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Maßanfertigungen für Russland und China

Der Berliner Hersteller von Klavieren und Konzertflügeln C. Bechstein ist mit jährlich 5.000 verkauften Instrumenten der größte europäische Hersteller seiner Klasse. Die Hälfte der Pianos geht ins Ausland. Vor allem in Russland und Asien ist die Nachfrage groß.

Was man normalerweise nur von Hardrock-Gitarristen kennt, war in der Zeit des Rokoko um 1850 auch bei den Klavierstücken der großen Komponisten der Fall. Von Franz Liszt ist überliefert, dass er während eines Konzertes drei Flügel durch seine exzessive Spielweise zerlegte. Für die Klavierbauer der damaligen Zeit war das ein Alptraum. Eines Tages bekam Liszt die Empfehlung, sich doch mal bei dem Berliner Klavierbauer Carl Bechstein sehen zu lassen, der 1853 als Ein-Mann-Betrieb gestartet war. Dessen verwendete Materialien wiesen eine hohe Stabilität und Belastbarkeit auf, und so konnte Liszt erstmalig ein Konzert mit nur einem Flügel spielen. Die Qualität sprach sich in Musikerkreisen herum, schon bald war Carl Bechstein Hoflieferant des preußischen Königshauses. 1860 begann er dann mit dem Export seiner Instrumente, erste Abnehmer fanden sich in Russland uns Großbritannien. Bald darauf eröffnete Bechstein eine Dependance in London. Im Jahr 1903 hatte der Betrieb über 800 Beschäftigte und stellte jährlich über 4 500 Klaviere und Flügel her.

Individuelle Handarbeit

Heute gehen rund 50 Prozent aller Klaviere und Flügel ins Ausland, vor allem nach Russland und China. Gerade der asiatische Markt birgt ein immenses Wachstumspotential. Vor allem das Interesse an deutscher Klassik, aber auch immer mehr Klavierunterricht in den Tigerstaaten treiben die Nachfrage – zunächst im preiswerteren Segment, prognostiziert man bei Bechstein. Zusätzlich soll aber auch in Italien, Frankreich, England und in den osteuropäischen Ländern die Nachfrage wieder anziehen. Das ist auch notwendig: Weltweit hatte sich in den letzten Jahren die Produktion von Klavieren und Flügeln halbiert – jetzt wähnt sich die Branche raus aus der Krise. Passgenau stellt das Unternehmen die Instrumente für Kunden her: „Die Klaviere und Flügel für den internationalen Markt sind Maßanfertigungen“, sagt Stefan Freymuth, Vorstand der C. Bechstein AG. Das Konzept eigener Showrooms ist geblieben, die Stückzahl von damals ist nur unwesentlich auf jährlich 5.000 Stück gestiegen.

Der Berliner Hersteller von Klavieren und Konzertflügeln C. Bechstein ist mit jährlich 5.000 verkauften Instrumenten der größte europäische Hersteller seiner Klasse. Die Hälfte der Pianos geht ins Ausland. Vor allem in Russland und Asien ist die Nachfrage groß.

Abhängig ist die Branche vom wirtschaftlichen Umfeld. Zudem gibt es aufgrund der langen Lebensdauer immer mehr gebrauchte Klaviere und Flügel auf dem Markt. „Wir sind froh, dass wir einige der wenigen Marken sind, die in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gewachsen sind“, so Gregor Willmes, Kulturmanager bei Bechstein, der Konzerte für junge, talentierte Pianisten organisiert. Auch damit wird die weitere Internationalisierung der Marke vorangetrieben.

Maßanfertigung: Mitarbeiterin Katrin Schmidt stimmt ein Klavier.

Wieder in Familienhand

Bei Bechstein werden handgefertigte Pianos von der hauseigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung im Austausch mit Pianisten entwickelt. Ein Konzertflügel kann bis zu 136.900 Euro kosten. Das günstigste Instrument gibt es schon ab 4.290 Euro. Wem das nötige Kleingeld für einen Kauf fehlt, der hat auch andere Möglichkeiten. „Wir geben Pianisten auch die Möglichkeit, die Instrumente monatlich zu mieten“, so Klavierbauer Roland Arndt, der im Nobelkaufhaus „Stilwerk“ das C. Bechstein Centrum Berlin leitet. In solchen Zentren und über Klaviergeschäfte der weltweiten Handelspartner können Interessenten die Instrumente testen.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands erwarb Bechstein 1991 die „Sächsische Pianofabrik“ in Seifhennersdorf, ehemals unter dem Namen Zimmermann einer der größten Hersteller in Deutschland. In der Region hatte der Instrumentenbau Tradition. Hier investierte Bechstein in den folgenden Jahren 20 Mio. Euro und verlagerte den Produktionsstandort nach und nach von Berlin nach Sachsen. Seitdem fertigt Bechstein dort Flügel und Klaviere. 2008 übernahm das Unternehmen dann noch eine Manufaktur im tschechischen Hradec Kràlovè. In diesem Werk wird heute die Zweitmarke W. Hoffmann hergestellt. Zu der Zeit notierte das Unternehmen schon zwölf Jahre im Freiverkehr der Berliner Börse, ehe sich der neue Vorstand entschied, die Aktie im November 2016 vom Parkett zu nehmen.

Heute ist Stefan Freymuth, ein gebürtiger Berliner, der schon in seinem siebten Lebensjahr auf C. Bechstein-Klavieren zu spielen begann, Hauptaktionär. Damit wurde ein lange geplantes strategisches Ziel erreicht: C. Bechstein ist wieder ein Familienunternehmen.

„Es dauert 15 Monate bis ein Meisterstück fertig gestellt ist“

Interview mit Stefan Freymuth, Vorstandsvorsitzender C. Bechstein Pianofortefabrik AG

Unternehmeredition: Welche Ziele hat sich C. Bechstein bei der weiteren Internationalisierung gestellt?

Freymuth: Zunächst bleibt Deutschland unser wichtigster Markt. Das Wachstum sehen wir vor allem in Russland. Auch in China wollen wir wachsen, in einem Land mit Millionen Kindern, die Klavierspielen lernen wollen.

Welche Strategie verfolgt man mit den beiden Marken Bechstein und W.Hoffmann auf dem internationalen Markt?

Wir möchten jeden Kunden das bestmögliche Angebot machen. Deshalb bieten wir Instrumente in den verschiedensten Preiskategorien an. Unsere Meisterstücke sind dabei die Instrumente der Marke C. Bechstein. Es dauert fünfzehn Monate, bevor ein solches Stück fertiggestellt ist. In diesem Prozess verarbeiten wir nur wertvollste Materialien, wie etwa eine speziell ausgesuchte Bergfichte für den Resonanzbogen.

Warum dennoch eine Zweitmarke?

Mit W. Hoffmann haben wir eine Marke im Mittelklassesegment. Die Instrumente sind einerseits nahezu handgefertigt wie die der Marke C. Bechstein, andererseits dienen diese Klaviere und Flügel als Einsteigermodelle. Mit der Zweitmarke sind wir international sehr gut aufgestellt.


Kurzprofil Bechstein Pianofortefabrik AG

Gründungsjahr 1853
Branche Instrumentenbau
Unternehmenssitz Berlin
Umsatz 2016
34,6 Mio. Euro
Mitarbeiterzahl 360

www.bechstein.com

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