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Auf zu neuen Märkten

Die Bahlsen-Gruppe ist als Familienunternehmen eine deutsche Institution. Trotzdem schaut der Kekskonzern vor allem ins Ausland, weil dort das Wachstumspotenzial liegt. Es ist ein weiterer Baustein bei der Neuausrichtung des Traditionsunternehmens.

Eine Werbekampagne der Supermarktkette Lidl macht deutlich, warum es Bahlsen auf dem deutschen Markt immer schwerer hat. Auf einem der Plakate ist auf der linken Seite auf schwarzem Untergrund eine Packung Leibniz-Kekse der Firma Bahlsen zu sehen. Auf der rechten Seite sieht man auf weißem Untergrund zwei Packungen der Eigenmarke von Lidl. Beide kosten 99 Cent, nur dass man bei der Eigenmarke dafür doppelt so viel Keks bekommt. Die buchstäblich plakative Gegenüberstellung ist das, was Fachleute unter preisaggressiv verstehen. Bahlsen hat auf den Affront souverän reagiert und über einen Post bei Facebook verlauten lassen: „Wir haben das mal durchgerechnet: Zwei Kopien machen noch kein Original.“

Entwicklungslabor

Bahlsen versteht sich bis heute als Premium-Anbieter, der als Innovationsführer den Takt vorgibt. Am Stammsitz in Hannover, der Steuerungszentrale des Konzerns, befindet sich im Erdgeschoss in einer alten Werkshalle ein Entwicklungslabor. Ein Aroma aus geschmolzener Butter und Vanille liegt in der Luft: Tische, Kitchenaids, Öfen mit Walzen und Fließbändern füllen den Raum. Die Wände sind immer noch wie damals mit den charakteristischen TET-Hieroglyphen gefliest: „ewig-während“ – das Haltbarkeitsversprechen von Bahlsen. Nicht mehr als zehn Mitarbeiter tüfteln hier an den neuen Kreationen, indem sie etwa für ein neues Gebäck vier Füllungen mit unterschiedlichem Fruchtgehalt herstellen.

Innovationsführer: Bahlsen möchte mit neuen Produkten die Trends bedienen.

Bei neuen Produkten sind aber nicht mehr nur Zutaten und Geschmack entscheidend, sondern noch etwas ganz anderes: „Die Zeit der Kaffeekränzchen und des Konferenzgebäcks ist weitgehend vorbei. Heute geht es vor allem um Snacking, also Begleiter für den Alltag“, beschreibt Helge Wieneke, Mitglied der Geschäftsführung, die Markttrends. Damit meint er neue Produkte wie zum Beispiel Cookie Chips. Das sind sehr dünne Kekse, die beim Abbeißen an Chips erinnern.

Markenikone

Der Leibniz-Keks mit den berühmten 52 Zähnen hat Bahlsen von der Backstube zu einem industriellen Betrieb und gleichzeitig zu einem Stück deutschen Kulturguts werden lassen. Sein Erfinder, der Firmengründer Hermann Bahlsen, führte mit dem Keks nicht nur ein neues Produkt, sondern gleich auch ein neues Wort ein. Seither ist der „Keks“ im Duden eingetragen.

Mit Innovationen wie der Express-Dose oder der ersten luft- und wasserdichten Verpackung avancierte der Keksfabrikant mit der charakteristischen Familiensignatur auf jedem Etikett während der Zeit der Wirtschaftswunderjahre zum „Volksgebäck“. Bei der Internationalisierung gehörte Bahlsen Anfang der 50er-Jahre zu den ersten deutschen Exportunternehmen. Heute hat der Mittelständler eine gestützte Bekanntheit jenseits von 90 Prozent. Als im Jahr 2013 das Wahrzeichen, der goldene Leibniz-Keks, vom Firmensitz zwischenzeitlich gestohlen wurde, sorgte das international für Schlagzeilen.

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Die Bahlsen-Gruppe ist als Familienunternehmen eine deutsche Institution. Trotzdem schaut der Kekskonzern vor allem ins Ausland, weil dort das Wachstumspotenzial liegt. Es ist ein weiterer Baustein bei der Neuausrichtung des Traditionsunternehmens.

Doch gerade in den vergangenen zwei Jahrzehnten musste die Bahlsen-Gruppe des Öfteren die Weichen neu stellen. Kurz vor der Jahrtausendwende spitzte sich die Familienfehde zwischen den Brüdern Werner Michael und Lorenz zu, es folgte die Ausgliederung der Sparte Salz-Snacks. Im gleichen Jahr führte Bahlsen mit dem Schokoriegel Pick up die erfolgreichste Innovation der vergangenen Jahrzehnte ein.

Schlag auf Schlag ging es weiter: Drei Jahre später kam es zur Restrukturierung mit den beiden Dachmarken Leibniz und Bahlsen. Bereits ein Jahr danach stellte Bahlsen seine Produktion um. Seither orientieren sich die Mitarbeiter in den Werken am japanischen Kaizen-Prinzip, das einen stringenten Arbeitsprozess und kurze Lagerzeiten anstrebt.

