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Mehr als ein Trend

Die passende Krawatte zum Hemd: In den vergangenen 18 Monaten fand eine Reihe von Unternehmensverkäufen in der deutschen Bekleidungsbranche statt. Transaktionstreiber waren neben dem wiedererwachten „Fashion-Appetit“ bei Finanzinvestoren auch strategische Themen wie Vertikalisierung und Filialexpansion. Wie können sich andere Branchen ebenso attraktiv aufstellen? 

In der deutschen Fashionbranche verging seit 2014 kaum ein Monat ohne neuerliche prominente Übernahmen. Hierzu zählten starke Marken, kleinere Nischenanbieter, profitable Wachstumsunternehmen, aber auch Firmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. 2014 konnten so gesamt 31 Unternehmenskäufe und -verkäufe mit deutscher Beteiligung gezählt werden. Dieser Trend zur Branchenkonsolidierung setzt sich auch 2015 weiter dynamisch fort, was durch bereits 39 Transaktionen zum Halbjahr belegt wird.
Diese Entwicklung ist mehr als bemerkenswert: Über viele Jahre hat die Bekleidungsbranche mit eher negativen Themen auf sich aufmerksam gemacht. Auch die Jahre nach der Krise bis 2013 waren geprägt von rückläufigen Marktvolumina.

„New Fashion“ – Strategische Erfolgsfaktoren

Inzwischen verfügt fast jedes Bekleidungsunternehmen über einen mehrgleisigen Fertigungsmix aus hohem Fremdfertigungsanteil in Billiglohnländern, schlankeren Zentralfunktionen, gestaffelten Lieferprogrammen, EDV-optimierten Systemen etc. Die Exportquoten sind in den letzten Jahren wieder stetig gestiegen, da sich viele Unternehmen angesichts des wachstumsarmen deutschen Marktes nach neuen Märkten und Absatzmöglichkeiten umgesehen haben.

Nach fortgeschrittener Konsolidierung sind die Hebel für zukünftiges Wachstum und nachhaltige Rentabilität nun verstärkt in Markenbildung, globalem Vertrieb, Vertikalisierung, Logistiksystemen und internationalem Sourcing zu suchen. Investitionen, mittels derer diese Hebel konsequent genutzt werden, können bei Unternehmen mit differenzierten, marktgerechten Konzepten hohes Wachstum ermöglichen und Ergebnispotenziale freisetzen.Die passende Krawatte zum Hemd: In den vergangenen 18 Monaten fand eine Reihe von Unternehmensverkäufen in der deutschen Bekleidungsbranche statt. Transaktionstreiber waren neben dem wiedererwachten „Fashion-Appetit“ bei Finanzinvestoren auch strategische Themen wie Vertikalisierung und Filialexpansion. Wie können sich andere Branchen ebenso attraktiv aufstellen? 

Erwerber auf der Suche

Daraus resultiert auch das hohe Interesse vieler Erwerber, wieder in Wachstum durch Zukäufe zu investieren. Die Analyse von M&A-Transaktionen der letzten 18 Monate mit deutscher Beteiligung zeigt bei den Transaktionsmotiven vor allem drei branchenspezifische Trends:

