoch hielt. Der Umsatz entfällt zu 60% auf Fleisch und zu 40% auf Wurst, sie werden fast ausschließlich als verpackte Ware an Lebensmittelmärkte geliefert. Hauptkunden sind Kaufland (inkl. Lidl), Rewe (inkl. Penny) und Edeka (inkl. Netto).

Mehr Sponsoring
Marketing war lange Zeit kein großes Thema; das hat sich in den letzten zwei Jahren allerdings geändert. Seit 2010 ist Eberswalder Sponsor beim Zweitliga-Fußballclub Union Berlin und hat die Exklusivbelieferung mit Fleisch und Wurst für das Stadion „Alte Försterei“. Das Unternehmen sponsert auch das Eishockeyteam Eisbären Berlin; des Weiteren ist es exklusiver Wurstlieferant der O2 World Berlin, wo regelmäßig große Konzerte, Sport- und andere Veranstaltungen stattfinden.

Bernd Frank
redaktion@unternehmeredition.de

Kurzprofil: EWG Eberswalder Wurst GmbH
Gründungsjahr: 2002 (als Kombinat 1978)
Branche: Nahrungsmittel
Unternehmenssitz: Britz (Brandenburg)
Mitarbeiter: 240
Umsatz 2012: ca. 100 Mio. EUR
Internet: www.eberswalder.de


„Der Bedarf an regionalen Markenprodukten wird noch steigen“

Interview mit Sebastian Kühn, Geschäftsführer Vertrieb und Marketing, EWG Eberswalder Wurst GmbH

Unternehmeredition: Herr Kühn, welche Kundengruppen sprechen Sie in erster Linie an?

Kühn: Es sind vorwiegend Menschen im Alter 40plus, die unsere Marke bewusst kennen. Für die künftige Entwicklung wollen wir natürlich auch jüngere Verbraucher ansprechen. Inzwischen liefern wir 15% unserer Wurst in die alten Bundesländer, Schwerpunkt ist aber immer noch eindeutig Ostdeutschland. Wir haben beispielsweise in Ostberlin einen Bekanntheitsgrad von 95%, in Westberlin von 78%. Die Konzentration auf unsere Kernprodukte und die Marke bleibt bestehen. Wichtig ist, dass wir unseren regionalen Geschmack mit der traditionellen Rezeptur beibehalten.

Unternehmeredition: Wie sehen Sie denn die Nachfrageentwicklung für Ihre Produkte?


Kühn:
Zunächst einmal sind wir deutschlandweit gesehen noch relativ klein – die Nummer 95 aller Wurst- und Fleischhersteller, wobei darunter auch viele Großschlachter sind. Pro Woche verkaufen wir ca. 200.000 kg Wurst und etwa 350.000 kg Fleisch. Zu den Kernprodukten gehören die Eberswalder Würstchen mit ca. 3 Mio. Stück pro Woche. Ich denke, der Bedarf an regionalen Markenprodukten wird noch steigen – das wird auch von unseren Handelspartnern erkannt, und wir werden davon profitieren.

Unternehmeredition: Was sind Ihre Pläne für die nahe Zukunft?

Kühn: Im Kern allen Bestrebens steht immer noch der Erhalt des Unternehmens. Die höheren Rohstoffpreise sind ein ernstes Problem, und die Branche steckt in der Konsolidierung. Wir sind nicht mit großen finanziellen Mitteln ausgestattet; jeden Euro, den wir verdienen, geben wir wieder ins Unternehmen. In den nächsten Jahren wollen wir insbesondere unsere Energetik modernisieren und in die Kühlung investieren. Wir würden auch gerne größere Aufschnitt- und Verpackungsmaschinen kaufen. Aber der Wettbewerb ist so heftig, dass wir nicht so viel Geld verdienen, um wirklich offensiv agieren zu können. Wir wollen uns deshalb Finanzierungsmöglichkeiten von außen nicht verschließen – wenn sich eine interessante Option ergibt, werden wir darüber nachdenken.

Unternehmeredition: Herr Kühn, vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Bernd Frank.
redaktion@unternehmeredition.de

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