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Mit Private Equity Übernahmen finanzieren

 

Von der idyllischen Lage an der Ostsee lässt man sich bei der Riemser Arzneimittel AG nicht ablenken: Der Pharma-Mittelständler verfolgt zielstrebig und äußerst erfolgreich seine Strategie hin zu einem managergeführten internationalen Specialty-Pharma-Unternehmen. Einen wesentlichen Beitrag dazu leisten seit 2008 die Finanzinvestoren TVM Capital und GE Healthcare Financial Services.

Von Veterinär- zur Humanmedizin

Nachdem Norbert Braun Ende der 80er beim Schweizer Pharmariesen Ciba-Geigy – mittlerweile mit Sandoz zur Novartis AG fusioniert – seine Führungsposition aufgegeben hatte, übernahm er als Sachabfindung zwei für den Konzern unbedeutende Magen-Darm-Medikamente. Der findige Unternehmer vertrieb sie in Eigenregie und hatte schnell seine erste Million verdient. Auf der Suche nach einem Anlageobjekt stieß er 1992 auf die Riemser Tierarzneimittel GmbH. Er privatisierte die Ausgründung aus dem Friedrich-Loeffler-Institut und baute das Unternehmen systematisch in Richtung Humanmedizin aus, kaufte Pharma- und Kosmetikunternehmen sowie Arzneimittelzulassungen hinzu. Konsequenterweise wurde das Unternehmen 1997 in Riemser Arzneimittel GmbH umbenannt, 2001 folgte die Umwandlung zur nicht börsennotierten Aktiengesellschaft. Die Humanmedizin nimmt bei Riemser heute einen Anteil von gut 80% ein, das Dentalgeschäft als zweites wichtiges Standbein ungefähr 13%. Die Veterinärmedizin macht heute mit 5% nur noch einen Bruchteil aus. Über die Riemser Arzneimittel AG hinaus gelang es Norbert Braun zusammen mit seiner Frau Dagmar zudem, ein florierendes Firmenimperium aufzubauen – neben weiteren Pharmaunternehmen ist er vor allem im Food-Bereich engagiert, besitzt u.a. aber auch Modehäuser sowie mehrere Hotels.

Investoren liefern Eigenkapital für die Expansion

Seit der Übernahme durch Braun 1992 explodierte der Umsatz der Riemser AG von damals etwa 2 Mio. DM auf aktuell rund 100 Mio. EUR. Mittlerweile hat sich das Ehepaar Braun aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und legte 2009 die Führung in die Hände von CEO Dr. Michael Mehler und CFO Dr. Gordon Guth. Über die Braun Hanse Holding hält die Familie an der Riemser AG mit ca. 60% noch immer die Mehrheit, seit 2007 sind aber auch zwei Finanzinvestoren an Bord. Der Rest entfällt auf einen Management-Pool. “Ausschlaggebend für diese Entscheidung war der Bedarf einer Erhöhung unserer Finanzmittel, um unsere Wachstumsstrategie insbesondere auch durch Akquisitionen weiter voranzutreiben”, erläutert CEO Mehler. Das Familienunternehmen stieß damals mit seinem Eigenkapital an die Grenze und entschied sich für Private Equity der Beteiligungsfonds von TVM Capital und GE Healthcare Financial Services. Gerade bei der auf Life Sciences und Healthcare spezialisierten TVM Capital rannte man offene Türen ein. Dr. Christoph Schröder, Senior Advisor bei TVM Capital und ehemaliges Vorstandsmitglied bei BASF Pharma, schwärmt: “Ich war sehr beeindruckt von der Lebensleistung der Familie Braun, und menschlich kamen wir auch sofort extrem gut miteinander aus.” Im Dezember 2007 stieg TVM Capital zunächst mit 10% bei Riemser ein, im März folgte die Erhöhung der Beteiligung auf 25,4% zusammen mit GE. Schröder übernahm im Aufsichtsrat den Vorsitz – für ihn ein zusätzlicher Vertrauensbeweis von Seiten Norbert Brauns.

