Im Markt der Herstellung von Papierservietten, Tragetaschen und Gebrauchsfolien, der einem intensiven Wettbewerbsdruck aus Billiglohnländern ausgesetzt ist, behauptet sich die Ruppiner Papier- und Folienwerke GmbH mit einem ökologischen Produktkonzept und einer langfristigen Finanzierungsstrategie mit Mezzanine.
Erdöl wird durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt
Gut 400 Jahre bräuchte eine herkömmliche Plastiktüte, die man bei Aldi für ein paar Cent erwirbt, um auf natürlichem Wege wieder in ihre ursprünglichen Bestandteile zu zerfallen. Komplett aus Erdöl hergestellt, benötigt die sogenannte PE-Tragetasche im Recyclingprozess weitere Energie, um zumindest umweltgerecht entsorgt zu werden. Für einen der größten Lieferanten der Plastiktüten für die Handelsketten, die im rheinischen Frechen ansässige Victor Group mit einem Produktionswerk im brandenburgischen Neuruppin, war das vor vier Jahren ein Grund, sich mit dem Thema einer ökologisch abbaubaren Tragetasche zu beschäftigten. „Wir haben den Rohstoff Erdöl zur Hälfte durch rein pflanzliche Maisstärke ersetzt und arbeiten jetzt daran, den Stärkeanteil laufend zu erhöhen“, schildert Volker Jung, geschäftsführender Gesellschafter der Victor Güthoff & Partner GmbH. „Langfristig planen wir, eine Tüte zu produzieren, die komplett aus nachwachsenden Rohstoffen besteht.“ Schon jetzt sorgt das Foliengemisch aus Erdöl und Maisstärke, dass die neue Tüte reißfester und strapazierfähiger ist und auch zur Entsorgung von Bio-Abfällen genutzt werden kann. In Neuruppin werden die Folien mit biologisch abbaubaren, wasserbasierten Farben bedruckt – auch das eine Eigenentwicklung. Statt in 400 Jahren soll die neue Tüte aus dem Supermarkt bereits nach 80 Tagen zu mehr als 90% mittels biologischer Kompostierung abgebaut sein.
Hochpreisiges im Discounter
Ein schmaler Grat. Wer im Lebensmittel-Discounter einkauft, will möglichst viel für wenig Geld erwerben. Dort ausgerechnet eine Bio-Tragetasche im Hochpreissegment von 39 Cent zu verkaufen, mutet gewagt an. Doch das gestiegene Umweltbewusstsein der Verbraucher macht auch vor den Billigläden nicht halt. Rund 10% aller Kunden in deutschen Supermärkten kaufen inzwischen die Öko-Tüte. „Tendenz steigend“, so Volker Jung. Mehr als 21 Mio. Biotüten hat er bereits an Aldi und Rewe geliefert, hingegen nur noch 30 Mio. der klassischen PE-Tüten. Inzwischen resultiert das Umsatzwachstum am Standort Neuruppin aus der steigenden Nachfrage nach der Biotüte: 2012 soll der Umsatz um 20% auf 24 Mio. EUR steigen.