Es blieb daraufhin einige Jahre etwas ruhiger, bis 2012 die nächste große Reform angepackt wurde, um neues Wachstum zu generieren. Seither wird nicht mehr in Leitungsfunktionen gemanagt, sondern in regionalen Teams, die für eine bestimmte Region zuständig sind, sogenannte Business Units.

Klassiker vom Fließband: Das ABC Russisch Brot produziert Bahlsen seit 110 Jahren.

Wachstumsinvestitionen

Die Neuorganisation ist das Fundament des heutigen Erfolges. Die jüngere Bahlsen-Story zeigt, dass sich in einem harten Wettbewerbsumfeld wie dem deutschen Lebensmittelmarkt Markenikonen in immer kürzeren Zyklen neu erfinden müssen, um ihren Platz zu behaupten. Zwar ist Bahlsen nach eigenen Angaben Marktführer mit einem Anteil von zwölf Prozent. Allerdings wird mehr als die Hälfte des vergleichsweise überschaubaren Branchenumsatzes von Handelsmarken abgegriffen.

Für Bahlsen ist deshalb klar: will das Unternehmen weiter wachsen, muss das vor allem im Ausland passieren. Dort, wo der Wettbewerb noch nicht sortiert ist, wo eine Mittelschicht entsteht, die willens ist, für Markenprodukte Geld auszugeben. Vor vier Jahren wurden deshalb in einem Strategiepapier Fokusregionen definiert, die den Umsatz in Zukunft stützen sollen. Dazu zählt der Mittlere Osten genauso wie Nordafrika, die USA oder China. Hier wird seitdem das Marketing-Budget kontinuierlich erhöht. Helge Wieneke, in der Geschäftsführung zuständig für neue Märkte, spricht von „invests to grow“ – Wachstumsinvestitionen.

 

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Die Bahlsen-Gruppe ist als Familienunternehmen eine deutsche Institution. Trotzdem schaut der Kekskonzern vor allem ins Ausland, weil dort das Wachstumspotenzial liegt. Es ist ein weiterer Baustein bei der Neuausrichtung des Traditionsunternehmens.

In manchen Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten kann Bahlsen nach eigenen Angaben schon mit einem Marktanteil von sechs Prozent punkten, in anderen Regionen steckt die Verbreitung noch in den Kinderschuhen. Für Geschäftsführer Wieneke ist die Marschrichtung klar: „Unsere Geschäftspartner, etwa in China, sagen immer, dass wir noch expliziter mit unserer Tradition umgehen müssen. Made by a german family business ist dort ein absolutes Qualitätsmerkmal.“ In anderen Ländern wie den USA hat Bahlsen gelernt, die lokalen Vertriebsgesellschaften personell aufzustocken, um damit bei der Distribution und dem Marketing mehr Akzente zu setzen.

Bahlsen 2025

Derzeit arbeitet Geschäftsführer Wieneke mit Firmeninhaber Werner M. Bahlsen, dessen Familie immer noch Alleingesellschafter ist, und den anderen Führungskräften an der Strategie für die nächste Dekade: „Wir haben den Zeitraum dieses Mal bewusst länger gesetzt, um uns zu erlauben, auch mal langfristig zu denken.“

Nun beginnt mit Bahlsen 2025 die nächste strategische Phase. Im neuen Masterplan fokussiert Bahlsen das Thema Gesundheit. Neue Produkte mit weniger Zucker oder glutenfreie Alternativen sollen dabei erst der Anfang sein. Auch hierbei geht es darum, die Trends zu bedienen, um weiter wettbewerbsfähig zu bleiben. „Wir wollen sehen, was möglich ist. Wir bleiben aber immer noch ein Süßwarenhersteller“, sagt Wieneke und legt damit die Leitplanken fest.

Tradition versus Rendite

Diese Aussage kann auch als Metapher für die gesamte Entwicklung verstanden werden. Bei aller Modernisierung handelt es sich bei Bahlsen auch immer noch um ein Familienunternehmen. Und da spielen Traditionen genauso eine Rolle wie Kennzahlen. Als Inhaber Werner Michael Bahlsen vor vier Jahren überlegte, wegen der teuren Produktion aus dem Weihnachtsgeschäft auszusteigen, waren viele Kunden geschockt, einige Manager stellten sich quer. Dem Firmenerben wurde klar, dass Bahlsen einen Teil seiner Identität verlieren könnte. Er hielt deshalb am Weihnachtsgeschäft fest. Auch in dieser Adventszeit bietet Bahlsen wieder Lebkuchen, Zimtsterne und Christstollen an. Über die Produktionskosten wird nicht mehr debattiert.


Zur Person

Helge Wieneke

Helge Wieneke begann 1996 seine Karriere bei Bahlsen und arbeitete zwischendurch bei der Deutschen Lufthansa. Heute ist er Mitglied der Geschäftsführung und vor allem zuständig für Finanzen und M&A-Aktivitäten. Zuvor leitete er im Auftrag von Firmeninhaber Werner M. Bahlsen die Umstrukturierung der Geschäftseinheiten hin zu Business Units.

www.bahlsen.de

 

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