Wachstumsquote von 20% beibehalten

Mit dem frischen Eigenkapital startete Riemser erneut durch. “Noch Ende 2008 konnten wir mit Rentschler Pharma und der Dentalsparte von Curasan zwei Akquisitionen tätigen, zu denen TVM Capital und GE bedeutend beitrugen”, so Mehler. Auch jüngst war wieder ein Zukauf, die Tuberkulosepräparatesparte der Grünenthal GmbH zur weiteren Positionierung als Specialty-Pharma-Anbieter, vermeldet worden. “Seit mehreren Jahren wächst unser Umsatz um durchschnittlich 20%, und diesen Kurs wollen wir auch beibehalten”, zeigt sich der CEO optimistisch. Dabei haben alle Beteiligten ein klares Ziel vor Augen. “Wir wollen intern und durch Akquisition wachsen und das Unternehmen weiter internationalisieren”, fasst Schröder zusammen. Er zeigt sich jetzt schon vollauf zufrieden mit dem Investment: “Es hat sich absolut so entwickelt, wie wir uns das vorgestellt haben. Trotz Gesundheitsreform und Krise hat Riemser ein sehr stabiles und solides Wachstum erlebt – das war eine zentrale Investitionshypothese.” Und an einen Exit, der sicher heute schon sehr lukrativ wäre, denken die Investoren noch lange nicht. “GE, die Familie Braun und wir von TVM Capital sind allesamt sehr langfristig orientiert und daran interessiert, das Unternehmen mit ruhiger Hand und sehr systematisch weiterzuentwickeln”, stellt Schröder klar.


“Win-Win-Situation für Investoren und Mittelstandsunternehmen”
Interview mit Dr. Michael Mehler, CEO, Riemser Arzneimittel AG

Unternehmeredition: Herr Dr. Mehler, seit dem Rückzug von Norbert Braun Mitte letzten Jahres führen Sie die Riemser AG. Die Finanzinvestoren GE Healthcare Financial Services und TVM Capital sind schon seit über anderthalb Jahren mit an Bord. Wie gestaltete sich bisher die Zusammenarbeit?
Mehler: Die Zusammenarbeit mit den Investoren funktioniert sehr gut. Unsere Interessen sind sehr ähnlich gelagert, sie sind keine Kurzfrist-Investoren. Das erlaubt es uns, das Unternehmen gemeinsam wirklich nachhaltig weiterzuentwickeln. Wir reden regelmäßig auch außerhalb der Aufsichtsratsitzungen miteinander, um uns abzustimmen. Das wird dadurch erleichtert, dass die Gesellschafterstruktur mit drei Haupteignern weiterhin sehr überschaubar geblieben ist.

Unternehmeredition: Wie bewerten Sie allgemein Private Equity als Finanzierungsinstrument für den Mittelstand?
Mehler: Seit ich von der Großindustrie und Biotechnologie zu Riemser gewechselt bin, habe ich festgestellt, dass Private Equity ein zunehmendes Interesse am Mittelstand hat. Die Möglichkeit, dort ein gesundes Unternehmen weiterzuentwickeln und seinen Wert zu steigern, ist oft besser als bei größeren Firmen. Wenn ich allein in unserer Branche die Entwicklung der Firmenwerte der Big Pharma in den letzten Jahren betrachte, wurden teilweise so viele Werte vernichtet, dass Investoren nicht wirklich glücklich sein können. Und der Mittelstand wiederum profitiert auch davon, wenn er für Private Equity attraktiv ist – er bekommt dadurch zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten, und das zu häufig besseren Bedingungen als bei den Banken. Außerdem können wir vom Know-how-Transfer und den Netzwerken der Finanzinvestoren profitieren. Es ist also eine Win-Win-Stuation für Investoren und Mittelstandsunternehmen.

Unternehmeredition: Welche Ziele verfolgen Sie in den nächsten ein, zwei Jahren mit dem Unternehmen Riemser?
Mehler: Neben dem Erreichen unserer quantitativen Wachstumsziele ist für uns die Weiterentwicklung von Riemser zu einem echten Specialty-Pharma-Unternehmen das wesentliche Ziel. Wir fokussieren uns dabei auf die Wachstumssegmente Onkologie – hier vor allem die supportive Onkologie -, Dermatologie und Antiinfektiva sowie den Dentalmarkt. Die Internationalisierung ist dabei ein wesentlicher Wachstumsmotor. Wir machen im Moment zwei Drittel des Umsatzes in Deutschland – das wollen wir in den nächsten zwei Jahren in Richtung von mindestens 50:50 ausbauen. Und unsere Akquisitionsstrategie werden wir auf jeden Fall weiterverfolgen, aber fokussierter als in der Vergangenheit.

Unternehmeredition:
Herr Dr. Mehler, herzlichen Dank für das Gespräch!

Artikel und Interview: Esther Mischkowski
redaktion@unternehmeredition.de

Kurzprofil: Riemser Arzneimittel AG
Gründungsjahr: 1992
Branche: Pharma
Unternehmenssitz: Greifswald/Insel Riems
Mitarbeiter: ca. 600
Umsatz 2009: ca. 100 Mio. EUR
Internet: www.riemser.com

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