Einsparpotenziale durch Einsatz von Mezzanine
Das stellt auch Anforderungen an das Finanzmanagement des Unternehmens. Zwar liegt der Umsatz in der gesamten Victor Group bei rund 106 Mio. EUR, die zum Großteil mit dem Handel von hygienischen Verpackungs- und Reinigungsmaterialien erzielt werden. „Die Rohstoffe für die Biotüte kosten allerdings das Vierfache, auch wenn hier mit zunehmender Nachfrage der Preis fällt“, so Geschäftsführer Jung. „Um die Nachfrage zu befriedigen, müssen wir im Jahr 2012 rund 3 Mio. EUR in eine neue Foliendruckmaschine investieren, um die höchsten ökologischen Standards gewährleisten zu können.“ Am brandenburgischen Standort hat er sich deshalb entschlossen, als Erster das 2010 aufgelegte Mezzanine-Programm der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) zu nutzen. Dieses wird ausgereicht, wenn Standorte in der Region gestärkt werden sollen (siehe nebenstehendes Interview). Insgesamt nahm Jung mit Mezzanine rund 5,5 Mio. EUR Eigenkapital auf, 2 Mio. kamen aus Brandenburg. „Damit konnte die Eigenkapitalquote sowohl bei den Ruppinern als auch innerhalb der Gruppe von rund 20 auf deutlich über 40% gesteigert werden.“ Mit der so gewonnenen Liquidität konnten nicht nur erhebliche Einsparpotenziale zwischen rheinländischem Stammhaus und brandenburgischem Produktionswerk realisiert werden, sondern auch ausländische Kunden überzeugt werden.„Spannendes Unternehmen in einem unspektakulären Markt“
Interview mit Olav Wilms, Bereichsleiter Beteiligungsmanagement, Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB)
Unternehmeredition: Als eines der ersten Bundesländer hat Brandenburg 2010 einen Mezzanine-Kredit aufgelegt, nachdem der Mezzanine-Markt nahezu zusammengebrochen war. Warum nützt gerade Mezzanine dem brandenburgischen Mittelstand?
Wilms: Mit Hilfe des Brandenburg-Kredit Mezzanine kann das wirtschaftliche Eigenkapital gestärkt werden. Das Unternehmen erweitert seine Finanzierungsspielräume und kann seine Bonität verbessern.
Unternehmeredition: Als erstes Unternehmen hat die Ruppiner Papier- und Folienwerke GmbH das Mezzanine-Programm gleich in der höchstmöglichen Tranche von 2 Mio. EUR in Anspruch genommen. Warum setzt die ILB dieses Vertrauen in ein Unternehmen aus einer Branche, die eigentlich von Anbietern aus Billigländern wie China dominiert wird?
Wilms: Wir haben es hier in einem auf den ersten Blick unspektakulären Markt mit einem sehr spannenden Unternehmen zu tun. Mit der Bio-Tragetasche ist das Unternehmen sehr innovativ, hinzu kommen langjährige Lieferbeziehungen zu den großen Handelsketten, die man sich auch erst einmal erarbeiten muss.
Unternehmeredition: Das Darlehen hat eine Laufzeit von bis zu zehn Jahren. Kann man den heutzutage ein Mezzanine-Engagement so lange überblicken?
Wilms: Bei jeder Langfristfinanzierung muss man sich intensiv mit den Zukunftsaussichten auseinandersetzen. Je weiter der Zeithorizont, desto unschärfer die Prognose. Dennoch brauchen Unternehmen auch langfristige Finanzierungen. Bei unserem Mezzanine-Programm startet spätestens nach fünf Jahren eine ratierliche Tilgung erforderlich, danach können jedoch jederzeit Sondertilgungen erfolgen, etwa wenn sich die Konjunktur günstig entwickelt. Gemeinsam mit dem Unternehmen können wir somit entsprechend den individuellen Erfordernissen die Tilgungsstrukturen gestalten und vermeiden die bei vielen Mezzaninen-Finanzierungen üblichen Blockfälligkeiten.
Unternehmeredition: Wie viel Mezzanine-Mittel sind noch vorhanden?
Wilms: Von den seinerzeit 20 Mio. EUR für den Brandenburg-Kredit Mezzanine sind noch gut 16 Mio. EUR vorhanden. Wir spüren derzeit allerdings eine stark anziehende Nachfrage.
Unternehmeredition: Können auch Unternehmen aus anderen Bundesländern Mezzanine aus Brandenburg beantragen?
Wilms: Jederzeit, wenn Sie eine Betriebsstätte im Land Brandenburg haben und das zu finanzierende Vorhaben im Land Brandenburg durchgeführt wird.
Unternehmeredition: Herr Wilms, vielen Dank für das Gespräch.
Torsten Holler
redaktion@unternehmeredition.de
Kurzprofil: Ruppiner Papier und Folien GmbH
Gründungsjahr: 1997
Branche: Papier- und Kunststoffverarbeitung
Unternehmenssitz: Neuruppin
Mitarbeiter: 65
Umsatz 2011: 20 Mio. EUR
Internet: www.victorgroup.eu