  1. Zunehmende Vertikalisierung und Filialexpansion durch Großunternehmen Die bereits seit Jahren anhaltende Konzentration im stationären Modehandel durch Großunternehmen nimmt trotz des zunehmenden E-Commerce-Trends – etwa der Erwerb des deutschen Onlinehändlers Mytheresa.com durch das US-Kaufhaus Neiman Marcus – weiter zu. Aktuelle Beispiele für derartige Übernahmen sind die Akquisition des Filialisten Hallhuber durch den Modekonzern Gerry Weber und die Übernahme des Menswear-Anbieters Wormland durch das Münchner Kaufhaus Ludwig Beck.
  1. Investorensuche aus gescheiterten Anleihefinanzierungen und Insolvenzen Mittelständische Modeunternehmen haben seit 2012 am Bondmarkt Anleihen im Gesamtvolumen von rund 300 Mio. Euro aufgenommen. Zum Teil um den Aufbau neuer Stores zu finanzieren, aber auch zur Refinanzierung von Bankverbindlichkeiten. Vielen dieser mittelständisch geprägten Emittenten fehlte es vor der Anleiheemission jedoch an der kritischen Größe, die im Modegeschäft eine große Bedeutung hat. Bei diversen institutionellen Investoren und privaten Kapitalanlegern sind nach dem Boom der Fashion-Minibonds reichlich Illusionen geplatzt. Einige als aussichtsreich eingeschätzte Modeunternehmen wie der Damenmodenspezialist More & More aus Starnberg, René Lezard im Premiumsegment sowie der Münchner Damenausstatter Laurèl konnten die Markterwartungen nicht erfüllen und verzeichneten Kursverluste teilweise unter den Nennwert der Anleihe. Auch dürfte es nicht allen Emittenten gelingen, in den kommenden Monaten die Refinanzierung ihrer Anleihen zu gewährleisten.
    Neben dem durch eine Mittelstandsanleihe finanzierten Premiumanbieter Strenesse haben auch weitere Hersteller wie Elégance, Rena Lange oder auch Passport nicht zuletzt aufgrund der Krise im wichtigen russischen Absatzmarkt den Weg in die Insolvenz gehen müssen.
    Die Zukunftshoffnung dieser Unternehmen ruht daher auch auf dem Beteiligungsinteresse von Investoren.
  1. Unternehmensbeteiligungen durch Investoren Kapital ist bei Finanzinvestoren und vermögenden Privatpersonen – auch Family Offices – umfangreich vorhanden. Viele Investoren stehen vor der Heraus-forderung, in angemessener Zeit das ihnen anvertraute Kapital in sinnvollen Engagements zu platzieren. Anders als etwa Investitionen in wachstumsstärkere Zukunftsbranchen sind Beteiligungen in Modeunternehmen zumeist kleiner, dafür aber kaum von Technologierisiken betroffen. Die Marktverhältnisse und die typisch permanente Erneuerung von Angebot und Konsumentenanspruch lassen laufend neue Erfolgskonzepte zu. Die Bekleidungsbranche ist inzwischen zu einem attraktiven Anlagesegment geworden.
    Investoren sind als Käufer und Verkäufer aktiv, auf Restrukturierung spezialisierte Investoren fokussieren auf chancenreiche Verkaufsfälle. Investoren können bei der Höhe der zu erwerbenden Anteile flexibel sein. Während strategische Erwerber zumeist eine komplette Übernahme anstreben, kann der Erwerb einer Minderheitsbeteiligung speziell für Verkäufer eine attraktive Option sein.
    Ausgewählte Beispiele für Finanzinvestoren mit Modebeteiligungen sind Emeran Capital (Bench Streetwear), Afinum (Camano Strumpfwaren), Palero (Felina Dessous), Tempus Capital (Basler Damenmode),Silverfleet Capital (Masai Damenmode Groß- und Einzelhandel) sowie ganz aktuell Equistone (TriStyle Mode Versandhandel). Einige dieser Transaktionen kamen durch Verkäufe von Finanzinvestoren zustande, etwa Hallhuber von Change Capital, Bench von HgCapital oder Polo Sportswear von Paragon. Diese Wiederverkaufsoption wird das anhaltende Interesse von Investoren an Modeengagements auch in den kommenden Jahren unterstützen.

Die seit 2014 deutlich gestiegene Anzahl dieser Transaktionen lässt nur einen Schluss zu: Mode ist wieder „en vogue“.


Zur Person

(© Helbling Business Advirsors)

Nicolas Gutbrod ist Director M&A bei Helbling Business Advisors, einem der führenden Beratungshäuser in den Bereichen M&A, Restrukturierung und Strategieentwicklung. www.helbling.de/hba

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